Autorin des Jahres: Herta Müller. Schreiben gegen den Totalitarismus
Der Vorsitzende der
Deutschen Bischofskonferenz hat der Schriftstellerin Herta Müller zum Nobelpreis gratuliert.
Er bewundere ihre sprachliche Kraft und gedankliche Intensität, so Erzbischof Robert
Zollitsch in einem am Freitag veröffentlichten Glückwunschschreiben. Die Thematik
des neuen Romans „Atemschaukel“ erinnere ihn an die eigene schmerzliche Vergangenheit
im ehemaligen Jugoslawien“, unterstrich der Freiburger Erzbischof, der 1945 aus seinem
Heimatort Filipovo (Philippsdorf) vertrieben wurde. - Am Donnerstag hatte die Königlich-Schwedische
Akademie der Wissenschaften Müller den Literaturnobelpreis zuerkannt. Sie verstehe
es, mit ihrer „aufrichtigen“ Dichtung „Landschaften der Heimatlosigkeit“ zu zeichnen,
heißt es in der Laudatio. Ihr Schreiben zeichne sich durch „Verdichtung der Poesie“
und „Sachlichkeit der Prosa“ aus.
Ein Portrait:
Schreiben gegen den
Totalitarismus – im Zentrum des Werkes der diesjährigen Nobelpeisträgerin für Literatur
Herta Müller steht die Erfahrung der kommunistischen Diktatur. Die eher unbekannte
Schriftstellerin mit dem eingängigen Namen, im August 1953 als Banater Schwäbin in
Rumänien geboren und aufgewachsen, gerät schon als junge Frau in Konflikt mit dem
totalitären Regime Ceaucescus. Nach der Weigerung zu kollaborieren verliert sie ihren
Job als Übersetzerin und ist jahrelang arbeitslos. Sie fängt an zu schreiben, über
Unterdrückung und Gewalt, Entfremdung und Angst. Poesie sei für sie in dieser schlimmen
Zeit manchmal wie ein Gebet gewesen, erinnert sich die Chronistin des Diktatur-Alltags
Müller an ihre Verhöre mit der rumänischen Polizei zurück. Ihr erstes Buch „Niederungen“
konnte 1982 in Rumänien nur in zensierter Fassung erscheinen. Als Höhepunkt ihres
Oeuvres gilt der erst im Sommer 2009 erschienene Roman „Atemschaukel“, in dem Müller
die Leiden eines Gefangenen in einem sowjetischen Lager beschreibt. Das an den Erfahrungen
des verstorbenen Lyrikers Oskar Pastior inspirierte Werk kann als exemplarisch für
das Schicksal der deutschen Bevölkerung in Siebenbürgen nach dem Zweiten Weltkrieg
verstanden werden. Müllers Romane zeichnen sich durch Sachlichkeit, Intensität und
einen direkten, doch poetischen Stil aus. Wie wohl jedem Regime, „misstraue sie auch
der Sprache“, so Müller über sich selbst. Sie hat die Worte, auch die eigenen, stets
gegen den Strich gebürstet - Widerstand gegen jede Form, die sich wie eine Zwangsjacke
um alles Lebendige zu legen droht. Die Schriftstellerin hat Rumänien in den 80er Jahren
verlassen und kam kurz vor dem Mauerfall nach Westberlin. Bevor der eiserne Vorhang
endgültig fiel, schrieb Herta Müller schon lange mutig gegen Mauern an.