Synode: Ruandische Schwester erzählt, wie sie dem Mörder ihrer Eltern verzieh
Rassenkonflikte bergen
nach wie vor Sprengstoff für den Frieden Afrikas. Viele der im Vatikan tagenden Synodenväter
haben bei ihren Wortmeldungen darauf hingewiesen. Der Völkermord von Ruanda steht
dabei als besonders mahnendes Beispiel vor Augen. Binnen 100 Tagen verloren damals
800.000 Menschen in einem Blutrausch von ungeahntem Ausmaß das Leben. Wie kann Ruanda
heute, 15 Jahre später, mit einer solchen Last leben? Und welchen Beitrag kann die
katholische Kirche – der die Hälfte der Ruandesen angehören - dazu leisten, dass Versöhnung
an die Stelle von Hass und Gewalt tritt? Eine ruandesische Ordensfrau, Hörerin bei
der Synode, erzählte den versammelten Bischöfen und Papst Benedikt ihre ganz persönliche
Geschichte….
„Ich bin Schwester GenevièveUwamariya. Ich bin dem Völkermord
in Ruanda entkommen. Was mich danach im Inneren antrieb, waren Rache und Hass gegen
jene, die meine Eltern getötet und andere Familienmitglieder entführt hatten. Irgendwann
habe ich mich gefragt, was kann mich frei machen? Der einzige Weg war, hinzugehen
und diese Leute, die ich gar nicht kannte, zu treffen.
Eines Tages kamen die
Ordensschwestern Unserer Frau des Erbarmens, die alle Menschen guten Willens dazu
einluden, in die Gefängnisse zu gehen und den Häftlingen zu helfen, sich ihrerseits
innerlich frei zu machen. Ich ging also in zwei Gefängnisse, eines mit 3.000 und eines
mit 4.000 Häftlingen. Ich habe diese Leute dazu eingeladen, die Wahrheit zu sagen.
Was mich überraschte, war, wie viele Details sie mir sagten.
So traf ich auch
jene, die meine Eltern getötet hatten. Sie erzählten mir Einzelheiten, etwa, wie mein
Vater gekleidet war, als sie ihn töteten. Und auf einmal habe ich gespürt, wie diese
ganze Last von mir abfiel. Auch dieser Mann hat plötzlich laut geschrien: „Vergeben
Sie mir. Erbarmen!“ Wir fielen einander in die Arme, und weinend antwortete ich ihm:
Ich vergebe Ihnen. Ich habe mich durch und durch gereinigt gefühlt. Und diese Erfahrung
wollte ich auch anderen ermöglichen. So sagte ich den anderen Gefangenen: Wirklich,
ich bitte Sie, seien Sie aufrichtig. Sagen Sie die Wahrheit. Nach und nach bekam ich
mehr als 600 Briefe, die ich verteilte. Und abermals überraschte mich etwas: Gewaltopfer
antworteten den Mördern. Viele haben sich dann auch getroffen. Das war fantastisch.
Das erste, was ich bei meiner Arbeit in den Gefängnissen tat, war einfach
zuhören. Es ist nämlich nicht einfach, zu gestehen: Ich habe 20 Menschen getötet.
Wer tötet, ist ein verletzter Mensch.
Ich bin 49 Jahre alt und war bereits
Ordensfrau, als der Völkermord geschah. Nein, ich habe niemals an meinem Glauben gezweifelt.
Aber das war eine Gnade Gottes. Deshalb beten wir in unserem Apostolat. Es ist eine
Gnade, aber man muss diese Gnade auch wünschen.
Immerhin, die Gesinnung der
Menschen ändert sich. Ich stelle fest, dass unsere Jugendlichen diese schwere Last
nicht erben möchten. Man spürt, dass sie an einer besseren Zukunft bauen wollen.“
(rv 20.10.2009 gs)