D: Cap Anamur-Gründer fordert neue Flüchtlingspolitik
Nach dem Cap-Anamur-Freispruch
vom Vorwurf der Beihilfe zur illegalen Einwanderung hat Rupert Neudeck die Politik
vor den Folgen ihrer Flüchtlingspolitik gewarnt. Im Interview mit dem Kölner Domradio
forderte der Gründer der Hilfsorganisation, weiter in Afrika zu investieren. Der Freispruch
bestätige und festige das „uralte Menschenrechtsgesetz“, nämlich dass man Menschen
helfen müsse, die auf der See und in Gefahr seien, so Neudeck.
„Ich habe
die große Erwartung an eine neue Bundesregierung, dass sie etwas tut, damit Kapitäne
der Handelsschiffe ermutigt werden, dieser alten menschenrechtlichen Pflicht nachzukommen.
Denn die Handelsschiffe sind ja die viel wichtigeren als das ein oder andere humanitäre
Rettungsschiff. Und das kann man dadurch tun, dass man in der Europäischen Union vereinbart,
dass sofort, wenn ein Kapitän eines Handelsschiffes Flüchtlinge gerettet hat, ihm
diese Flüchtlinge im nächstliegenden Hafen Europas abgenommen werden. Das muss jetzt
unbedingt in der EU besprochen und entschieden werden. Gleichzeitig wünsche ich mir,
dass solche Kapitäne ganz besonders ausgezeichnet werden. Denn die haben wirklich
eine Entscheidung zu fällen und sind dafür wirklich zu loben.“
Das Urteil
sei nur ein Ausgangspunkt, so Neudeck weiter. Europa müsse nun begreifen, dass die
Flüchtlingspolitik die nächsten Jahre stärker als bisher prägen werde.
„Das
ist die Frage der nächste fünf Jahre, die wird uns in Europa nicht mehr ruhen lassen.
Wir haben sie noch gar nicht begriffen. Im Wahlkampf ist sie nicht vorgekommen, bei
den Koalitionsverhandlungen kommt sie auch nicht vor. Erst wenn diese jungen afrikanischen
Migranten die kanarischen Ferieninseln Gran Canaria, Teneriffa und Lanzerote überrennen,
wird uns klar werden: Wir müssen unsere Politik ändern. Wir müssen versuchen, dem
Kontinent Afrika, dem es so dreckig geht, Leuchttürme zu schaffen, mit einzelnen Ländern
gute Verhältnisse zu schaffen, wirtschaftlichen Aufbau zu schaffen, Mikrokredite dort
hinzubringen, damit junge Menschen dort ihr Auskommen und ihre Perspektive haben.
Das ist die wichtigere Aufgabe gegenüber allen See-Notrettungsaktionen.“
Der
ehemalige Cap-Anamur-Chef Elias Bierdel und der Kapitän des Schiffes „Cap Anamur III“,
Stefan Schmidt, standen in Italien drei Jahre vor Gericht. Ihnen wurde vorgeworfen,
im Juli 2004 afrikanische Bootsflüchtlinge unerlaubt an Land gebracht zu haben. Sie
hatten vor der italienischen Küste 37 Flüchtlinge aus Seenot gerettet und nach Sizilien
gebracht. Die italienischen Behörden vertraten damals den Standpunkt, die Flüchtlinge
hätten in Malta an Land gehen müssen, da sie in maltesischen Gewässern aufgegriffen
worden seien.