DER WOCHENKOMMENTAR: „Manchmal scheint auch beredtes Schweigen zu stören“
Der katholische Publizist
Martin Lohmann ist seit genau sieben Tagen Bundesvorsitzender des Bundesverbandes
Lebensrecht (BVL). In diesem Monat Oktober hören Sie ihn bei uns als Wochenkommentator.
(rv 03.10.2009 mg)
Lesen und hören Sie hier den Wochenkommentar
von Martin Lohmann*
Wochenkommentar für Radio Vatikan 3. Oktober 2009
Liebe
Hörerinnen und Hörer,
heute vor einer Woche haben wir mit 1300 Freunden des
Lebens für das Recht auf Leben und gegen die Tötung von noch nicht geborenen Menschen
demonstriert. In Berlin. Friedlich. Gewaltfrei. Mit tausend weißen Kreuzen. Unser
Weg führte mitten durch Berlins Mitte. Vom Roten Rathaus bis zur Hedwigskathedrale.
Dort ist auch das Grab des mutigen Dompropstes Bernhard Lichtenberg. Ein Mann, der
in gefährlicher Zeit nicht schwieg, als andere schwiegen.
Manchmal scheint
auch beredtes Schweigen zu stören. Denn leise war unser Schweigemarsch für das Leben
nicht. Er war kein stummes Zeugnis. Unser Schweigen wurde gehört. Denn Linke, Autonome
und auch Pro Familia demonstrierten hasserfüllt und aggressiv gegen uns und den Lebensschutz
– und für das sogenannte Recht auf Abtreibung. Mit blasphemischen Sprüchen und Plakaten,
mit Verbalterror und unterirdischer Primitivität. Sie haben Kreuze entweiht und verhöhnt.
Sie haben uns eine brennende Bibel vor die Füße geworfen. Wohlgemerkt die Heilige
Schrift. Ganz in der Nähe des Platzes, auf dem die Nationalsozialisten einst die schreckliche
Bücherverbrennung zelebrierten. Sie haben den Herrn und seine Mutter beleidigt – und
natürlich uns. Wir, die christlichen Lebensschützer, blieben friedlich. Dank der klugen
Taktik der Berliner Polizei, die uns bestens beschützte, kam es zu keiner Eskalation.
Ich
bin unseren Teilnehmern sehr dankbar. Sie haben mich alle wahrlich beeindruckt. Mit
Mut und Glaubensstärke. Mit ihrem Zeugnis und ihrer Umsicht. Junge und alte Menschen.
Alleinstehende und Familien.
Aber Ist es nicht beschämend für unsere Gesellschaft,
dass man für das friedliche und ruhige Tragen eines weißen Kreuzes mitten durch Berlin
Mut braucht? Dass diese Friedensaktion massiven Polizeischutz benötigt?
Mir
gehen seither viele Fragen durch den Kopf. Zum Beispiel, wo die Empörung wichtiger
Leute über diesen Hass gegen Christus, Christen und das Leben bleibt. Wo sind die
Demokraten in Politik und Medien, die sich sonst so gerne und rasch melden, wenn Anstand
und Recht mit Füßen getreten werden? Müsste es denn wirklich erst zu einer schrecklichen
Eskalation kommen, bis sie wach werden und hinsehen beziehungsweise hinhören? Oder
darf man in Deutschland gegen Christen alles machen, sie schmähen und übelst beleidigen?
Haben sie, die Christen, kein Recht auf Respekt, wenn sie sich für etwas Kostbares
einsetzen, nämlich für das Leben und seinen unbedingten Schutz?
Mich macht
das traurig. Sicher, so sind Kreuzwege! Buchstäblich. Und man kann nur immer wieder
für die verwirrten Gegner des Lebens beten: Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht,
was sie tun. Wüssten sie es, dann würden sie es ja nicht tun. Doch es gibt nicht nur
die Möglichkeit, sondern auch das Recht und die Pflicht, auf diesen Hass gegen Gott
und die Welt hinzuweisen und dagegen Widerstand zu leisten. Friedvoll, aber deutlich.
Verbohrt, vernagelt, hasserfüllt und gewaltbereit – so sieht Fundamentalismus aus.
Er ist das dunkle Gegenteil unserer weißen Kreuze. Und er ist das lichtlose Gegenteil
der Lebensschützer, die ein Fundament haben und deshalb tolerant sein können.
Obwohl
das eigentlich klar ist, werde ich gelegentlich gefragt, ob Lebensschützer eigentlich
Fundamentalisten seien. Wie bitte?! Seit wann sind denn diejenigen, die ein Wertefundament
haben und sich tolerant und friedlich für das Leben und seine Unantastbarkeit einsetzen,
Fundamentalisten? Zum Fundamentalismus gehört gewaltbereiter Hass. War denn Jesus
Christus ein Fundamentalist? War die friedvolle Selige Mutter Teresa es? Sind Papst
und Bischöfe das etwa? Diese sind wie wir eindeutig für das Leben und das Recht auf
Leben.
Liebe Hörerinnen und Hörer, dieses Wort, dieser oft unkritisch tradierte
und letztlich böse Vorwurf des Fundamentalismus ist ein Knüppelschimpfwort derer,
die kein klares Fundament haben. Fallen Sie bitte niemals darauf herein! Man sollte
sich diesem Diktat der Gegner des Lebensschutzes wahrlich nicht unterwerfen. Lebensschützer
können gar nicht fundamentalistisch sein, weil sie ein Fundament für das Leben, Anstand
und Respekt haben. Und: Sie sind gewaltlos und friedvoll.
Wir kämpfen gegen
niemanden, sondern engagieren uns fair, logisch und mit guten Argumenten für etwas:
und zwar für das Leben. Lebensschützer sind Anwälte des Lebens, der Kinder und der
Frauen. Ich lade alle ein, sich an diesem Diskurs klug und fair zu beteiligen. Wir
brauchen keine Konfrontation, sondern eine tabufreie Kommunikation. Wir sind dazu
bereit.
Übrigens: Häufig scheint es ja so, dass es sich nicht gehört, überhaupt
dieses Thema aufzugreifen. Viele würden jedes Reden über Abtreibung, also die Tötung
noch nicht geborener Menschen, gerne unterdrücken. Wer es dennoch tut, der stört.
Warum?
Vielleicht, weil es immer wieder eine Angst vor der Logik des Lebens
und vor der Verantwortung gibt. Aufgeklärte Menschen haben diese Angst eigentlich
nicht, und zu ihnen passt auch nicht das Tabu, das es offenbar gibt. Leider. So gesehen
brauchen wir viel mehr Aufklärung. Zum Beispiel mehr Aufklärung über die Schwangerschaft
aus der Sicht des Kindes! Es geht schließlich um die Kultur des Lebens. Und diese
braucht sehr viele Freunde. Überall. Zu jeder Zeit. Auch und gerade am heutigen Tag
der Deutschen Einheit.
Machen auch Sie mit! Setzen auch Sie sich ein für das
Leben und für die Unteilbarkeit des Lebensrechtes! Mit Mut. Mit Aufmerksamkeit. Friedvoll. Und:
Mit Segen. Die Logik des Lebens will es so. Danke.
■
*Martin Lohmann (52) ist katholischer Publizist, Buchautor und
neuer Bundesvorsitzender des Bundesverbandes Lebensrecht (BVL), der Dachorganisation
der Lebensrechtsverbände und –gruppen in Deutschland.