2009-10-07 16:28:44

Synode: "Versöhnung ist mehr als Wiedergutmachung"


RealAudioMP3 Am dritten Tag der Afrika-Synode im Vatikan haben sich die rund 300 Bischöfe, Experten und Hörer erstmals in Sprach- und Sachgruppen zurückgezogen. In Zirkeln von 20 bis 30 Teilnehmern berieten sie über anstehende Fragen aus dem Themenkreis Versöhnung, Gerechtigkeit und Friede – so lautet der Titel der Synode. Über Versöhnung nach der südafrikanischen Rassentrennungspolitik der Apartheid, die 1994 offiziell ein Ende fand, hat unsere Synoden-Berichterstatterin Gudrun Sailer mit dem Bischof Michael Wüstenberg gesprochen. Er stammt aus der Diözese Hildesheim und leitet seit knapp zwei Jahren die südafrikanische Diözese Aliwal.

"Ich denke, es war ein sehr wichtiger Prozess, den wir da hatten. Ein Prozess, der die Augen geöffnet hat, aber auch viele Fragen offen gelassen hat. Wenn wir nun in der Synode das Thema Versöhnung behandeln, muss das wahrscheinlich tiefer greifen. Und es stellt sich auch die Frage, was wir als Kirche hier tun können, wenn es um die Entwicklung einer Spiritualität von Versöhnung geht. Es geht nicht nur darum, Schäden wieder gut zu machen – auch das ist wichtig – sondern es geht auch darum, Grundhaltungen einzuüben. Und da haben wir, denke ich, noch überall einen weiten Weg von uns, bis wir dahin kommen."

Einer der afrikanischen Bischöfe hat das gestern auch bei der Synode angemerkt. Er sagte, im Süden seines Landes habe der Stamm der Bantu eine klare und wirksame Technik der Versöhnung im Fall von Streitfällen, anders als die Katholiken in seinen Kirchen, die mitunter nicht einmal den Friedensgruß austauschen wollten...

"Für mich ist die Frage, der ich begegne mit Blick auf Kultur, manchmal auch: Was ist die leitende Idee oder die vorwärts treibende Kraft? Ist es das, was als kulturelles Erbe da ist, oder ist es unser Glaube? Welche Rolle spielt unser Glaube wirklich, und wie tief sind wir darin verankert? Ich denke, da sind große Herausforderungen für uns im Blick auf die menschliche Formung. Denn ich habe den Eindruck, Katechese, oder was immer wir tun, ist noch sehr an der Oberfläche – wahrscheinlich ebenso wie mit vielem auch in Europa. Vielleicht muss auch überhaupt erst das Interesse geweckt werden, sich mit der Spiritualität der Versöhnung auseinanderzusetzen, um dann Gesellschaft beeinflussen zu können. Es stimmt, als Bischöfe haben wir zwar in der Kirche eine Rolle – aber wir können nicht alles beeinflussen. Da hängen wir wesentlich von der Zusammenarbeit mit den vielen Menschen ab, die Kirchenmitglieder sind und kompetent in ihren Aufgaben. Und wenn sie kompetent in ihrem Glauben sind, vielleicht auch in der Soziallehre, die ja nicht gerade sehr verbreitet ist im Bewusstsein der Gläubigen, wenn da etwas geschähe, könnten wir wohl eine sehr kraftvolle Organisation sein, um Gesellschaft zu beeinflussen, insbesondere auch Prozesse, die Versöhnung bewirken können."
(rv 07.10.2009 gs)

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Bei der Pressekonferenz am ersten Tag der Synode hat Kardinal Turkson eine Änderung in der Haltung bezüglich Kondomen angedeutet. Er hat gesagt, es wäre denkbar, dass man in Zukunft bei Ehepaaren bei denen ein Partner mit HIV infiziert ist, das Kondom als das kleinere Übel betrachtet. Nun wissen wir alle, dass in Südafrika die Ansteckungsraten mit HIV/Aids entsetzlich groß sind. Meinen Sie, es wäre ein moralisch gangbarer Weg für die Weltkirche in Zukunft diese Position einzunehmen?

