2009-10-31 11:13:48

Pöttering: „Wünsche mir von Kirche weniger EU-Kritik“


RealAudioMP3 Der EU-Politiker Hans-Gert Pöttering (CDU) wünscht sich von der Kirche – auch vom Vatikan – „mehr Unterstützung“ für das europäische Projekt. Die Kirche solle begreifen, welche Chance der Lissaboner Vertrag auch für sie bedeute, meinte der frühere Präsident des EU-Parlaments in Rom im Gespräch mit Radio Vatikan. Pöttering hat diese Woche zahlreiche Gespräche im Vatikan geführt. Hier lesen Sie den Volltext des Interviews; die Fragen stellte Stefan Kempis.

„Das Entscheidende ist, dass der Vertrag von Lissabon Wirklichkeit wird! Und alle in unserer katholischen Kirche sollten auch anerkennen, dass dies nicht nur politisch ein großer Fortschritt ist. Erstmals überhaupt im europäischen Recht werden die Kirchen und Religionsgemeinschaften in einem Artikel erwähnt und wird auch gefordert (und damit garantiert), dass es einen Dialog zwischen den Kirchen/Religionsgemeinschaften und den europäischen Institutionen gibt. Ich hätte mir auch von meiner eigenen, der katholischen Kirche gewünscht, dass dies sehr viel mehr positiv hervorgehoben worden wäre und dass man nicht nur – wie wir es in Teilen unserer Kirche sehen – immer Europa und das, was schiefläuft, kritisiert! Die Politikerinnen und Politiker auch aus unserer Kirche brauchen Ermutigung und nicht nur Kritik!“

Sie haben vor kurzem beinahe unwirsch zu erkennen gegeben, dass die Nörgelei von Bischöfen am europäischen Projekt manchmal nervt. In Irland haben sich kürzlich vor dem zweiten Referendum die Bischöfe nicht deutlich positioniert – es hat noch nicht einmal dazu gereicht. Ist die Kirche vielleicht institutionell zu schwerfällig oder zu ängstlich? Ist ein Teil des europäischen Geistes auch aus der Kirche ausgefahren?

„Also, insgesamt muß man sagen, dass die Kirche natürlich für die europäische Einigung ist. Dafür steht ja auch der Name Benedikt: Benedikt XVI. hat ja seinen Namen vom heiligen Benedikt, dem Schutzpatron Europas – das ist ja schon eine positive Symbolik für die europäische Einigung! Und Johannes Paul II. war ein großer Europäer, weil ohne ihn die europäische Einigung gar nicht möglich gewesen wäre. „Solidarnosc“ hat auch dazu beigetragen, dass Deutschland geeint ist, und ich hoffe, dass meine Landsleute in Deutschland immer erkennen, wie sehr sie auch die Einheit Deutschlands den Polen verdanken.

Die irische Bischofskonferenz stand positiv zum Vertrag von Lissabon; dafür bin ich sehr dankbar. Comece, die Europäische Bischofskonferenz, war positiv – aber ich hätte mir von der einen oder anderen Stimme auch im Vatikan mehr Unterstützung und weniger Nörgelei, wie Sie es nennen – weniger Kritik gewünscht. Aber wir Christen hoffen ja, und wir glauben ja auch an den Heiligen Geist – insofern hoffe ich, dass der Heilige Geist in Zukunft etwas stärker ist in unserer Kirche!“

Hoffnung auf Papstbesuch im EU-Parlament

Eine Gelegenheit zu einer Neu-Positionierung des Vatikans in Sachen Europa könnte ein Auftritt von Papst Benedikt XVI. im Europaparlament sein. Aber wann? Gibt es da jetzt klarere Signale als vor ein paar Jahren, als noch kein Besuch des Papstes vor der UNO zustandegekommen war?
„Während meiner Zeit als Präsident des Europäischen Parlaments, also von Januar 2007 bis Juli 2009, habe ich ja eine Einladung an den Heiligen Vater ausgesprochen. Er hat sich dann nicht in der Lage gesehen, diese Einladung anzunehmen – was ich bedaure. Aber er wird sicher seine Gründe haben, und das respektiere ich voll. Ich habe aber die Hoffnung nicht aufgegeben, dass vielleicht in Zukunft ein Besuch des Heiligen Vaters möglich wird – doch das ist dann nicht mehr meine Aufgabe, sondern die meines Nachfolgers Jerzy Buzek, der eine hervorragende Aufgabe wahrnimmt und es wunderbar macht, bzw. seines Nachfolgers oder seiner Nachfolgerin. Die Hoffnung haben wir nicht aufgegeben!“

Was den Dialog mit den Religionsgemeinschaften und Kirchen betrifft, der im Lissaboner Vertrag vorgesehen ist, hat vor kurzem auf einer Brüssel-Reise der Rottenburg-Stuttgarter Bischof Gebhard Fürst fast erschrocken gesagt: Da müssen wir uns ja auch nochmal anders aufstellen als Kirche! Was sollte die Kirche machen – noch eine Lobby in Brüssel gründen? Davon gibt es allerdings schon einige.... Was sollten die Bischofskonferenzen tun?

