Der Vorsitzende der
Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, hat eine „aggressive Religionskritik“
beklagt. Kritiker wollten das Christentum denunzieren und verspotten und seien dabei
doch von Selbstbezogenheit und Hedonismus geprägt, sagte Zollitsch am Montag in Fulda
zum Auftakt der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz.
Der
Erzbischof rief die Kirche dazu auf, dieser Kritik selbstbewusst entgegenzutreten
und sich auch politisch mit ihr auseinanderzusetzen. Das Denken, „das jede gehaltvolle
Hoffnung, die über das menschlich Machbare hinausweist, ins Museum verbannen will“,
sei gefährlich, so Zollitsch. Jeder Mensch werde so tatsächlich des Menschen Wolf.
Die Kirche wolle vielmehr „Horizonte öffnen für ein Leben, das sich zu leben lohnt“. „Es
fehlen Visionen“ „Es geht darum, der Hoffnung Gestalt zu geben“, fasste
Zollitsch vor Journalisten den Appell an das Bischofskollegium zusammen. Die Gesellschaft
sei pragmatisch geworden und habe keine Vision. „Ausgerechnet im Zeitalter der Globalisierung“
verenge sich der Lebenshorizont vieler auf das private Umfeld. „Große Wegziele“, Ideale
wie die weltweite Durchsetzung der Menschenrechte oder eine gerechtere Wirtschaftsordnung
verschwänden aus dem Blickfeld. Ohne Hoffnung werde alles gleichgültig, so Zollitsch.
Doch sie dürfe nicht auf das Menschenmögliche beschränkt werden. Ohne die Hoffnung
auf eine Gerechtigkeit, die von Gott geschenkt wird, ohne eine übergeordnete Instanz,
fehlten auch die sittlich-moralischen Werte. Wo nur die Eigenleistung zähle, seien
„Gier und Egozentrik keine Sünde mehr“.
Kein Kredit ohne Vertrauen Zollitsch
äußerte sich in diesem Zusammenhang auch zur Wirtschafts- und Finanzkrise, deren Folgen
noch lange nicht überwunden seien. „Vielleicht ist der schwindende Gottesglaube eine
der Ursachen der Finanzmarktkrise, die bisher noch zu wenig bedacht wurde“, so der
Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz. „Ist nicht der Ehrliche der Dumme?“,
fragte er.
„Ich persönlich frage mich immer mehr, ob nicht eine der Ursachen
dieser Krise nicht auch ein Mangel an Hoffnung und an Vertrauen ist. Denn der, der
dem anderen nicht mehr vertraut – lateinisch non credit – gibt ihm keinen Kredit mehr.“
Die
Krise der Werte, die manche beklagten, sei genauer betrachtet Teil einer Krise der
Hoffnung.
Zollitsch: „Wenn wir in diesem Jahr feststellen müssen, dass
die Zahl der neugeborenen Kinder sehr stark zurück gegangen ist – um fast sieben Prozent,
dann frage ich mich, ob das nicht auch ein Ausdruck mangelnden Vertrauens ist, dass
man Kindern nicht mehr das Leben schenken will.“
Die Bischöfe wollten sich
dafür einsetzen, der Apathie keine Raum zu geben: „Wir werden uns mit diesen
Fragen beschäftigen und auch schauen, wo wir ermutigen können, aktiv einzugreifen,
sich aktiv zu betätigen und die Situation nicht einfach so hinzunehmen, als sei daran
nichts zu ändern.“
„Politisch hohe Brisanz“ Christen wüssten:
„Der Mensch kann von sich aus Großes leisten, aber nicht Ausreichendes.“ Die Kirche
stoße mit ihrer Position auf Ablehnung, bedauerte Zollitsch und erinnerte an die Auseinandersetzung
um das Kreuz in öffentlichen Gebäuden oder die Debatte um den Religionsunterricht
in Berlin. In den Biowissenschaften werde der Kirche vorgeworfen, den Fortschritt
zu behindern, so der Erzbischof, „nur weil wir uns unmissverständlich auf die Seite
des ungeborenen Lebens stellen“.
Der Erzbischof rief die Kirche auf, den Blick
der Menschen wieder zu weiten. Christliche Hoffnung sei eine „leidenschaftliche Kritik
an Verheißungen, die zu kurz greifen“ und entwickle nicht selten „hohe politische
Brisanz“. Christen seien keine abgehobenen Utopisten“, sondern lebten aktiv „gegen
die Kräfte des Todes, gegen die Missachtung von Menschenrechten“ und für eine wirklich
freie und gerechte Welt. Die missionarische Dimension der Kirche gewinne hier neu
an Bedeutung, so Zollitsch. Die Kirche sei zu allen Menschen gesandt, ohne dass ihr
überall numerisches Wachstum verheißen sei.