Die Staatskrise in
Honduras spitzt sich zu. Der gestürzte honduranische Präsident, Manuel Zelaya, ist
in der Nacht zum Dienstag in die Hauptstadt Tegucigalpa zurückgekehrt, wo er sich
in der brasilianischen Botschaft aufhält. Nach eigenen Aussagen wolle er einen Dialog
über die Wiederherstellung der Demokratie beginnen. Die Übergangs-Regierung unter
Roberto Micheletti verlangt dagegen Zelayas Auslieferung und hat bis zum Nachmittag
eine Ausgangssperre verhängt. Zelaya, dem unter anderem Verfassungsbruch vorgeworfen
wird, werde ein fairer Prozess unter Garantie aller Rechte gemacht, erklärte Interims-Präsident
Micheletti. Die Mehrheit der Staaten und internationalen Organisationen hält an der
Rechtmäßigkeit von Zelayas Präsidentschaft fest.
Eine offizielle Stellungnahme
seitens der honduranischen Bischöfe gibt es bisher nicht. Doch Kirchenvertreter seien
geschockt und fürchten einen Bürgerkrieg. Das sagt uns die honduranische Journalistin
Patricia Ynestroza aus der spanischsprachigen Abteilung von Radio Vatikan:
Frau
Ynestroza, Manuel Zelaya ist nach Honduras zurückgekehrt. Ist jetzt zu befürchten,
dass die Lage eskaliert?
„Ich glaube, dass jetzt alles passieren kann. Fest
steht, dass alle Konfliktparteien, aber auch die Kirche und vor allem das honduranische
Volk, das am meisten unter dieser Krise leidet, Angst haben. Denn ab jetzt kann einfach
alles geschehen. Die Personen, mit denen ich gesprochen habe, sind überzeugt: „Jetzt
sind wir wirklich nur einen Schritt von einem Bürgerkrieg entfernt!“
Sie
haben sich bei der honduranischen Botschaft beim Heiligen Stuhl über die Lage informiert,
haben mit Verwandten und Journalisten in Tegucigalpa gesprochen. Wie muss man sich
die Situation vor Ort, insbesondere in der Hauptstadt vorstellen?
„Die Situation
ist vor allem von großer Angst geprägt. Die Menschen sind sehr beunruhigt, aber an
Ruhe ist eigentlich schon seit dem Putsch im Juni nicht mehr zu denken. Und in dieser
ohnehin angespannten Lage, ist die Rückkehr Zelayas in das Land natürlich der Tropfen,
der das Fass zum überlaufen bringen könnte. Die Kirche hatte Zelaya genau aus diesem
Grund gebeten, vorläufig von einer solchen unvermittelten Rückkehr nach Honduras abzusehen.
Die Lage in Tegucigalpa muss man sich jetzt so vorstellen: Um die brasilianische Botschaft
haben sich tausende Anhänger von Zelaya versammelt. Darunter sind nicht nur Honduraner.
Viele von ihnen kommen aus El Salvador, Nicaragua und Venezuela. Und, von dem was
mir berichtet wurde, kann man nicht wirklich von einer friedlichen Demonstration sprechen.
Die Stimmung ist sehr aggressiv und aufgeheizt. Alle Schulen bleiben heute geschlossen
und die Interims-Regierung versucht die Situation durch die Ausgangssperre zu kontrollieren.
Die
internationale Gemeinschaft, allen voran US-Außenministerin Hillary Clinton, haben
beide Seiten des Konflikts aufgerufen, an einer friedlichen Lösung zu arbeiten. „Es
ist ein Gebot, dass Gespräche beginnen“, so der Appell Clintons. Was muss passieren,
damit es tatsächlich zu einem Dialog kommen kann und die Lage sich nicht weiter verschärft?
„Dem
steht bis jetzt noch ein Hauptstreitpunkt im Weg: Zelaya ist in 18 Punkten, unter
anderem wegen Korruption und Verfassungsbruch, angeklagt. Eine politische Amnestie,
wie sie die internationale Gemeinschaft vorgeschlagen hat, wäre eine sehr heikle Lösung,
weil der Konflikt ja genau von diesen Gesetzesbrüchen ausgegangen ist. Seit August
letzten Jahres hat sich Zelaya kontinuierlich des Verfassungsbruchs schuldig gemacht.
Dieser Machtmissbrauch ging wirklich ins Extreme und daraus ist die jetzige Situation
entstanden. Dennoch hoffen alle, ganz besonders auch die Christen im Land, auf Frieden
und Dialog. Hoffen wir, dass die Kirche gehört wird. Noch kann ein Bürgerkrieg verhindert
werden.“