2009-10-06 16:10:27

Synode: „Betonung von Rassenunterschieden ist unchristlich“


RealAudioMP3 Die „Alltagsarbeit“ der dreiwöchigen Afrikasynode hat an diesem Dienstag im Vatikan begonnen. Gudrun Sailer hat die Diskussionsbeiträge verfolgt:

Erster der rund 15 Redner vom Vormittag war ein Gast, nämlich Abuna Paulos, Patriarch der äthiopischen orthodoxen Tewahedo Kirche. Angesichts schwieriger werdender Lebensumstände in Afrika rief der Patriarch im Vatikan die christlichen Kirchen dazu auf, gemeinsam eine „christliche Intelligenz der Liebe“ zu pflegen. An konkreten Herausforderungen nannte er die wachsende Gefahr durch Terrorismus, gewissenlose Ausbeutung der Rohstoffe durch Nicht-Afrikaner, Abwanderung, Kindersoldaten und Aids; afrikanische HIV-Infizierte müssten dieselben Therapien wie Europäer erhalten, so der Patriarch. Papst Benedikt rief in einer kurzen Dankesrede an den Gast die Kirche dazu auf, an einer integeren und solidarischen Gesellschaft mit zu bauen.

Kardinal Angelo Sodano sprach in einem interessanten Vortrag über die zunehmende Betonung von Rassenunterschieden in Afrika – „eine antichristliche Vorstellung“, wie der Dekan des Kardinalskollegiums hervorhob. Die Liebe zur eigenen Nation sei zwar etwas Edles und habe sich in einem christlichen Ambiente herausgebildet. Auf Abwegen führe die Überbetonung der eigenen Nation bzw. Rasse aber zu mörderischen Verbrechen wie dem Genozid von Ruanda. Dabei wurden 1994 aufgrund hervorgehobener Rassenunterschiede 800.000 Menschen ermordet. Europa habe in Bezug auf das Rassendenken seine Lehren aus der Geschichte gezogen. Heute näherten sich die Nationen in Europa einander immer mehr an, „und das mit der Unterstützung der örtlichen Bischofskonferenzen und auch des Heiligen Stuhles“, so Sodano, der 16 Jahre lang als Kardinalstaatssekretär wirkte.

„Kriege und Konflikte säen eine Kultur der Gewalt und zerstören das moralische Gewebe unserer Gesellschaften“, bekundete auch Kardinal Polycarp Pengo von Tanzania. Leider seien auch Kleriker nicht immer davor gefeit. „In dieser Synode müssen wir den Mut haben, auch uns selbst anzuklagen, wenn es um Machtmissbrauch und die Rolle von Autorität und Ethnozentrismus geht.“ Ein Synodenvater aus Kamerun fragte sich, warum die Bantu im Süden seines Landes eine so klare und wirksame Technik der Versöhnung im Fall von Streitfällen hätten, hingegen die Katholiken in seinen Kirchen mitunter nicht einmal den Friedensgruß austauschen wollten: Die Familienbande des Christentums müssten doch stärker sein als jede Stammestradition, gab der Bischof zu bedenken. Ähnliches war von einem südafrikanischen Bischof zu hören: Die Rassentrennung bestehe unterschwellig auch in der Kirche fort, schwarze und weiße Katholiken gingen etwa nicht gemeinsam auf Wallfahrt, weiße Seminaristen fühlten sich nicht im Frieden mit schwarzen. Das Resümee des Bischofs: „Die Prinzipien der Demokratie sind noch immer nicht bis zu den Wurzeln durchgesickert.“

Ein Synodenvater aus Ghana beklagte, dass sich afrikanische Katholiken in Europa und Amerika als „Familienmitglieder zweiter Klasse“ fühlen müssten. „Da entsteht der Eindruck, wir brauchen sie, aber sie brauchen uns nicht. Die Theorie der Brüderlichkeit ist groß, aber die Praxis schwach“.