„Bischof Fürst ist ja ein sehr anerkannter Bischof, wie auch sein direkter Vorgänger Kardinal Kasper, den ich hier in Rom – wie auch Kardinal Tauran und Erzbischof Mamberti, den „Außenminister“, wie man sagt – getroffen habe. Wenn Bischof Fürst sagt, die katholische Kirche solle sich noch stärker positionieren, dann begrüße ich das! Aber es verlangt auch von uns Politikern, dass wir engagiert sind – vielleicht noch stärker als bisher. Wir sind also nicht nur kritisch gegenüber anderen, sondern auch uns gegenüber...

Mir geht es darum, dass wir unsere Werte in Europa stärker in den Mittelpunkt stellen: Das ist die Würde des Menschen, die Menschenrechte, die Würde der Person. Person ist ja ein christlicher Begriff: verantwortlich für sich selbst und für die Gemeinschaft. Dieser Begriff hat auch Eingang gefunden in die „Charta der Grundrechte“ und damit in den Vertrag von Lissabon. Dazu gehört die Freiheit, die Demokratie, die Solidarität, auch die Subsidiarität und der Frieden – das sind alles auch christliche Werte! Ich wünsche mir, dass die Politik und die Kirchen (nicht nur die katholische, sondern die Kirchen in Europa insgesamt) diese Werte stärker verkörpern. Denn diese Europäische Union ist nicht nur eine Wirtschaftsunion, obwohl auch das wichtig ist, sondern eine Union, die sich auf Werte gründet. Das sollten wir, Kirche und Politik, gemeinsam stärker betonen!“

„Für Kirchen in Saudi-Arabien eintreten!“

Worum ging es in diesen Tagen in Ihren Gesprächen im Vatikan?

„Es ging natürlich auch um den Dialog der Kulturen. Wie können wir es schaffen, mit der islamischen Welt, dem Judentum und den Orthodoxen in ein besseres Verhältnis zu kommen? Insbesondere ist es natürlich wichtig, dass wir mit der arabischen und der islamischen Welt in Frieden leben – aber das bedeutet nicht nur, dass wir Toleranz üben, dass wir Moscheen und Gebetshäuser bauen in Europa. Ich bin durchaus dafür, aber wir müssen aber auch darauf bestehen, dass es christliche Kirchen in der arabischen Welt gibt und dass die Christen in der arabischen Welt ebenso ihren Glauben leben können, wie das in Europa der Fall ist. Wir wissen: In einigen Ländern ist das möglich. Ich habe z.B. im letzten Jahr Oman besucht; dort gibt es christliche Gemeinschaften, die ihren Glauben leben können; es gibt Kirchen. Es gibt noch andere arabische Länder, in denen das ebenfalls der Fall ist, doch in Saudi-Arabien gibt es nicht eine christliche Kirche! Hier sollten wir fordern, dass die Dinge sich bewegen. Das braucht natürlich Zeit, aber wir müssen auch für unsere Werte eintreten!“

Glauben Sie, dass es im Vatikan eine Präferenz gibt, wer EU-Ratspräsident werden sollte bzw. lieber nicht?

„Da will ich mir den Kopf des Vatikans nicht zerbrechen. Positionen in der Europäischen Union sind natürlich wichtig, aber sie sind nicht das Entscheidende. Wichtig ist, dass wir die Institutionen haben! Der große Jean Monnet, einer der Gründungsväter der europäischen Idee und der Europäischen Gemeinschaft, heute die Europäische Union, hat einmal gesagt: Nichts ist möglich ohne die Menschen – nichts ist dauerhaft ohne die Institutionen! Wenn der Vertrag von Lissabon in Kraft tritt, nachdem der Präsident Tschechiens hoffentlich unterschrieben hat, werden wir einen Präsidenten des Europäischen Rates haben. Es gibt hinreichend geeignete Persönlichkeiten, so dass ich zuversichtlich bin, dass dann die Aufgabe, die ein solcher Präsident zu erfüllen hat, auch gut erfüllt wird.“

(rv 31.10.2009 sk)







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