Die Zahl der Kirchenaustritte in Deutschland ist 2008 auch auf evangelischer Seite
drastisch gestiegen. Das ergab eine Umfrage der Evangelischen Nachrichtenagentur idea.
Den beiden großen Kirchen kehrten insgesamt 290.056 Bürger den Rücken. Das waren 29,5
Prozent mehr als 2007. Aus den 22 evangelischen Landeskirchen traten letztes Jahr
168.901 Personen aus, was einem Zuwachs von 29,6 Prozent entspricht. Bei der katholischen
Kirche erhöhten sich die Austritte um 29,3 Prozent auf 121.155. Besonders hoch sind
die Anstiege auf evangelischer Seite vor allem im Westen Deutschlands. Die prozentual
größten Steigerungen verzeichneten die Landeskirchen Pfalz (41,2 Prozent) und Anhalt
(40,4 Prozent). Über dem Durchschnitt lag auch die größte Landeskirche, die hannoversche,
mit einem Plus von 29,6 Prozent. Nach Ansicht des Religionssoziologen Detlef Pollack
aus Münster hängt der Mitgliederschwund der Kirchen unter anderem mit der Wirtschaftskrise
zusammen. „Die Ersparnis der Kirchensteuer ist ein wesentliches Motiv für Kirchenaustritte“,
fand der Wissenschaftler bei einer langfristigen Studie heraus. Die Austrittsraten
stiegen immer dann an, wenn die Finanzbelastung wachse. Das lasse sich für die vergangenen
50 Jahre nachweisen, etwa beim Solidaritätszuschlag 1992 oder beim Konjunkturzuschlag
Anfang der siebziger Jahre. Die Austritte hätten auch mit einer sinkenden Religiosität
zu tun: „Menschen, die austreten, haben zumeist die Beziehung zu Glauben und Kirche
verloren. Die Wirtschaftslage ist dann der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen
bringt.“ Dabei seien es laut Statistik vor allem Besserverdiener, Städter und Männer,
die der Kirche den Rücken kehrten. „Für sie lohnt sich der Austritt finanziell am
meisten. Die Bindung zur Kirche bleibt jedoch oft über die schlechter verdienende
Frau bestehen. Dies erlaubt es, die Kinder dann dennoch taufen zu lassen“, so Pollack. (idea
19.10.2009 sk)