Die katholische Kirche
in Mauretanien steht Afrikanern bei, die unmittelbar vor einer Bootsflucht über den
Atlantik nach Europa stehen. Darüber berichtet uns Bischof Martin Happe von Nouakchott,
ein „Weißer Vater“ aus Deutschland, der seit 36 Jahren in Afrika wirkt und seit 14
Jahren die einzige Diözese Mauretaniens leitet. In der Hafenstadt Nouadhibou, sagte
Bischof Happe unserer Synoden-Korrespondentin Gudrun Sailer, halten sich regelmäßig
zwischen 10.000 und 20.000 junge Afrikaner anderer Nationen auf, die auf die nächste
Gelegenheit zur Überfahrt warten. Für jeden zweiten wird sie tödlich enden.
„Nouadhibou,
die Hafenstadt von Mauretanien, ist einer der großen Ausgangspunkte dieser ,boat people’
für die Kanarischen Inseln. Und eines unserer Caritasprojekte beschäftigt sich sehr
eingehend damit. Rupert Neudeck, der bekannt ist durch sein Schiff Cap Anamur, hilft
uns dort engagiert und kompetent, Infrastrukturen aufzubauen, damit wir uns um diese
Menschen kümmern können.“
Auf welche Art kümmert man sich um diese Menschen?
„Indem
man einfach Ansprechpartner ist. Es sind in der Regel Fremde, die hierher kommen und
nicht wissen wo sie hingehen sollen. Sie finden bei uns Gleichgesinnte, ärztliche
Versorgung, rechtliche Beratung und sogar ein Internetcafé, damit sie mit der Heimat
Kontakt aufnehmen können. Es ist uns ein großes Anliegen, diese Menschen - ohne dabei
Partei zu beziehen was illegale Einwanderung oder Auswanderung betrifft – einfach
als Menschen anzunehmen und ihnen soweit möglich menschenwürdige Bedingungen zu schaffen.“
Gelingt
es Ihnen durch das Projekt, diese Leute von der Auswanderung abzuhalten? Denn das
ist eine gefährliche Angelegenheit: Die Hälfte der Menschen sterben bei der Überfahrt.
„Das ist richtig. Die Hälfte legt ab und kommt niemals an. Das sagen wir
auch sehr deutlich. Trotzdem sagen die Menschen oft: Unser Dorf, unsere Familie hat
in uns investiert. Wir können nicht so zurück. Daher schaffen wir auch Ausbildungsmöglichkeiten,
damit die Menschen nicht ohne alles zurückkehren. Man darf sich aber keine Illusionen
machen: Wer entschlossen ist abzureisen, der wird abreisen. Auch, wenn er nie ankommt.
Das wissen die Menschen selbst.“
Aus welchen Ländern
kommen denn diese Menschen überwiegend?
„Immer aus den Ländern, in denen
es gerade Krisen gibt. Aus dem Senegal und Nigeria kommen sehr viele, etliche auch
aus Ghana. Bei Krisen kamen auch Leute von der Elfenbeinküste oder aus Kamerun.“
Wenn
Sie in europäischen Medien über die Flüchtlingspolitik der Europäischen Union lesen,
was denken Sie?
„Wir haben einfach ein kurzes Gedächtnis! Meine Familie
heißt Happe und ich komme aus dem Münsterland. Es leben heute wesentlich mehr Menschen
namens Happe in den Vereinigten Staaten als im Münsterland – auch wenn die meisten
dort heute ,Happy’ heißen... Auch sie sind Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts
ausgewandert, weil die Lebensbedingungen für einfache Leute im Münsterland damals
sehr schwierig waren und sie sich eine bessere Zukunft in den USA erhofft haben. Dieses
Phänomen ist so alt wie die Menschheit. Und das Abschotten funktioniert nicht: Der
Limes zur Verteidigung der Römer gegen die Barbaren hat nicht funktioniert. Die Chinesische
Mauer zum Schutz des Reichs der Mitte ebenso wenig und die Mauer zwischen Mexiko und
den Vereinigten Staaten auch nicht. All diese Sicherheitsbestrebungen, die viel Geld
kosten, sind verlorene Mühe. Man sollte das Geld so investieren, dass es in Krisenländern
wirtschaftlich und politisch ruhiger ist. Denn viele korrupte Regimes können bestehen,
weil sie den Europäern und den Amerikanern genehm sind – dadurch kommen sie nämlich
günstig an Rohstoffe, was aber schon der nächsten Generation nicht mehr hilft. Man
müsste in den betreffenden Ländern die Lebensbedingungen politisch, sozial und wirtschaftlich
so umgestalten, dass die jungen Menschen in ihren eigenen Ländern eine Zukunftschance
sehen. Ich glaube, das ist die einzige Möglichkeit, dem Phänomen Auswanderung Einhalt
zu gebieten.“