2009-09-19 17:56:09

Die Sonntagsbetrachtung:

„Wo Friede herrscht, wird die Saat der Gerechtigkeit ausgesät“


Eine Meditation zum 20. September 2009 von Wolfgang Schonecke:
„Wo Friede herrscht, wird die Saat der Gerechtigkeit ausgesät“ (Jak 3:16-4:3)

„Wo Eifersucht und Ehrgeiz herrschen, da gibt es Unruhe und jede Art von Schlechtigkeit. Wo Frieden herrscht, das wird von den Friedfertigen die Saat der Gerechtigkeit ausgestreut.“ So lesen wir heute im Jakobusbrief.
Liebe Hörerinnen und Hörer,

Wer meint, die erste Christengeneration sei eine Enklave himmlischen Friedens inmitten einer bösen Welt gewesen, der muss sich durch die Texte des neuen Testaments eines Besseren belehren lassen. Jesus sah selbst seine engsten Jünger immer wieder um den ersten Platz streiten. Er gab Anweisungen, wie man Konfliktfälle in der Gemeinde zu regeln habe, und bereitete seine Jünger auf die Notwendigkeit vor, einander sieben mal siebzigmal zu verzeihen.

In der Gemeinde des heiligen Jakobus in Jerusalem muss es manchmal auch sehr heftig zugegangen sein. Er redet von Eifersucht und Ehrgeiz, von Streitigkeiten und sogar von Krieg. Ähnlich sah es wohl auch in Korinth aus, wo sich Parteien gebildet hatten und die Gemeinde innerlich zerstritten war.

Es ist vielleicht gut, sich hin und wieder daran zu erinnern, wenn wir in der Kirche von heute Streitigkeiten über die pastorale Orientierungen und neue komplexe ethische Fragen erleben. War es richtig, die Piusbrüder in die kirchliche Gemeinschaft zurückzunehmen oder nicht? Ist es gut, in der gleichen Kirche die alte und die neue Messe zu feiern? Wie viel Ärger und Resignation gibt es nicht, wenn Gemeinden gegen ihren Willen zu Pfarrverbänden zusammengelegt werden?

Wenn es schon im Haushalt Gottes manchmal laut zugeht, dürfen wir uns nicht wundern, dass in die Geschichte die Völker immer wieder von Kriegen und Konflikten zerrissen werden. Afrika war in den letzten zwei Jahrzehnten ganz besonders betroffen. Bisweilen tobten mehr als ein Duzend Kriege auf dem Kontinent und hinterließen Millionen von Toten und Millionen von traumatisierten Überlebenden. In Ländern wie Angola oder Süd-Sudan hat eine ganze Generation nichts anderes erlebt als Gewalt und Zerstörung und dabei ihre Bildungschancen verpasst. Frauen müssen ein Leben lang mit dem Trauma von Erniedrigung und Vergewaltigung leben und lernen, Kinder zu lieben, deren Gesichter sie jeden Tag an die schlimmsten Momente ihres Lebens erinnern.

Wenn man in den Krisengebieten Afrika gelebt hat, kann man nur voller Bewunderung sein, wie die Menschen dort, auch in hoffnungslosen Lagen, nicht den Lebensmut verlieren, ihre Würde wahren, und jeden Morgen voll Gottvertrauen den Kampf über das Überleben von Neuem auf sich nehmen.

