Die Betrachtung zum Sonntag: Der Menschensohn muss vieles erleiden
Die wichtigste Frage
im ganzen Evangelium lautet: Wer ist dieser Jesus eigentlich? Ein Handwerker aus Nazaret
– ein Wanderprediger – ein Träumer – ein Prophet? Simon Petrus antwortet: Du bist
der Messias. Jesus selbst aber nennt sich den „Menschensohn“. Er ist der Messias,
der erwartete Retter, aber nicht der glanzvolle Messias hochgespannter Erwartungen,
sondern der Menschensohn, der durch Leiden und Tod gehen wird. Und wer an ihn glaubt,
folgt ihm auf seinem Weg.
(schott/rv 12.09.2009 mg) Lesen Sie hier das Sonntagsevangelium
(Mk 8, 27-35)
Aus dem heiligen Evangelium nach Markus Jesus ging mit
seinen Jüngern in die Dörfer bei Cäsarea Philippi. Unterwegs fragte er die Jünger:
Für wen halten mich die Menschen? Sie sagten zu ihm: Einige für Johannes den Täufer,
andere für Elija, wieder andere für sonst einen von den Propheten. Da fragte er
sie: Ihr aber, für wen haltet ihr mich? Simon Petrus antwortete ihm: Du bist der Messias! Doch
er verbot ihnen, mit jemand über ihn zu sprechen. Dann begann er, sie darüber zu
belehren, der Menschensohn müsse vieles erleiden und von den Ältesten, den Hohenpriestern
und den Schriftgelehrten verworfen werden; er werde getötet, aber nach drei Tagen
werde er auferstehen. Und er redete ganz offen darüber. Da nahm ihn Petrus beiseite
und machte ihm Vorwürfe. Jesus wandte sich um, sah seine Jünger an und wies Petrus
mit den Worten zurecht: Weg mit dir, Satan, geh mir aus den Augen! Denn du hast nicht
das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen. Er rief die Volksmenge
und seine Jünger zu sich und sagte: Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich
selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben retten
will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen und um des Evangeliums
willen verliert, wird es retten. Lesen Sie hier die Betrachtung zum Sonntagsevangelium
vom Pater Wolfgang Schonecke
Zweite Lesung: „Der Glaube ist tot, wenn
ihm keine Taten folgen.“ (Jak 2:14-18) Liebe Hörerinnen und Hörer,
In
Deutschland läuft der Wahlkampf. Trotz der dramatischen Krisen in der Welt scheint
er nur wenige aufzuregen. Und so redet man gern vom Phänomen der Politikmüdigkeit.
Nicht nur die Kirchen, auch politische Parteien und Gewerkschaften klagen über Mitgliederschwund.
Immer weniger Bürger gegen zur Wahl. Dafür gibt es sicher eine Reihe von Gründen.
Viele sind überzeugt, dass die eigentlichen Entscheidungsträger gar nicht mehr die
Politiker, sondern Wirtschaftsmanager und Banker und deren Lobbyisten sind und es
ganz egal ist, welche Partei man wählt. Noch gravierender ist die Kluft zwischen dem,
was Politik im Wahlkampf sagen, und dem, was tatsächlich passiert. Bei Umfragen, wem
die Menschen vertrauen, stehen die Politiker nicht an erster Stelle, die Kirchen leider
auch nicht. Wo die Diskrepanz zwischen Wort und Wirklichkeit zu groß wird, gibt es
ein Problem der Glaubwürdigkeit.
Jakobus stellte ein gleiche Problem schon
unter den Christen der ersten christlichen Gemeinde in Jerusalem fest. Da gab es Leute,
die sehr beeindruckend über ihren Glauben reden konnten, vielleicht sogar Prediger,
Lehrer oder Propheten in der Gemeinde waren. Aber ihr Leben stand nicht in der Nachfolge
Christi. In seiner Jerusalemer Gemeinde erzählte man sich die Geschichte von dem Ehepaar
Ananias und Saphira, die vor der Gemeinde prahlen wollten, sie hätten all ihren Besitz
der Gemeinde zur Verfügung gestellt. Aber in Wirklichkeit hielten sie einen Teil zurück.
Kein Christ würde sie deshalb mit dem Tod bestrafen, wie es erzählt wird. Aber die
Geschichte will vielleicht exemplarisch zeigen, dass für die erste Christengeneration
Glaubensüberzeugungen keine schönen Theorien waren, sondern sich im Leben beweisen
mussten.
Liebe Hörerinnen und Hörer,
Bei unseren Betrachtungen zur Sonntagsliturgie
wollen wir die Texte aus dem Blickwinkel der Kirche in Afrika lesen. Warum Afrika?
Weil in wenigen Wochen in Rom die zweite Afrikanische Synode beginnen wird. Bischöfe
aus ganz Afrika werden drei Wochen lang über Versöhnung, Gerechtigkeit und Friede
mit einander sprechen.
Wer sich für Versöhnung und Friede einsetzen will, muss
glaubwürdig sein. In Arbeitspapier, das die Bischöfe für die Synode vorbereiten haben,
stellen sie zunächst mit Bedauern fest, das die politischen Eliten in den Augen ihrer
Bevölkerung oft ihre Glaubwürdigkeit verloren haben, weil sie – (Zitat) „sich nicht
wirklich um die Nöte der Bevölkerung kümmern, sondern nur um ihre eigenen Interessen
verfolgen und die Idee des Allgemeinwohl verachten. Sie haben den Sinn für das Staatswesen
und für demokratische Prinzipien verloren. Sie kreieren Konflikte, um die eigene Machtposition
abzusichern.“ (Ende des Zitats) Politiker, die in diese Kategorie fallen, sind nicht
glaubwürdig. Die Leute sind nicht länger an ihren Reden interessiert.
