2009-10-20 17:16:16

Synode: Ruandische Schwester erzählt, wie sie dem Mörder ihrer Eltern verzieh


RealAudioMP3 Rassenkonflikte bergen nach wie vor Sprengstoff für den Frieden Afrikas. Viele der im Vatikan tagenden Synodenväter haben bei ihren Wortmeldungen darauf hingewiesen. Der Völkermord von Ruanda steht dabei als besonders mahnendes Beispiel vor Augen. Binnen 100 Tagen verloren damals 800.000 Menschen in einem Blutrausch von ungeahntem Ausmaß das Leben. Wie kann Ruanda heute, 15 Jahre später, mit einer solchen Last leben? Und welchen Beitrag kann die katholische Kirche – der die Hälfte der Ruandesen angehören - dazu leisten, dass Versöhnung an die Stelle von Hass und Gewalt tritt? Eine ruandesische Ordensfrau, Hörerin bei der Synode, erzählte den versammelten Bischöfen und Papst Benedikt ihre ganz persönliche Geschichte….

„Ich bin Schwester Geneviève Uwamariya. Ich bin dem Völkermord in Ruanda entkommen. Was mich danach im Inneren antrieb, waren Rache und Hass gegen jene, die meine Eltern getötet und andere Familienmitglieder entführt hatten. Irgendwann habe ich mich gefragt, was kann mich frei machen? Der einzige Weg war, hinzugehen und diese Leute, die ich gar nicht kannte, zu treffen.

Eines Tages kamen die Ordensschwestern Unserer Frau des Erbarmens, die alle Menschen guten Willens dazu einluden, in die Gefängnisse zu gehen und den Häftlingen zu helfen, sich ihrerseits innerlich frei zu machen. Ich ging also in zwei Gefängnisse, eines mit 3.000 und eines mit 4.000 Häftlingen. Ich habe diese Leute dazu eingeladen, die Wahrheit zu sagen. Was mich überraschte, war, wie viele Details sie mir sagten.

So traf ich auch jene, die meine Eltern getötet hatten. Sie erzählten mir Einzelheiten, etwa, wie mein Vater gekleidet war, als sie ihn töteten. Und auf einmal habe ich gespürt, wie diese ganze Last von mir abfiel. Auch dieser Mann hat plötzlich laut geschrien: „Vergeben Sie mir. Erbarmen!“ Wir fielen einander in die Arme, und weinend antwortete ich ihm: Ich vergebe Ihnen. Ich habe mich durch und durch gereinigt gefühlt. Und diese Erfahrung wollte ich auch anderen ermöglichen. So sagte ich den anderen Gefangenen: Wirklich, ich bitte Sie, seien Sie aufrichtig. Sagen Sie die Wahrheit. Nach und nach bekam ich mehr als 600 Briefe, die ich verteilte. Und abermals überraschte mich etwas: Gewaltopfer antworteten den Mördern. Viele haben sich dann auch getroffen. Das war fantastisch.

Das erste, was ich bei meiner Arbeit in den Gefängnissen tat, war einfach zuhören. Es ist nämlich nicht einfach, zu gestehen: Ich habe 20 Menschen getötet. Wer tötet, ist ein verletzter Mensch.

Ich bin 49 Jahre alt und war bereits Ordensfrau, als der Völkermord geschah. Nein, ich habe niemals an meinem Glauben gezweifelt. Aber das war eine Gnade Gottes. Deshalb beten wir in unserem Apostolat. Es ist eine Gnade, aber man muss diese Gnade auch wünschen.

Immerhin, die Gesinnung der Menschen ändert sich. Ich stelle fest, dass unsere Jugendlichen diese schwere Last nicht erben möchten. Man spürt, dass sie an einer besseren Zukunft bauen wollen.“
(rv 20.10.2009 gs)








All the contents on this site are copyrighted ©.