2009-10-13 14:41:04

Synode: Mauretanien und die Bootsflüchtlinge


RealAudioMP3 Die katholische Kirche in Mauretanien steht Afrikanern bei, die unmittelbar vor einer Bootsflucht über den Atlantik nach Europa stehen. Darüber berichtet uns Bischof Martin Happe von Nouakchott, ein „Weißer Vater“ aus Deutschland, der seit 36 Jahren in Afrika wirkt und seit 14 Jahren die einzige Diözese Mauretaniens leitet. In der Hafenstadt Nouadhibou, sagte Bischof Happe unserer Synoden-Korrespondentin Gudrun Sailer, halten sich regelmäßig zwischen 10.000 und 20.000 junge Afrikaner anderer Nationen auf, die auf die nächste Gelegenheit zur Überfahrt warten. Für jeden zweiten wird sie tödlich enden.

„Nouadhibou, die Hafenstadt von Mauretanien, ist einer der großen Ausgangspunkte dieser ,boat people’ für die Kanarischen Inseln. Und eines unserer Caritasprojekte beschäftigt sich sehr eingehend damit. Rupert Neudeck, der bekannt ist durch sein Schiff Cap Anamur, hilft uns dort engagiert und kompetent, Infrastrukturen aufzubauen, damit wir uns um diese Menschen kümmern können.“

Auf welche Art kümmert man sich um diese Menschen?

„Indem man einfach Ansprechpartner ist. Es sind in der Regel Fremde, die hierher kommen und nicht wissen wo sie hingehen sollen. Sie finden bei uns Gleichgesinnte, ärztliche Versorgung, rechtliche Beratung und sogar ein Internetcafé, damit sie mit der Heimat Kontakt aufnehmen können. Es ist uns ein großes Anliegen, diese Menschen - ohne dabei Partei zu beziehen was illegale Einwanderung oder Auswanderung betrifft – einfach als Menschen anzunehmen und ihnen soweit möglich menschenwürdige Bedingungen zu schaffen.“

Gelingt es Ihnen durch das Projekt, diese Leute von der Auswanderung abzuhalten? Denn das ist eine gefährliche Angelegenheit: Die Hälfte der Menschen sterben bei der Überfahrt.

„Das ist richtig. Die Hälfte legt ab und kommt niemals an. Das sagen wir auch sehr deutlich. Trotzdem sagen die Menschen oft: Unser Dorf, unsere Familie hat in uns investiert. Wir können nicht so zurück. Daher schaffen wir auch Ausbildungsmöglichkeiten, damit die Menschen nicht ohne alles zurückkehren. Man darf sich aber keine Illusionen machen: Wer entschlossen ist abzureisen, der wird abreisen. Auch, wenn er nie ankommt. Das wissen die Menschen selbst.“

 
Aus welchen Ländern kommen denn diese Menschen überwiegend?

„Immer aus den Ländern, in denen es gerade Krisen gibt. Aus dem Senegal und Nigeria kommen sehr viele, etliche auch aus Ghana. Bei Krisen kamen auch Leute von der Elfenbeinküste oder aus Kamerun.“

Wenn Sie in europäischen Medien über die Flüchtlingspolitik der Europäischen Union lesen, was denken Sie?

„Wir haben einfach ein kurzes Gedächtnis! Meine Familie heißt Happe und ich komme aus dem Münsterland. Es leben heute wesentlich mehr Menschen namens Happe in den Vereinigten Staaten als im Münsterland – auch wenn die meisten dort heute ,Happy’ heißen... Auch sie sind Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts ausgewandert, weil die Lebensbedingungen für einfache Leute im Münsterland damals sehr schwierig waren und sie sich eine bessere Zukunft in den USA erhofft haben. Dieses Phänomen ist so alt wie die Menschheit. Und das Abschotten funktioniert nicht: Der Limes zur Verteidigung der Römer gegen die Barbaren hat nicht funktioniert. Die Chinesische Mauer zum Schutz des Reichs der Mitte ebenso wenig und die Mauer zwischen Mexiko und den Vereinigten Staaten auch nicht. All diese Sicherheitsbestrebungen, die viel Geld kosten, sind verlorene Mühe. Man sollte das Geld so investieren, dass es in Krisenländern wirtschaftlich und politisch ruhiger ist. Denn viele korrupte Regimes können bestehen, weil sie den Europäern und den Amerikanern genehm sind – dadurch kommen sie nämlich günstig an Rohstoffe, was aber schon der nächsten Generation nicht mehr hilft. Man müsste in den betreffenden Ländern die Lebensbedingungen politisch, sozial und wirtschaftlich so umgestalten, dass die jungen Menschen in ihren eigenen Ländern eine Zukunftschance sehen. Ich glaube, das ist die einzige Möglichkeit, dem Phänomen Auswanderung Einhalt zu gebieten.“

(rv 13.10.2009 gs)








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