Synode: „Betonung von Rassenunterschieden ist unchristlich“
Die „Alltagsarbeit“
der dreiwöchigen Afrikasynode hat an diesem Dienstag im Vatikan begonnen. Gudrun Sailer
hat die Diskussionsbeiträge verfolgt:
Erster der rund 15 Redner vom Vormittag
war ein Gast, nämlich Abuna Paulos, Patriarch der äthiopischen orthodoxen Tewahedo
Kirche. Angesichts schwieriger werdender Lebensumstände in Afrika rief der Patriarch
im Vatikan die christlichen Kirchen dazu auf, gemeinsam eine „christliche Intelligenz
der Liebe“ zu pflegen. An konkreten Herausforderungen nannte er die wachsende Gefahr
durch Terrorismus, gewissenlose Ausbeutung der Rohstoffe durch Nicht-Afrikaner, Abwanderung,
Kindersoldaten und Aids; afrikanische HIV-Infizierte müssten dieselben Therapien wie
Europäer erhalten, so der Patriarch. Papst Benedikt rief in einer kurzen Dankesrede
an den Gast die Kirche dazu auf, an einer integeren und solidarischen Gesellschaft
mit zu bauen.
Kardinal Angelo Sodano sprach in einem interessanten Vortrag
über die zunehmende Betonung von Rassenunterschieden in Afrika – „eine antichristliche
Vorstellung“, wie der Dekan des Kardinalskollegiums hervorhob. Die Liebe zur eigenen
Nation sei zwar etwas Edles und habe sich in einem christlichen Ambiente herausgebildet.
Auf Abwegen führe die Überbetonung der eigenen Nation bzw. Rasse aber zu mörderischen
Verbrechen wie dem Genozid von Ruanda. Dabei wurden 1994 aufgrund hervorgehobener
Rassenunterschiede 800.000 Menschen ermordet. Europa habe in Bezug auf das Rassendenken
seine Lehren aus der Geschichte gezogen. Heute näherten sich die Nationen in Europa
einander immer mehr an, „und das mit der Unterstützung der örtlichen Bischofskonferenzen
und auch des Heiligen Stuhles“, so Sodano, der 16 Jahre lang als Kardinalstaatssekretär
wirkte.
„Kriege und Konflikte säen eine Kultur der Gewalt und zerstören das
moralische Gewebe unserer Gesellschaften“, bekundete auch Kardinal Polycarp Pengo
von Tanzania. Leider seien auch Kleriker nicht immer davor gefeit. „In dieser Synode
müssen wir den Mut haben, auch uns selbst anzuklagen, wenn es um Machtmissbrauch und
die Rolle von Autorität und Ethnozentrismus geht.“ Ein Synodenvater aus Kamerun fragte
sich, warum die Bantu im Süden seines Landes eine so klare und wirksame Technik der
Versöhnung im Fall von Streitfällen hätten, hingegen die Katholiken in seinen Kirchen
mitunter nicht einmal den Friedensgruß austauschen wollten: Die Familienbande des
Christentums müssten doch stärker sein als jede Stammestradition, gab der Bischof
zu bedenken. Ähnliches war von einem südafrikanischen Bischof zu hören: Die Rassentrennung
bestehe unterschwellig auch in der Kirche fort, schwarze und weiße Katholiken gingen
etwa nicht gemeinsam auf Wallfahrt, weiße Seminaristen fühlten sich nicht im Frieden
mit schwarzen. Das Resümee des Bischofs: „Die Prinzipien der Demokratie sind noch
immer nicht bis zu den Wurzeln durchgesickert.“
Ein Synodenvater aus Ghana
beklagte, dass sich afrikanische Katholiken in Europa und Amerika als „Familienmitglieder
zweiter Klasse“ fühlen müssten. „Da entsteht der Eindruck, wir brauchen sie, aber
sie brauchen uns nicht. Die Theorie der Brüderlichkeit ist groß, aber die Praxis schwach“.
Kurienkardinal Franc Rode sprach – als Präfekt der Ordenskongregation – über
die besonderen Herausforderungen für Personen geweihten Lebens in Afrika, ihre Gelübde
einzuhalten „in einer Kultur, in der es schwer ist, Armut, Gehorsam und Keuschheit
zu bezeugen“. Über den Boom katholischer Bildungseinrichtungen in Afrika zeigte sich
Kardinal Zenon Grocholewski erfreut, der Präfekt der vatikanischen Bildungskongregation.
