2009-11-06 16:08:53

Nordkorea: „Religionsfreiheit“ und Christenverfolgung


RealAudioMP3 Nordkorea gilt heute als das Land mit der stärksten Christenverfolgung. Zwar herrscht in dem kommunistisch regierten Staat offiziell Religionsfreiheit; tatsächlich aber werden in der Diktatur Kim Jong-ils bis zu 70.000 Christen in über 30 Arbeits- oder Straflagern gefangen gehalten. Das berichtet das überkonfessionelle deutsche Hilfswerk „Open Doors“, das im Kontakt mit vor Ort verfolgten Gläubigen ist. Die Bezeichnung „Christen“ meint für Nordkorea meist evangelisch getaufte Koreaner. Die Zahl der Katholiken beläuft sich nach Schätzungen auf etwa 3.000. Die Nordkoreanerin Lee Sung-Ae hat die Schrecken eines Gefangenenlagers vier Jahre lang ertragen müssen. Sie sagte am 2. November vor dem englischen Parlament als Zeugin aus. Lee Sung-Ae hat Radio Vatikan ihre Geschichte erzählt.

„Wegen der Essenskürzungen in Nordkorea ging ich 1997 nach China. Die Situation war so schlecht, dass mein Mann wegen Mangelernährung starb. Auch meine vier Kinder waren schon ganz schwach. In China wohnte ich bei meinem Cousin, der Mitglied in einer Kirche ist. Ich ging mit ihm in die Kirche und traf dort den Pastor. Er schlug vor, einen Monat lang die Bibel zu studieren. Das tat ich und trat danach zum christlichen Glauben über. Als ich zu meinen Kindern nach Nordkorea zurückfuhr, nahm ich fünf Bibeln mit. Und da sperrten sie mich ins Gefängnis, weil ich Christin war.“

Fehlwirtschaft und die zunehmende politische Isolation Nordkoreas haben in den neunziger Jahren zu Hungersnöten und Massenfluchten geführt. Besonders auf Heimkehrer aus dem Ausland wie Lee Sung-Ae hat es das kommunistische Regime abgesehen. Der Fall des Eisernen Vorhangs in Europa war den nordkoreanischen Machthabern drohendes Beispiel für die „ausländische Gefährdung des Kommunismus“. Lee Sung-Ae und ihre 1.000 Mitgefangenen mussten in dem Gefängnis schrecklich leiden. Sung-Ae:

„Wir hatten ja nicht mal ein Dach über dem Kopf. Es war schrecklich. Wir gruben Löcher in den Boden und legten Laub hinein, um Schutz vor Regen und Wind zu suchen. Täglich starben dreißig bis vierzig Menschen, weil es kein Essen gab. Alle waren so arm und die Bedingungen so schlecht. Die Gefängniswärter machten sich nichts aus Leben und Tod, ja unterschieden nicht mal mehr zwischen Toten und Lebenden. Krankheiten wurden nicht behandelt. Die Todesrate war unheimlich hoch.“ 
Trotz der bis heute andauernden Christenverfolgung in Nordkorea lassen sich die Gläubigen im Land aber nicht entmutigen. Das bestätigt der scheidende Generalsekretär des Weltkirchenrates, Samuel Kobia, der das Land im Oktober mit einer Delegation besuchte. Er war auf Einladung des evangelischen Kirchenverbandes „Bund der Christen“, der als regierungstreu gilt, angereist. Kobia:
„Was mich am meisten beeindruckt hat: Wie lebendig die kleine christliche Gemeinschaft in Nordkorea ist. Wir hören normalerweise ja sehr wenig von ihnen. Und trotzdem zu einer Situation zu kommen, in der es so „normal“ auszusehen scheint, ist erstaunlich. Ich denke zum Beispiel an die Gemeinde, in der ich während meiner Reise gebetet habe. Oder an das christliche Haus, in dem wir die Schicksale vieler Christen kennen lernten.“ 
Auch das Verhältnis zwischen Kirche und Regierung soll in Nordkorea wohl den Anschein von „Normalität“ erwecken. Das Treffen der Weltkirchenrat-Delegation mit dem nordkoreanischen Präsidenten sei in „einladender Atmosphäre“ verlaufen, schildert Kobia. Kim Jong-il habe dabei großes Interesse an der Entwicklung der Kirchen gezeigt. Ob der Schein trügt, lässt der Noch-Generalsekretär des Weltkirchenrates aber offen. Kobia:
„Es gibt zwar definitiv eine enge Verbindung zwischen Kirche und Regierung. Zum Beispiel ist der Präsident des „Bundes der Christen“ in höchsten Regierungskreisen gut bekannt. Und man bekommt den Eindruck, dass unser Programm klar in Kooperation mit der Regierung entstand. Die Freiheit der Christen, zu beten und Kirchen zu betreiben, scheint also gegeben, in der Verfassung und auch in der Praxis. Aber ob das jetzt nur der Fall war, weil wir zu Besuch kamen, kann man nicht wissen…“


Der Weltkirchenrat will eine Zusammenarbeit zwischen den Kirchen Nord- und Südkoreas fördern. Die Kirchen könnten nämlich für eine mögliche Versöhnung der Feindstaaten eine Schlüsselrolle spielen. Kobia:

„Wichtig ist, die Einheit der Christen und Kirchen Nord- und Südkoreas zu wollen. Das wäre ein wichtiges Signal gegenüber der Regierung und der Gesellschaft im Allgemeinen. Denn die Einheit der Kirchen und die Einheit der Familien kann leicht zu einer Wiedervereinigung der koreanischen Halbinsel führen.“

(rv/diverse 09.11.2009 pr)







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