Führende Vertreter
der großen Religionen haben von Krakau aus zu Frieden und Dialog in der Welt aufgerufen.
In einem Appell zum Abschluss ihres Gipfels fordern die mehr als dreihundert Religionsführer,
die „bittere Lektion des Zweiten Weltkriegs“ nie zu vergessen. Das Friedenstreffen
war von der römischen Basisgemeinschaft „Sant`Egidio“ organisiert worden; die Teilnehmer
besuchten unter anderem das Gelände des früheren Konzentrationslagers Auschwitz. Der
nächste der seit über zwanzig Jahren alljährlich stattfindenden Gipfel ist für 2010
im spanischen Barcelona geplant.
Die Schlusserklärung „Wir, Männer und Frauen
verschiedener Religionen, haben in Krakau siebzig Jahre nach Ausbruch des Zweiten
Weltkriegs gebetet, miteinander gesprochen und uns bemüht, einen Humanismus des Friedens
wachsen zu lassen.“ Das steht im „Friedensappell von Krakau“, der zum Schluss des
Treffens veröffentlicht wurde. Und weiter: „Blicken wir auf die Wunden unserer Welt:
auf die Völker im Krieg, die Armen, die Schrecken des Terrorismus, die Opfer des Hasses.
Hören wir auf den Schrei der Leidenden! Ganze Völker sind Geiseln von Krieg und Gewalt...
Unsere
Welt hat durch die Wirtschaftskrise und eine oft herz- und gesichtslose Globalisierung
die Orientierung verloren. Die Globalisierung ist eine historische Gelegenheeit, auch
wenn sie oft in einer Logik des Zusammenstoßes der Kulturen und Religionen gelebt
wird. Wenn der Dialog zwischen den Völkern stirbt, kann es keinen Weltfrieden geben!
Kein Mensch, kein Volk ist eine Insel!
Unsere religiösen Traditionen bekennen
gemeinsam, dass eine Welt ohne Geist nicht mehr menschlich wäre. Sie zeigen den Weg
zurück zu Gott, der die Quelle des Friedens ist. Geist und Dialog können dieser globalisierten
Welt eine Seele geben...“
Schweigemarsch in Auschwitz Im früheren Vernichtungslager
Auschwitz-Birkenau hatten die Vertreter von Christentum, Judentum, Islam, Buddhismus
und anderen Bekenntnissen am Dienstag eine gemeinsame Geste der Versöhnung gesetzt:
Sie reichten sich nach dem Gedenken an die dort ermordeten Menschen die Hände zum
Friedensgruß und umarmten sich – ein emotionaler Höhepunkt des Treffens in der Stadt,
in der der „Erfinder“ der Weltreligionstreffen, Johannes Paul II., einmal Erzbischof
gewesen war. Nach einem Schweigemarsch über das Gelände des früheren KZ legten Delegationen
von Religionen und Ländern Blumen an den 21 Gedenktafeln vor dem Mahnmal nieder und
gedachten der mehr als 1,2 Millionen in Auschwitz ermordeten Menschen.
Der
Oberrabbiner von Tel Aviv, Israel Meir Lau, erinnerte die Teilnehmer des Treffens
an Worte von Papst Johannes Paul II. (1978-2005).
„Ich habe mich vor genau
16 Jahren einmal lange mit ihm unterhalten. Er erinnerte sich daran, dass er in Krakau
öfters meinen Großvater, den Rabbiner Frankel, auf dem Weg zur Synagoge gesehen habe
– immer umgeben von vielen Kindern. Ich sagte ihm, dass 42 Enkel dieses Mannes im
Holocaust ums Leben gekommen waren; nur fünf haben überlebt. Da sagte mir der Papst:
„Ich war schon in mehr als hundert Ländern, und überall sage ich ganz deutlich: Wir,
die Menschheit, haben die Pflicht, unseren älteren Brüder, den Juden, die Zukunft
und eine Kontinuität zu garantieren.“
„Für Freiheit von durchgedrehten Ideologien“ Eine
Auschwitz-Überlebende von der Volksgruppe der Roma rief zum Kampf gegen Rassismus
auf. Sie verwies darauf, dass allein in Ungarn in jüngster Zeit 15 Roma ermordet worden
seien. An der Zeremonie im ehemals größten deutschen Vernichtungslager beteiligten
sich unter anderen die Kardinäle Stanislaw Dziwisz, Roger Etchegaray und Crescenzio
Sepe. Für Deutschland legte der Aachener Bischof Heinrich Mussinghoff Blumen an einer
Gedenktafel nieder. Sozusagen als Gastgeber in Krakau meinte der dortige Erzbischof,
Kardinal Dziwisz:
„Unser Ruf nach Frieden erhebt sich auch genau zwanzig Jahre
nach dem Fall der totalitären Regime in Osteuropa. Wir wünschen zutiefst, dass alle
Völker der Erde in Freiheit von Diktaturen und durchgedrehten Ideologien leben können!
Ich danke Sant`Egidio für ihre Treue zum Erbe von Johannes Paul II. – dafür, dass
sie die Welttreffen der Religionen, die mit ihm 1986 in Assisi begannen, am Leben
halten. Ich danke für den Geist von Assisi in Krakau!“