Kurienkardinal Franc Rode sprach – als Präfekt der Ordenskongregation – über die besonderen Herausforderungen für Personen geweihten Lebens in Afrika, ihre Gelübde einzuhalten „in einer Kultur, in der es schwer ist, Armut, Gehorsam und Keuschheit zu bezeugen“. Über den Boom katholischer Bildungseinrichtungen in Afrika zeigte sich Kardinal Zenon Grocholewski erfreut, der Präfekt der vatikanischen Bildungskongregation. Besonders sei heute darauf zu achten, Katholiken im Umgang mit Massenmedien zu schulen.

Ganz auf Bildung als probates Mittel zur Versöhnung in Afrika setzte ein Synodenvater aus Uganda. Er sprach über Entwicklungen in der Politik. Keiner solle sich über bestimmte afrikanische Machthaber täuschen, sie seien bloß „mildere Diktatoren“ als die Generation von Diktatoren vor ihnen. „In den meisten Ländern Afrikas ist die Politik, die wir erfahren, eine gottlose Politik. Diese Form von Führung ist ein Brutkasten für Konflikte“. Dagegen sei kein anderes Kraut gewachsen als Bildung und Erziehung zu Werten. Der Synodenvater regte an, grundlegende demokratische Prinzipien – wie sie in der Soziallehre der Kirche zu finden seien - im Unterricht festzuschreiben.

Ein Synodenvater aus Nordafrika zeigte sich enttäuscht darüber, dass im Arbeitspapier der Synode – dem so genannten „Instrumentum Laboris“ – nur in einem einzigen Absatz vom Islam die Rede ist, und das ausschließlich im Zusammenhang mit den subsaharischen Ländern. „Diese Auslassung der Kirchen Nordafrikas und vor allem des Islam überrascht uns; wir hatten die entsprechenden Stellen sehr wohl davon unterrichtet“, so der Bischof aus Tunis. Er schlug den vatikanischen Behörden deshalb vor, die nordafrikanischen Bischöfe zur Synode zum Heiligen Land im nächsten Jahr einzuladen. Gerade die Erfahrung nordafrikanischer Christen im Zusammenleben mit den Moslems könne etwa in Europa von großem Interesse sein. Die Kirche werde in Tunesien nicht verfolgt, auch wenn sie nicht alle wünschenswerte Freiheit habe. Und sie agiere in einem muslimischen Land, in dem es erste Schritte zu einer kritischen Haltung bezüglich eines rigorosen und fanatischen Islam gebe. Sogar eine „maghrebinische Schule“ rationaler Textanalyse der muslimischen Tradition sei im entstehen.

Am Montag Nachmittag waren nicht-afrikanische Synodenväter zu Wort gekommen, die Gruppen von Bischofskonferenzen vertreten. Bei der Gelegenheit erhielt Papst Benedikt eine mit Wohlwollen aufgenommene Einladung auf den asiatischen Kontinent, ausgesprochen vom Generalsekretär der Föderation der asiatischen Bischofskonferenzen, dem philippinischen Erzbischof Orlando Quevedo. Asien ist - abgesehen vom Heiligen Land und der Türkei - der einzige Kontinent, den Papst Benedikt in seinem vierjährigen Pontifikat bisher noch nicht besucht hat.

Er folgte die erste Runde an „freier Debatte“ in dieser Synode. Ein Synodenvater rief dabei eindringlich die Kirchenleitung dazu auf, sich für einen Stopp von Waffenherstellung einzusetzen. Wo Waffen seien, gebe es Gewalt. Ein Bischof aus Kenia zeigte sich erschüttert über die jüngste Gewalt in seinem Land nach den Wahlen, die teils auch von gläubigen Katholiken und Katecheten verübt worden sei, und fragte sich, was für die Zukunft zu tun sei, um solche Gewalt zu verhindern. Ein anderer Synodenvater beklagte, dass nach wie vor keine Übersetzung von „Ecclesia in Africa“ – des postsynodalen Schreibens der ersten Afrikasynode – in lokale afrikanische Sprachen vorliege. Kardinal Renato Raffaele Martino, Präsident des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden, lobte die Effizienz der afrikanischen Kommissionen für Gerechtigkeit und Frieden, die nach der ersten Afrika-Synode auf allen Ebenen bis hinab zu Gemeinden entstanden seien.
(rv 06.10.2009 gs)








All the contents on this site are copyrighted ©.