2009-09-14 11:05:42

D/Nahost: Jesus, Maria und Petrus auf Pilgerfahrt


RealAudioMP3 Am heutigen Fest Kreuzerhöhung haben Jesus, Maria und Petrus Abschied von Jerusalem genommen – es ging zurück nach Oberammergau. Alle 10 Jahre bringt das bayerische Dorf sein berühmtes Schauspiel vom Leiden und Sterben Christi auf die Bühne. Die Tradition geht auf das Jahr 1633 zurück, als die Oberammergauer ein entsprechendes Gelübde ablegten, um die Pest von ihrem Dorf fernzuhalten. Inzwischen sind ihre Passionsspiele berühmt, zu den Aufführungen im nächsten Jahr werden wieder Zuschauer aus aller Welt erwartet. Die Schauspieler sind bereits ausgewählt, Probenstart ist im November. Vorher haben die Hauptdarsteller jedoch noch eine Pilgerfahrt zu den Originalschauplätzen im Heiligen Land unternommen. Gabi Fröhlich hat die Gruppe einen Tag durch Jerusalem begleitet:
Es wird heiß diskutiert. 36 Schauspieler und ihr Regisseur sitzen vor den Ausgrabungen des Bethesda-Teichs und fragen sich, fragen einander: Wer war dieser Jesus, dessen letzte Tage Erdenleben sie hunderttausenden von Menschen nahe bringen wollen, nächstes Jahr in Oberammergau....
Das sind urige Typen, wie sie da langhaarig und bärtig im Kreis sitzen – seit Aschermittwoch sind für alle Darsteller der Passionsspiele Frisör und Rasieren verboten. Außer für die römischen Soldaten. Regisseur Christian Stückl hält es kaum auf seinem Platz – immer wieder steht er auf, geht umher, rauft sich die dunkle Lockenmähne, wechselt Standort und Perspektive:
„Genau der Sinn der Reise, dass uns auseinandersetzen. Fragen, bei Probenarbeit keine Zeit jetzt klären. Klar machen, in welchem Umfeld.“
Immer wieder schaltet sich Thomas Frauenlob in die Diskussionen ein – mal bestätigend mal vorsichtig korrigierend: Den Mitarbeiter des Papstes aus der vatikanischen Bildungskongregation haben die Oberammergauer als theologischen Begleiter mit auf die Reise genommen. Frauenlob:
„Die Heilige Schrift gewinnt hier Farbe, Konturen, Geschmack. Will Passionsspielern Atmosphäre mitgeben, auch Wissen, aber Atmosphäre, dass ihre Rollen besser spielen können.“
Dazu gehört auch, dass die Schauspieler sich mit dem sozialen und politischen Umfeld Jesu auseinandersetzen. Carsten Lück zum Beispiel möchte dadurch die Motivation des Verräters Judas, den er darstellen wird, besser begreifen.
Allein zu welcher Gruppe Judas gehörte, Zelot? Iskarier? Was sind Gruppen, wo hat sich zugehörig geführt. Und schließlich, wie konnte das tun? Guten Freund auszuliefern.
Auch Andrea Hecht versucht im Heiligen Land, etwas klarere Vorstellungen von ihrer Figur zu bekommen – sie wurde für eine der wenigen weiblichen Hauptrollen ausgewählt:
„Über Maria steht sehr wenig in Bibel, so dass es schwierig ist, sich ihre Persönlichkeit vorzustellen. Sie war eine Frau, die vor Geburt ihres Sohnes bereits wusste, dass er der Sohn Gottes ist. Sie war sich ihrer großen Aufgabe bewusst. Sie hatte aber viel Gottvertrauen. Auch wusste sie, dass es schwierig wird. Sicher hatte sie schmerzlichste Erfahrung als Mutter – und das ist Teil der Rolle, aber drüber hinaus merke ich ihre Kraft, die sie in Gott gefunden hat.“
Vom Bethesda-Teich geht es weiter zum Zionsberg mit dem Abendmahlssaal. Und immer wieder konzentrieren sich die Gespräche auf die zentrale Figur der Passion. Jesus-Darsteller Frederik Mayet gesteht, dass ihm seine Rolle schon irgendwie eine Nummer zu groß ist.
