Nahost: Bischöfe aus dem Orient geschockt über Kreuz-Urteil
Mit Verärgerung haben katholische Bischöfe aus dem Orient auf das Kruzifix-Urteil
des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte reagiert. Die Missbilligung von Kreuzen
in öffentlichen Schulen sei „schlichtweg eine Schande“, sagte der chaldäisch-katholische
Bischof Shlemon Warduni, im Gespräch mit der italienischen katholischen Nachrichtenagentur
SIR am Mittwoch. Der Entscheid der Straßburger Richter schwäche die Position der christlichen
Minderheiten im Nahen Osten. Unverständnis äußerten auch der Franziskaner-Obere des
Heiligen Landes, P. Pierbattista Pizzaballa, und der Vorsitzende der Türkischen
Bischofskonferenz, Bischof Luigi Padovese.
Warduni bezweifelte, dass
Christen im Irak eine große Hilfe von Europäern erwarten könnten, die von sich aus
die Symbole ihrer geschichtlichen und religiösen Tradition entfernen. „Wir kämpfen
jeden Tag für die Anerkennung unserer Religions- und Kultfreiheit, während manche
in Europa diese Rechte leugnen“, sagte der Bischof.
Padovese sprach von einer
„Doppelstrategie“ des Straßburger Richterkollegiums. So habe an dem Urteil in Straßburg
auch ein türkischer Richter mitgewirkt; in der Türkei selbst sei islamischer Religionsunterricht
auch für Nichtmuslime verpflichtend, betonte Padovese. „Ich frage mich, von welcher
Art Religionsfreiheit oder Respekt vor der Identität man sprechen kann, wenn in diesem
Gericht ein Mitglied sitzt, in dessen Land die Religionsfreiheit nicht voll respektiert
wird“, sagte der Vorsitzende der Türkischen Bischofskonferenz. Das Urteil spiegle
zudem eine verengte Sichtweise und werde der viel komplexeren Frage der Religionsfreiheit
in Europa nicht gerecht. Angesichts einer echten Diskriminierung religiöser Minderheiten
gebe es „größere Probleme als die Frage, ob man ein Kreuz hängen lassen oder entfernen
soll“, sagte Padovese.
Unverständnis äußerte auch der in Jerusalem residierende
Franziskaner-Kustos P. Pizzaballa. In den katholischen Schulen des Heiligen Landes
seien oft mehr muslimische als christliche Schüler. „In den Klassenräumen haben wir
Kreuze, und es gibt keine derartigen Probleme“, sagte der Franziskaner. Den Entscheid
der Straßburger Richter nannte Pizzaballa „beunruhigend“. Aus seiner Sicht gehe es
darum, unter dem Vorwand einer Trennung von Staat und Kirche „Italien seiner Geschichte,
seiner Tradition und seiner Identität zu berauben“.