Naher Osten: Wo ist der Friedensprozess geblieben?
Der Papst fährt –
im Mai war das – mit dem Auto durch die Mauer in Israel, die Kontrahenten Netanjahu
und Abbas schütteln sich in New York vor den Fernsehkameras die Hände, und nur von
einem ist keine Spur in Nahost: vom Friedensprozess nämlich. Trotz mancher Bemühungen
der neuen US-Regierung ist in Tel Aviv und Ramallah nichts in Gang gekommen – zum
Ärger des Vatikans. Erzbischof Celestino Migliore vertritt den Vatikan bei der UNO
in New York; er sagt uns:
„In 60 Jahren hat die UNO nicht weniger als 760
Resolutionen zur israelisch-palästinensischen Frage verabschiedet – und nicht eine
einzige davon ist umgesetzt worden. Friedenspläne gibt es ja eigentlich genug: die
Vereinbarungen von Oslo, die von Camp David, die Road Map, die Arbeit des Nahost-Quartetts
usw. – aber die Krise in den israelisch-palästinensischen Beziehungen ist leider längst
chronisch geworden. Zu lösen ist sie erst, wenn die Betreffenden und vor allem die
mit ihnen verbündeten Länder, auf der einen wie auf der anderen Seite, wirklich einmal
den politischen Willen aufbringen: Erst dann kann die UNO vielleicht auch mal einen
Friedensplan auf die Beine stellen, der auch funktioniert!“
Ja, die UNO…
Erzbischof Migliore, der das Treiben im UNO-Hauptquartier am „East River“ aus der
Nähe erlebt, ist aufgebracht über die „unerträgliche Verspätung“, mit der die Völkerorganisation
oft wichtige Themen angeht.
„Nehmen wir den Fall der Finanzkrise: Es ist
ja klar, dass man nicht 192 Länder bitten kann, sich an einen Tisch zu setzen, um
sich neue Normen und Mechanismen für Kontrolle und Aktion auszudenken; dafür sind
eher spezialisierte Institute und regionale Verbände da, die schneller entscheiden
können. Aber da muss die UNO doch Vorschläge in die Wagschale werfen, damit auch Länder
gehört werden, die vielleicht weniger politisches, demographisches und wirtschaftliches
Gewicht haben!“