„Ich wollte dieses Wort eigentlich überhaupt nicht mehr benutzen. Das C-Wort oder K-Wort. Es gab ja auch einmal eine ähnliche Stellungnahme von den südafrikanischen Bischöfen vor etlichen Jahren. Ich weiss nicht, ob das hilft. Hier ein ganz einfaches Beispiel. Es gibt dort Wanderarbeiter, das heißt die Ehemänner kommen häufig nur zu Weihnachten nach Hause. Es war erstaunlich für mich aber mir als Ausländer haben schwarze Frauen gesagt, dass sie Angst hätten. Und ich habe sie gefragt warum? Und sie sagten: Unsere Ehemänner kommen jetzt nach Hause und wir wissen, die sind nicht ganz treu aber wir lieben sie und jetzt kommen sie wieder und dann wird halt alles geregelt innerhalb dieser paar Tage, die sie zu Hause sind. Und das heißt auch, sie wollen da Kinder zeugen. Und die Frauen sagten, sie hätten jetzt Angst, dass sie da Aids kriegen. In dieser Situation sind Kondome nicht hilfreich, weil, wenn man sie fordert, heißt es erstens von der Seite der Frau, ich traue Dir nicht und, wenn sie Kinder wollen, dann hilft das sowieso nichts. Die Leute wissen was sie wollen, wenn sie Geschlechtsverkehr haben. Wenn sie Kinder wollen, sind Kondome keine Hilfe. Da muss man wirklich sehen wo andere Wege sind, um die Weitergabe von Aids zu verhindern. Das ist ein ganz riesiges Problem. Wir sind da wirklich in schrecklich ambivalenten Situationen. Also, Kondome sind selbst da wo man sie erlauben würde wahrscheinlich auch nicht die große Hilfe.“

Südafrika hat ja beim HIV/Aids Problem immer auf Prävention und damit auf Kondome gesetzt. Nicht mit Erfolg. Sehen Sie eine Änderung in der Politik. Es gibt ja andere Beispiele in Afrika von Ländern die tatsächlich mehr auf das Beispiel Enthaltsamkeit setzen und damit Erfolge verbuchen.

„Da muss man abwarten, was jetzt überhaupt mit der neuen Regierung passiert. Der ehemalige Präsident hatte seine sehr eigene persönliche Einstellung gegenüber Aids, die wahrscheinlich nicht sehr hilfreich war in der gesamten Bekämpfung dieser Epidemie. Unsere Position war es immer im Hinblick auf Aids auf Prävention zu setzen was meiner Erfahrung nach nicht einfach ist. Wenn ich getauft habe als Pfarrer, stammten achtzig Prozent der Kinder von ledigen Müttern und viele von denen waren minderjährig. Also, das ist eine Flut von sexueller Aktivität dort, die schwer einzudämmen ist und da zu arbeiten ist eine große Herausforderung. Und ich denke, man muss beides haben: Bewusstseinsbildungsprogramme und auch Therapie. Das war ein großes Problem das wir in Südafrika hatten. Wenn ich das richtig verstehe, was Sant’Egidio mit Programmen tut und berichtet, dass mit Therapien dort vieles auch einfacher wird, dass Leute auf einmal eine Perspektive kriegen, während sie ohne einen vernünftigen therapeutischen Ansatz Verhaltensänderungen vermeiden und auch das Stigma fürchten, das heißt also gar nicht mehr herauskommen, weil es keine Möglichkeit gibt, da heilend einzuschreiten.“

Die Synode hat kaum begonnen. Sie dauert drei Wochen. Welche Hoffnungen haben Sie für die Synode?

„Ich hoffe, dass wir eine Perspektive entwickeln für unsere Aktivitäten als Kirche in Afrika und vielleicht auch für unsere Zusammenarbeit; einfach dadurch, dass wir Kontakte knüpfen und miteinander dann stärker werden können, auch in unserem Zeugnis. Und ich würde auch hoffen, dass starke Impulse davon ausgehen könnten für die Jugend in Afrika. Wir erfahren immer wieder, dass Jugendliche abwandern und verschwinden. Da würde ich mir wünschen, dass sich wirklich eine Perspektive auftut, die sie begeistert und kräftig macht, damit sie mit den Problemen die sie haben umgehen können. Es gibt sehr viele Probleme in Afrika, auch in Hinblick auf Armut, auf Verteilung und da eine ganz andere Spiritualität zu entwickeln, also da würde ich mir zumindest Impulse wünschen. Wir werden nicht die ganzen Probleme lösen, aber vielleicht ein Stück weit einen Weg beleuchten können, den wir gemeinsam gehen können.“







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