Aber
nicht nur afrikanische Politiker sind oft unglaubwürdig, auch Europa hat in den Augen
vieler Afrikaner an Glaubwürdigkeit verloren. Wir, Europäer, sprechen von Menschenrechten
und unterstützen gleichzeitig diktatorische Regime, wir geben Entwicklungshilfe und
zerstören Entwicklung durch unfaire Handelsabkommen. Wir reden von Partnerschaft,
wollen aber den Entwicklungsländern keine Stimme in den internationalen Gremien geben.
In
Gegensatz dazu genießt die Kirche in vielen Ländern Afrikas einen hohen Grad an Glaubwürdigkeit.
Der selbstlose Dienst von Ordensleuten an Kranken und in der Erziehung der Jugend
bezeugt mehr als alle Predigten, dass Christen an die Würde jedes Menschen glauben.
Wenn durch Konflikte und Krieg die Menschen aus der Heimat fliehen müssen, dann sind
es oft die Gemeinden, die ihnen ihre Kirchen und Pfarrsäle als Notunterkunft anbieten
und erste Hilfe leisten. Ein Großteil der Aidskranken Afrikas wird von kirchlichen
Einrichtungen versorgt. Und was die Menschen immer wieder in Erstaunen setzt ist,
und von der Wahrheit des Christentums überzeugt, ist wenn diese Dienste geleistet
werden, ohne zu fragen, ob der Notleidende zu meiner Familie, zu meiner Religionsgemeinschaft
gehört. Das ist in Afrika keineswegs selbstverständlich.
Ein Erlebnis als Beispiel:
Als junger Missionar war ich zunächst sehr beeindruckt, wie die Leute in meiner Pfarrei
sich um die Kranken kümmerten. Da es keine Straßen gab, trugen die jungen Männer die
Kranken in einer Tragbare über die Berge ins Missionskrankenhaus. Ein paar blieben
beim Kranken und sorgen für ihn Tag und Nacht, und schliefen manchmal auf dem Zementboden
unter dem Krankenbett. Und ich fragte mich: Was habe ich diesen Menschen denn überhaupt
zu sagen? Bis ich eines Tages auf einer Safari am Rande der Straße eine ältere Frau
im Gras sah, blutüberströmt und bewusstlos. Da ich sie nicht auf mein Motorrad laden
konnte, ging ich zu den nächsten Häusern und fragte, ob sie die Frau an der Straße
gesehen hätten. Ja, sagten sie, die hätten sie da am frühen Morgen gefunden. Und warum
habt ihr sie nicht ins Krankenhaus gebracht? Ihre Antwort werde ich nie vergessen.
„S’uwacu“, sagten sie, „Die ist Keine von uns.“ Da wurde mir schlagartig klar, was
die Botschaft Jesu hier bedeutet: in allen Menschen meine Brüdern und Schwestern sehen
und die Solidarität auch jenseits der Grenzen der Großfamilie leben.
Das Arbeitspapier
der Synode spricht auch ehrlich aus, wo die Glaubwürdigkeit der Kirche verbessert
werden könnte, wo Anspruch und Wirklichkeit auseinanderklaffen. Es erwähnt die untergeordnete
Rolle der Frauen in den kirchlichen Strukturen, und der Mangel an Transparenz in der
Verwaltung kirchlicher Ressourcen. Die Art und Weise, wie Jesus Frauen als gleichberechtigte
Partner in der Evangelisierung behandelte, oder die Aussage eines Paulus, dass es
in der Kirche weder Reich noch Arm, weder Sklave noch Freier, weder Frau noch Mann
gibt, ist heute eine ebenso große Herausforderung wie es am Anfang der Kirche war.
Bei
den Anderen sehen wir die Widersprüche zwischen Wort und Tat sehr schnell. Aber fragen
wir uns, wie konsequent wir unseren Glauben leben? Ich glaube, dass Gott Schöpfer
und Geber aller guten Gaben ist. Wie oft zeige ich konkret meine Dankbarkeit? Ich
glaube, dass alle Menschen die gleiche Würde als Kinder Gottes haben. Gilt das auch
für den türkischen Nachbarn, für jedes behinderte Kind, für die chronisch Kranken?
Ich glaube, dass der Geist Gottes in mir wohnt. Wann suche ich die Stille, um ihn
zu hören? Als Christ stehe ich für soziale Gerechtigkeit und habe vielleicht sogar
ein bisschen in der neuen Sozialenzyklika von Papst Benedikt über unsere Verantwortung
für globale Gerechtigkeit gelesen. Wäge ich ab, welche politische Partei sich nach
den Wahlen am ehesten für die Rechte der Armen einsetzt, hier und weltweit? In unseren
Diözesen und Gemeinden haben wir immer weniger Geld. Praktizieren wir im Gottesvolk
die Solidarität, die wir von der Gesellschaft erwarten, oder lassen wir uns nur von
Managementkriterien leiten?
Viele Menschen haben die Kirche verlassen, weil
sie von der Kirche, von uns Christen, vielleicht auch von mir enttäuscht wurden. Um
Salz der Erde und Licht der Welt zu werden, muss Glaube und Leben, Wort und Tat übereinstimmen.