„Das Göttliche darzustellen ist natürlich schwierig. Wir können den Menschen zeigen, mit all seinen Gefühlen – das glaubwürdig darstellen. Auch seine Stärke, Konsequenz, Klarheit zählen dazu. Seine Beziehung zu den Aposteln, zu Maria und Magdalena war etwas Besonderes. Das menschlich zu zeigen, wie er Menschen berührt und etwas in Gang setzt – wenn wir das schaffen, wäre das schon viel.“
Der Theologe Frauenlob kann das nachvollziehen – fordert die Schauspieler jedoch zu einem noch tieferen Verständnis des biblischen Geschehens auf:
„Heute war ein hochinteressantes Gespräch über die Grundproblematik spürbar: Es ging um die Äußerungen Jesu über die Vollmacht – dahinter soll man erkennen, dass es um mehr geht. Er ist der Sohn Gottes. Die Schauspieler sagten mir, dass sie den Gottsohn nicht darstellen könnten. Das ist Problematik, die die ganze Theologie-Geschichte durchzieht. Beide Personen sind nicht darstellbar. Aber was geht, das vermitteln die Schauspieler, was nämlich wesensmäßig in Jesus steckt. Wenn sie das wissen, können sie das, was sie darstellen, auch sinngemäßer wiedergeben.“
Auch die Solisten des Passionsspiel-Chors stimmen sich auf der Reise schon mal langsam ein. Wie alle über 2.000 Mitwirkenden sind auch sie waschechte Oberammergauer. Gemeinsam mit den Hauptdarstellern ging es nicht nur zu den wichtigsten heiligen Stätten in Galiläa und Jerusalem, sondern auch in die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem, zur Klagemauer und in die Synagoge. Jesus-Darsteller Mayet erklärt, warum das der Gruppe ein solch wichtiges Anliegen ist:
„Es gibt einen schwierigen Zusammenhang. Tradition und Passionsspiele hatten Antijudaismen drin. In Oberammergau gab es 1970 große Widerstände von jüdischen Organisationen. In letzten Jahren ist viel passiert. Für die jetzigen Spielleitern ist das ein großes Anliegen, einen ernsthaften Austausch mit jüdischen Organisationen zu suchen.“
Und das hatte für die Passionsspiele ganz konkrete Konsequenzen: Mayet:
„Judas z.B. war oft im gelben Gewand. Das hab ich gesagt, er müsse nicht dieses Kostüm haben – er lief sicher nicht immer im gelben Gewand rum. Oder auch, dass es in vier verschiedenen Evangelien unterschiedlich drin steht. Bestimmte Teile sollten raus, andere rein, ohne dass Wahrhaftigkeit verloren geht.“
Spielleiter Stückl ist davon überzeugt, dass sie mit diesen Reformen der biblischen Wirklichkeit sogar näher kommen:
„Für mich ist eines klar: Wir erzählen ganz eine innerjüdische Geschichte. Jesus hatte keine Kommunion und Kirche. Er war Jude bis zum letzten Moment. Die Begegnung mit Judentum ist deshalb ganz wichtig. Wir müssen kapieren, dass unsere Wurzeln von da herkommen.“
Ganz genau weiß Stückl heut noch nicht, was für einen Jesus er da 2010 auf die Oberammergauer Bühne bringen wird – an Text und Konzept wird auch während der Proben noch gearbeitet. Sicher ist jedoch, dass die Passion unter seiner Regie anders aussehen wird als vor 20 und vor 10 Jahren:
„Jedes Mal sind wir zehn Jahre älter, das Ganze muss sich deshalb entwickeln. Das erste Mal als Jesus auf Bühne war mit 27 Jahren. Damals galt Jesus als ein Rebell. Heute hingegen gibt es viel mehr Konsequenzen, mit der wir ihn darstellen. Das verlangt von uns eine absolute Konsequenz auf Gott hinzuwenden.“ 
(rv 14.09.2009 gf)







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