Martin Buber/Franz Rosenzweig: Die Schrift – aus dem Hebräischen
verdeutscht. Vier Bände im Schuber. Deutsche Bibelgesellschaft, 51 Euro. Klaus
Berger/ Christiane Nord: Das Neue Testament und frühchristliche Schriften. Insel Verlag,
ca. 33 Euro.
Rezensent: Stefan v. Kempis, Radio Vatikan Sendung:
31.10.2009 Zwei ungewöhnliche Bibelübersetzungen will ich Ihnen vorstellen
– eine zum Alten, eine zum Neuen Testament. Zunächst einmal zum Ersten Bund: Da haben
die großen jüdischen Autoren Martin Buber und Franz Rosenzweig schon im letzten Jahrhundert
eine Verdeutschung der Hebräischen Bibel geschaffen, die von großer inspiratorischer
Wucht ist. „Im Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde“, so lassen die Autoren die
Genesis beginnen: „Die Erde aber war Irrsal und Wirrsal“ – eine Wortschöpfung, die
das hebräische „Tohu“ und „Bohu“ spiegelt. Und weiter: „Finsternis über Urwirbels
Antlitz. Braus Gottes schwingend über dem Antlitz der Wasser. Gott sprach: Licht werde!
Licht ward.“ Was Buber und Rosenzweig hier gelungen ist, läßt sich nur mit der sprachsetzenden
Bibelübersetzung Luthers vergleichen. Der zwischen archaisch und poetisch pendelnde
Stil läßt etwas von der Rauhheit des Originals erahnen. Ein völlig ungeglättetes,
schroffes AT – faszinierend zu lesen. Rosenzweig fürchtete einmal: „Die Deutschen
werden diese allzu unchristliche Bibel nicht vertragen“ – beweisen wir doch mal das
Gegenteil! Und dann, zweitens: ein ungewöhnlicher Zugang zum Neuen Testament. Der
Theologe Klaus Berger hat zusammen mit seiner Frau, einer Übersetzerin, nicht nur
den Kanon des NT neu ins Deutsche übertragen (und zwar in ein verständliches, heutiges
Deutsch), sondern auch alle ältesten Schriften des Urchristentums gleich mit dazu.
Das sind Apokryphen wie das „Thomas-Evangelium“, Papyri-Fragmente, Briefe des Ignatius
von Antiochien, die „Zwölf-Apostel-Lehre“, der „Hirt des Hermas“, die „Oden Salomos“,
verstreute „Jesusworte“ aus verschiedensten antiken Quellen... Selbst die unter Theologen
berüchtigte „Quelle Q“, von der sich noch nie ein Schnipsel gefunden hat, wird hier
versuchsweise rekonstruiert. Diese sehr disparaten Texte, die in sich den ganzen Reichtum
und die Vielstimmigkeit des frühen Christentums zeigen, hat Berger auch behutsam in
eine chronologische Reihenfolge gebracht. Wir haben hier nicht weniger als eine Bibliothek
des Urchristentums – bewegend. Und auch wenn manche Einzelentscheidung der zwei Übersetzer
diskutabel erscheinen mag, etwa die relative Frühdatierung des Johannes-Evangeliums,
so gibt es doch kein zweites Buch wie dieses, das auch dem Laien den direkten, unverstellten
Blick ins Urchristentum erlaubt. Bewegend, wirklich.