Synode: "Versöhnung ist mehr als Wiedergutmachung"
Am dritten Tag der
Afrika-Synode im Vatikan haben sich die rund 300 Bischöfe, Experten und Hörer erstmals
in Sprach- und Sachgruppen zurückgezogen. In Zirkeln von 20 bis 30 Teilnehmern berieten
sie über anstehende Fragen aus dem Themenkreis Versöhnung, Gerechtigkeit und Friede
– so lautet der Titel der Synode. Über Versöhnung nach der südafrikanischen Rassentrennungspolitik
der Apartheid, die 1994 offiziell ein Ende fand, hat unsere Synoden-Berichterstatterin
Gudrun Sailer mit dem Bischof Michael Wüstenberg gesprochen. Er stammt aus der Diözese
Hildesheim und leitet seit knapp zwei Jahren die südafrikanische Diözese Aliwal.
"Ich
denke, es war ein sehr wichtiger Prozess, den wir da hatten. Ein Prozess, der die
Augen geöffnet hat, aber auch viele Fragen offen gelassen hat. Wenn wir nun in der
Synode das Thema Versöhnung behandeln, muss das wahrscheinlich tiefer greifen. Und
es stellt sich auch die Frage, was wir als Kirche hier tun können, wenn es um die
Entwicklung einer Spiritualität von Versöhnung geht. Es geht nicht nur darum, Schäden
wieder gut zu machen – auch das ist wichtig – sondern es geht auch darum, Grundhaltungen
einzuüben. Und da haben wir, denke ich, noch überall einen weiten Weg von uns, bis
wir dahin kommen."
Einer der afrikanischen Bischöfe hat das gestern auch bei
der Synode angemerkt. Er sagte, im Süden seines Landes habe der Stamm der Bantu eine
klare und wirksame Technik der Versöhnung im Fall von Streitfällen, anders als die
Katholiken in seinen Kirchen, die mitunter nicht einmal den Friedensgruß austauschen
wollten...
"Für mich ist die Frage, der ich begegne mit Blick auf Kultur, manchmal
auch: Was ist die leitende Idee oder die vorwärts treibende Kraft? Ist es das, was
als kulturelles Erbe da ist, oder ist es unser Glaube? Welche Rolle spielt unser Glaube
wirklich, und wie tief sind wir darin verankert? Ich denke, da sind große Herausforderungen
für uns im Blick auf die menschliche Formung. Denn ich habe den Eindruck, Katechese,
oder was immer wir tun, ist noch sehr an der Oberfläche – wahrscheinlich ebenso wie
mit vielem auch in Europa. Vielleicht muss auch überhaupt erst das Interesse geweckt
werden, sich mit der Spiritualität der Versöhnung auseinanderzusetzen, um dann Gesellschaft
beeinflussen zu können. Es stimmt, als Bischöfe haben wir zwar in der Kirche eine
Rolle – aber wir können nicht alles beeinflussen. Da hängen wir wesentlich von der
Zusammenarbeit mit den vielen Menschen ab, die Kirchenmitglieder sind und kompetent
in ihren Aufgaben. Und wenn sie kompetent in ihrem Glauben sind, vielleicht auch in
der Soziallehre, die ja nicht gerade sehr verbreitet ist im Bewusstsein der Gläubigen,
wenn da etwas geschähe, könnten wir wohl eine sehr kraftvolle Organisation sein, um
Gesellschaft zu beeinflussen, insbesondere auch Prozesse, die Versöhnung bewirken
können." (rv 07.10.2009 gs)
Hier lesen und hören Sie das gesamte Gespräch
Bei
der Pressekonferenz am ersten Tag der Synode hat Kardinal Turkson eine Änderung in
der Haltung bezüglich Kondomen angedeutet. Er hat gesagt, es wäre denkbar, dass man
in Zukunft bei Ehepaaren bei denen ein Partner mit HIV infiziert ist, das Kondom als
das kleinere Übel betrachtet. Nun wissen wir alle, dass in Südafrika die Ansteckungsraten
mit HIV/Aids entsetzlich groß sind. Meinen Sie, es wäre ein moralisch gangbarer Weg
für die Weltkirche in Zukunft diese Position einzunehmen?
„Ich wollte dieses
Wort eigentlich überhaupt nicht mehr benutzen. Das C-Wort oder K-Wort. Es gab ja auch
einmal eine ähnliche Stellungnahme von den südafrikanischen Bischöfen vor etlichen
Jahren. Ich weiss nicht, ob das hilft. Hier ein ganz einfaches Beispiel. Es gibt dort
Wanderarbeiter, das heißt die Ehemänner kommen häufig nur zu Weihnachten nach Hause.
