Österreich: „Pfarrgemeinden stärker in den Blick nehmen“
Kardinal Christoph Schönborn plädiert dafür, die Bedeutung der Pfarrgemeinden weltweit
stärker in den Blick zu nehmen. Bei der 1. Wiener Diözesanversammlung im Rahmen des
Vorgangs „Apostelgeschichte 2010“ seien zahlreiche Sorgen und Anliegen im Blick auf
die Pfarrgemeinden zum Ausdruck gebracht worden, hielt der Kardinal am Samstagvormittag
vor den Delegierten im Wiener Stephansdom fest. Er werde verstärkt mit Bischöfen der
Weltkirche das Gespräch über diese Themen und den Austausch über die Anliegen und
Erfahrungen der Pfarrgemeinden suchen. In Richtung der Delegierten sagte Schönborn:
„Ich kann nicht Reformen versprechen, die viele sich wünschen, die aber nicht in meiner
Hand liegen.“ Es sei aber ein berechtigter Wunsch, „dass es über diese Anliegen einen
verstärkten Austausch gibt“. Bei der Diözesanversammlung waren im Blick auf die Zukunft
der Pfarren die Zugangsbedingungen zum Priestertum, die Frage der „viri probati“ (der
Priesterweihe für bewährte verheiratete Männer) oder der neuen Leitungsmodelle für
Pfarrgemeinden mehrfach thematisiert worden. In seiner ersten Bilanz der Delegiertenversammlung
sagte Schönborn, er nehme es für sich als Auftrag mit, noch bewusster auf das zu schauen,
was in der Kirche „Schmerz oder Leidensdruck“ verursache, aber auch auf das, was an
Neuem wachse. Die Versammlung habe deutlich gemacht, „wie viel in unserer Diözese
von so vielen getragen und gelebt wird“. Bewusstes Augenmerk sollten die Gläubigen
in der Erzdiözese Wien auf die Sorge um die wachsende Zahl an Notleidenden legen,
betonte der Kardinal und dankte für alles, was schon jetzt an vielfältiger karitativer
Hilfe durch die Pfarren geleistet wird.
Als besonderes Anliegen nannte der
Wiener Erzbischof, dass die Gotteshäuser „offengehalten werden“ und die Pfarren gastfreundlich
sind. Menschen, die neu in eine Pfarre kommen oder sich für die Kirche interessieren,
dürften nicht das Gefühl haben, „allein zu bleiben“. Jede Pfarre sollte daher eine
Art „Welcome-Service“ haben. Die Versammlung habe ihm auch gezeigt, dass es notwendig
ist, „bewusster von Angesicht zu Angesicht über den Glauben zu sprechen“, auch mit
den Menschen in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur. Und er wolle Jugendliche
„noch mehr und direkter darauf ansprechen, ob sie nicht einen geistlichen Beruf ergreifen
wollen“, so Schönborn. Erneut stellte der Kardinal klar, dass es in der Erzdiözese
Wien keine Auflösung von Pfarren und keine Schließung von Kirchen geben wird. Es werde
aber überlegt, Gotteshäuser anderssprachigen katholischen Gemeinden oder auch orthodoxen
Gemeinden zu überlassen oder sie mit ihnen zu teilen. „Es geht nicht um schließen,
sondern um teilen“, hob der Wiener Erzbischof hervor. Generell plädierte Schönborn
dafür, die anderssprachigen Katholiken im Bereich der Erzdiözese stärker in den Blick
zu nehmen. Unter ihnen fänden sich viele Jugendliche, die bereits in Österreich geboren
und aufgewachsen sind und auch die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen. „Sie
sind unsere Mitkatholiken“, dennoch seien sie noch zu wenig im Bewusstsein der Kirche
von Wien verankert, stellte der Kardinal fest.
Die drei territorialen Bischofsvikare
der Erzdiözese Wien - Prälat Karl Rühringer, P. Amadeus Hörschläger und Prälat Matthias
Roch - kündigten an, den Austausch und die Zusammenarbeit zwischen den Pfarren ausbauen
zu wollen. Das Bemühen um Offenheit und Gastfreundschaft müsse verstärkt werden. Auch
gelte es, die Freude des Glaubens besser zu zeigen. „Wir verkünden die Frohe Botschaft
und nicht das Kirchenrecht“, betonte P. Hörschläger.
In den Wortmeldungen
einzelner Delegierter fanden sich u.a. Forderungen nach gezielteren Angeboten für
Jugendliche, nach stärkerem Zugehen auf Politik, Wirtschaft und Wissenschaft, nach
mehr Engagement für das Gespräch mit Ausgetretenen sowie nach Einbeziehung von Flüchtlingen
und Migranten. Den Abschluss der ersten der insgesamt drei vorgesehenen Diözesanversammlungen
bildete ein festlicher Sendungsgottesdienst im Stephansdom. P. Johannes Lechner betonte
in seiner Predigt, nicht Konflikte zwischen „Konservativen“ und „Liberalen“ seien
das Problem in der Kirche. Zum einen seien „liberal“ und „konservativ“ keine biblischen
Kategorien. „Liberale“ wollten, „dass etwas weitergeht“, und „Konservative“ wollten
das Wertvolle aus der Tradition bewahren. Probleme verursachten jene, die „aggressiv“
auftreten, und jene, die sich nur „lau“ und halbherzig für ihren Glauben einsetzen.