Besonders sei heute darauf zu achten, Katholiken im Umgang mit Massenmedien zu schulen.
Ganz auf Bildung als probates Mittel zur Versöhnung in Afrika setzte ein Synodenvater
aus Uganda. Er sprach über Entwicklungen in der Politik. Keiner solle sich über bestimmte
afrikanische Machthaber täuschen, sie seien bloß „mildere Diktatoren“ als die Generation
von Diktatoren vor ihnen. „In den meisten Ländern Afrikas ist die Politik, die wir
erfahren, eine gottlose Politik. Diese Form von Führung ist ein Brutkasten für Konflikte“.
Dagegen sei kein anderes Kraut gewachsen als Bildung und Erziehung zu Werten. Der
Synodenvater regte an, grundlegende demokratische Prinzipien – wie sie in der Soziallehre
der Kirche zu finden seien - im Unterricht festzuschreiben.
Ein Synodenvater
aus Nordafrika zeigte sich enttäuscht darüber, dass im Arbeitspapier der Synode –
dem so genannten „Instrumentum Laboris“ – nur in einem einzigen Absatz vom Islam die
Rede ist, und das ausschließlich im Zusammenhang mit den subsaharischen Ländern. „Diese
Auslassung der Kirchen Nordafrikas und vor allem des Islam überrascht uns; wir hatten
die entsprechenden Stellen sehr wohl davon unterrichtet“, so der Bischof aus Tunis.
Er schlug den vatikanischen Behörden deshalb vor, die nordafrikanischen Bischöfe zur
Synode zum Heiligen Land im nächsten Jahr einzuladen. Gerade die Erfahrung nordafrikanischer
Christen im Zusammenleben mit den Moslems könne etwa in Europa von großem Interesse
sein. Die Kirche werde in Tunesien nicht verfolgt, auch wenn sie nicht alle wünschenswerte
Freiheit habe. Und sie agiere in einem muslimischen Land, in dem es erste Schritte
zu einer kritischen Haltung bezüglich eines rigorosen und fanatischen Islam gebe.
Sogar eine „maghrebinische Schule“ rationaler Textanalyse der muslimischen Tradition
sei im entstehen.
Am Montag Nachmittag waren nicht-afrikanische Synodenväter
zu Wort gekommen, die Gruppen von Bischofskonferenzen vertreten. Bei der Gelegenheit
erhielt Papst Benedikt eine mit Wohlwollen aufgenommene Einladung auf den asiatischen
Kontinent, ausgesprochen vom Generalsekretär der Föderation der asiatischen Bischofskonferenzen,
dem philippinischen Erzbischof Orlando Quevedo. Asien ist - abgesehen vom Heiligen
Land und der Türkei - der einzige Kontinent, den Papst Benedikt in seinem vierjährigen
Pontifikat bisher noch nicht besucht hat.
Er folgte die erste Runde an „freier
Debatte“ in dieser Synode. Ein Synodenvater rief dabei eindringlich die Kirchenleitung
dazu auf, sich für einen Stopp von Waffenherstellung einzusetzen. Wo Waffen seien,
gebe es Gewalt. Ein Bischof aus Kenia zeigte sich erschüttert über die jüngste Gewalt
in seinem Land nach den Wahlen, die teils auch von gläubigen Katholiken und Katecheten
verübt worden sei, und fragte sich, was für die Zukunft zu tun sei, um solche Gewalt
zu verhindern. Ein anderer Synodenvater beklagte, dass nach wie vor keine Übersetzung
von „Ecclesia in Africa“ – des postsynodalen Schreibens der ersten Afrikasynode –
in lokale afrikanische Sprachen vorliege. Kardinal Renato Raffaele Martino, Präsident
des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden, lobte die Effizienz der afrikanischen
Kommissionen für Gerechtigkeit und Frieden, die nach der ersten Afrika-Synode auf
allen Ebenen bis hinab zu Gemeinden entstanden seien. (rv 06.10.2009 gs)