Es war erstaunlich für mich aber mir als Ausländer haben schwarze Frauen gesagt, dass
sie Angst hätten. Und ich habe sie gefragt warum? Und sie sagten: Unsere Ehemänner
kommen jetzt nach Hause und wir wissen, die sind nicht ganz treu aber wir lieben sie
und jetzt kommen sie wieder und dann wird halt alles geregelt innerhalb dieser paar
Tage, die sie zu Hause sind. Und das heißt auch, sie wollen da Kinder zeugen. Und
die Frauen sagten, sie hätten jetzt Angst, dass sie da Aids kriegen. In dieser Situation
sind Kondome nicht hilfreich, weil, wenn man sie fordert, heißt es erstens von der
Seite der Frau, ich traue Dir nicht und, wenn sie Kinder wollen, dann hilft das sowieso
nichts. Die Leute wissen was sie wollen, wenn sie Geschlechtsverkehr haben. Wenn sie
Kinder wollen, sind Kondome keine Hilfe. Da muss man wirklich sehen wo andere Wege
sind, um die Weitergabe von Aids zu verhindern. Das ist ein ganz riesiges Problem.
Wir sind da wirklich in schrecklich ambivalenten Situationen. Also, Kondome sind selbst
da wo man sie erlauben würde wahrscheinlich auch nicht die große Hilfe.“
Südafrika
hat ja beim HIV/Aids Problem immer auf Prävention und damit auf Kondome gesetzt. Nicht
mit Erfolg. Sehen Sie eine Änderung in der Politik. Es gibt ja andere Beispiele in
Afrika von Ländern die tatsächlich mehr auf das Beispiel Enthaltsamkeit setzen und
damit Erfolge verbuchen.
„Da muss man abwarten, was jetzt überhaupt mit
der neuen Regierung passiert. Der ehemalige Präsident hatte seine sehr eigene persönliche
Einstellung gegenüber Aids, die wahrscheinlich nicht sehr hilfreich war in der gesamten
Bekämpfung dieser Epidemie. Unsere Position war es immer im Hinblick auf Aids auf
Prävention zu setzen was meiner Erfahrung nach nicht einfach ist. Wenn ich getauft
habe als Pfarrer, stammten achtzig Prozent der Kinder von ledigen Müttern und viele
von denen waren minderjährig. Also, das ist eine Flut von sexueller Aktivität dort,
die schwer einzudämmen ist und da zu arbeiten ist eine große Herausforderung. Und
ich denke, man muss beides haben: Bewusstseinsbildungsprogramme und auch Therapie.
Das war ein großes Problem das wir in Südafrika hatten. Wenn ich das richtig verstehe,
was Sant’Egidio mit Programmen tut und berichtet, dass mit Therapien dort vieles auch
einfacher wird, dass Leute auf einmal eine Perspektive kriegen, während sie ohne einen
vernünftigen therapeutischen Ansatz Verhaltensänderungen vermeiden und auch das Stigma
fürchten, das heißt also gar nicht mehr herauskommen, weil es keine Möglichkeit gibt,
da heilend einzuschreiten.“
Die Synode hat kaum begonnen. Sie dauert drei
Wochen. Welche Hoffnungen haben Sie für die Synode?
„Ich hoffe, dass wir
eine Perspektive entwickeln für unsere Aktivitäten als Kirche in Afrika und vielleicht
auch für unsere Zusammenarbeit; einfach dadurch, dass wir Kontakte knüpfen und miteinander
dann stärker werden können, auch in unserem Zeugnis. Und ich würde auch hoffen, dass
starke Impulse davon ausgehen könnten für die Jugend in Afrika. Wir erfahren immer
wieder, dass Jugendliche abwandern und verschwinden. Da würde ich mir wünschen, dass
sich wirklich eine Perspektive auftut, die sie begeistert und kräftig macht, damit
sie mit den Problemen die sie haben umgehen können. Es gibt sehr viele Probleme in
Afrika, auch in Hinblick auf Armut, auf Verteilung und da eine ganz andere Spiritualität
zu entwickeln, also da würde ich mir zumindest Impulse wünschen. Wir werden nicht
die ganzen Probleme lösen, aber vielleicht ein Stück weit einen Weg beleuchten können,
den wir gemeinsam gehen können.“