Als Leiter der Gemeinde in Jerusalem leidet Jakobus unter den Streitigkeiten in seiner Gemeinde. Er weiß, dass seine Christen berufen sind, in Frieden zu leben, in einem Frieden, den die Welt nicht geben kann, einem Frieden, der Geschenk des auferstandenen Christus an die Seinen ist. Um diesen Frieden in seiner Gemeinde wieder herzustellen, analysiert Jakobus erst ein Mal die Ursachen des Streites. Er sieht Eifersucht und Ehrgeiz am Werk. Ehrgeiz als Wille, mehr zu haben und mehr zu sein, als die Anderen. Eifersucht, d.h. nicht ertragen, dass der Andere mehr hat oder mehr ist. Wo dieser Wille zu dominieren, wo die Begierlichkeit der Macht die Oberhand gewinnt, da wird am Ende jedes Mittel recht, den eigenen Willen mit allen Mitteln durchzusetzen, dann ist der Weg offen – wie Jakobus sagt – zu jeder Art von Schlechtigkeit, bis hin zum Mord. Diese Dynamik kann sich überall entfalten. In Büros und Betrieben in Form von Mobbing, um den unerwünschten Konkurrenten hinauszuekeln. Wenn diese unersättliche Gier nach immer mehr Geld, mehr Macht die Eliten einer Gesellschaft gefangen nimmt, dann kommt es zu den katastrophalen Krisen, wie sie unsere Gesellschaft heute erschüttert. Um sie zu überwinden, wäre eine spirituelle Revolution nötig.

Wie die Ursachen der Konflikte und Kriege überwunden werden können, ist auch Thema der zweiten Synode der Bischöfe Afrikas, die im Oktober in Rom beginnt. Sie sehen die Kirche in der Mission Jesu verpflichtet, die Menschen mit Gott, mit einander und mit sich selbst zu versöhnen, um in einem dauerhaften äußeren und inneren Frieden zu leben. Um das zu erreichen, gibt es eine Bedingung: die Gerechtigkeit zu säen, wie Jakobus sagt. Die Friedensbotschaft von Papst Johannes Paul II aus dem Jahr 2002 trägt den Titel: Kein Friede ohne Gerechtigkeit, keine Gerechtigkeit ohne Vergebung.

Afrika braucht beides dringend, zunächst einmal mehr Gerechtigkeit. Die Globalisierung hat auch in Afrika die Kluft zwischen Arm und Reich wachsen lassen. Und das besonders in den rohstoffreichen Ländern. Die Einnahmen aus Erdölquellen und dem Abbau von Gold und Diamanten landen zum großen Teil in einer der vielen Steueroasen auf den Konten in einer kleinen Elite und dienen nicht der Armutsbekämpfung und der Entwicklung des Landes. Und Afrika braucht Handelsgerechtigkeit, wie sie Papst Paul VI in Populorum Progressio schon vor 40 Jahren gefordert hat. Mit der weltweiten Verknappung der Ressourcen stürzen sich die Industrie- und Schwellenländer auf Reichtümer Afrikas und versuchen die Erdöl und Edelmetalle, Wasser und jetzt auch Land unter ihre Kontrolle zu bekommen. Die Armen gehen leer aus und verlieren oft noch ihre Existenzgrundlagen. Solch krasse Ungerechtigkeiten sind Zündstoff für zukünftige Konflikte.

Afrika braucht ebenso dringend Versöhnung. In Ruanda gibt es kaum jemand, der nicht Familienmitglieder im Völkermord und den darauf folgenden Kriegen und Massakern verloren hat. Im Ostkongo sind in den letzten Jahren schätzungsweise fünf Millionen Menschen durch Invasionskriege der Nachbarn und durch interne ethnische Konflikte ums Leben gekommen. Unvorstellbares Leid erfüllt die Herzen und damit auch oft Hass und das Verlangen nach Vergeltung und Rache. Aus meiner Erfahrung in der Arbeit mit Flüchtlingen aus diesem Gebiet weiß ich, wie menschlich unmöglich es ist, so grausames Unrecht einfach zu vergeben. Viele sagen: Ich will ja vergeben, aber ich kann nicht. Der Schmerz sitzt zu tief, die Gefühle sind zu übermächtig. Nur Gott kann die Kraft zur Versöhnung schenken. Aber die Kirche kann in Wort und Sakrament Vermittlerin der Gnade Gottes sind. Sie kann vor allem das Beispiel von Versöhnung vorleben. Die zweite Afrikanische Synode will dazu Inspiration und Motivation sein, damit Friede werden kann.

Und wo brauche ich Versöhnung? Wo habe ich Unrecht erfahren und kann nicht vergeben? Wie kann ich in meinem Innern so friedfertig werden, dass ich “die Saat der Gerechtigkeit aussäe“, die zum Frieden führt?

(rv 19.09.2009 mg)








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