Die Soziallehre der
katholischen Kirche gibt wichtige Impulse für die gesellschaftliche und politische
Entwicklung der afrikanischen Nationen. Ein gutes Beispiel dafür ist Tansania, eines
der Hoffnungsländer des Kontinents. Gudrun Sailer berichtet:
In Tansania hat
sich die Kirche nach der ersten Afrika-Synode von 1994 und dem Erscheinen des Kompendiums
der Soziallehre sehr darum bemüht, die Sozialdoktrin unters Volk zu bringen, sagte
uns Erzbischof Norbert Mtega von Songea in Tansania bei der im Vatikan laufenden Synode. „In
Tansania war das anfangs ein regelrechter Schock für manche, das zu hören. Die Leute
wussten fast gar nichts über christliche Werte, und Politiker, die zum ersten Mal
davon hörten, fühlten sich in ihren Vorstellungen und Interessen attackiert. Man fragte:
Wie kommt die Kirche überhaupt dazu, von Demokratie und Menschenrechten zu reden?
Welches Recht haben die Bischöfe, sich zu Frieden und Versöhnung zu äußern? Doch inzwischen
sehen wir auch in Regierungskreisen, dass es Politiker gibt, die einwandfrei verstanden
haben: Die Soziallehre der Kirche gibt Licht für die Zukunft des Landes und für die
Politik selbst. Es geht langsam, wirklich wie in der Schule. Wir müssen aber als Kirche
dazu bereit sein, diese Herausforderung anzunehmen und zu unterrichten.“
Tansania
hat eine stabile Demokratie mit regelmäßigen Wahlen. Nicht immer ist die Kirche mit
der Art der politischen Vorgänge einverstanden, doch dass Tansania in den vergangenen
Jahren erhebliche soziale und gesellschaftliche Fortschritte gemacht hat, ist offensichtlich.
Erzbischof Mtega:
„Unsere Regierung hat sinnvoll in Infrastruktur investiert.
Es gibt jetzt in Tansania asphaltierte und gut instand gehaltene Straßen. Was die
Demokratie betrifft, so haben wir seit der Unabhängigkeit von Großbritannien vor 45
Jahren niemals eine Wahl vernachlässigt. Es gibt eine Reihe von Parteien, und im Parlament
sieht man demokratisch geführte Debatten. Auch wenn ihr Niveau noch nicht ganz das
gewünschte ist - die Bemühungen sind da. Die Leute haben jetzt mehr Vertrauen in die
politischen Institutionen und in das Parlament.“
Tansania ist dörflich
geprägt und ziemlich weitläufig. Unter der Landbevölkerung ist Analphabetismus immer
noch verbreitet. Deshalb setzte Daressalam in der letzten Dekade massiv auf Bildung.
„Jedes Dorf hat jetzt ein, zwei Volksschulen. Und seit drei Jahren entstehen
auch Gymnasien. Die Zahl der Jugendlichen, die eine höhere Schulbildung genießen,
ist erheblich gestiegen. Bis 1997 gab es in ganz Tansania nur zwei Universitäten.
Heute sind es 20 – staatliche, kirchliche und private. Was die Massenmedien anlangt:
Bis 1997 gab es nur eine staatliche Tageszeitung, keine einzige private. Inzwischen
haben wir viele davon, mit verschiedener Ausrichtung. Das gibt den Leuten die Möglichkeit,
ihre Ideen auszudrücken.“
Auch ein vielgehörter katholischer Sender, Radio
Maria, ist seit mehreren Jahren aktiv. Unerlässlich für die ländlichen Gebiete. Generell
erzielt in Afrika das Radio enorme Reichweiten und leistet einen unersetzlichen Dienst
bei der Bildung breiter Bevölkerungsschichten.
„Die Bevölkerung nimmt die
Neuerungen im Land allgemein sehr positiv auf, nur sind sie gleichsam ,behindert’
von ihrer mangelnden Bildung. Die Mehrheit der Leute in den Dörfern waren und sind
Analphabeten. All die neuen Zeitungen können sie nicht lesen – aber das Radio hören
sie. Und deshalb beginnen sie viele Dinge zu verstehen, die sie vorher nicht verstanden,
wie Menschenrechte und demokratische Rechte. Wirklich, die Kirche kommt da als Prophetin,
als Gewissen der Gesellschaft. Sie sagt der Bevölkerung, was ihre Rechte sind, was
die Werte sind. Und diese Werte sind nicht bloß christliche, sondern universell menschlich.“
Gut
50 Prozent der 40 Millionen Tansanier sind Christen, gefolgt von Moslems mit gut 30
Prozent. Erst weit danach kommen die 17 Prozent der Angehörigen traditioneller afrikanischer
Religionen. Das Zusammenleben zwischen den Angehörigen verschiedener Religionen ist
weitgehend reibungsfrei, auch wenn sich wachsende Konflikte mit dem Islam abzeichnen,
berichtet Erzischof Mtega:
„Die meisten Moslems sind einheimisch und haben
nichts gegen uns. Die Gefahr kommt aus zwei Ecken, erstens: jene Moslems, die explizit
religiöse Themen in die Politik tragen. Das ist gefährlich, weil sie die anderen als
Feinde ansehen. Die zweite Gefahr geht von dem Geld aus, das aus dem Ausland an muslimische
Gemeinden fließt, um explizit die Christen zu bekämpfen. Wir sind von Terrorismusgefahr
wie in Europa noch entfernt, aber man muss es doch klar sehen: Organisationen wie
El Kaida benutzen Geld, um die Armen Afrikas zu kaufen und sie zu Instrumenten des
Konflikts und Protagonisten des Terrorismus zu machen. Das ist auch bei uns eine wachsende
Gefahr. Wir hoffen, dass die internationale Gemeinschaft das verhindert.“