2009-09-05 16:59:16

Die Sonntagsbetrachtung:
„Er macht, dass die Tauben hören und die Stummen sprechen“


RealAudioMP3 Die Schöpfung, wie sie aus der Hand Gottes hervorging, war gut, „sehr gut“, wie es im Schöpfungsbericht heißt. Das Unglück beginnt damit, dass der Mensch das Wort Gottes nicht hören und nicht wahrhaben will. Er entfernt sich von Gott so weit, dass er schließlich zum Hören nicht mehr fähig ist; er wird taub, und weil er nichts mehr hört, meint er, Gott sei stumm. Der Taubstumme des Evangeliums ist das sprechende Symbol dieser Situation des Men­schen. Jesus spricht das erlösende Wort: Effata - öffne dich!
Evangelium Mk 7, 31-37
Er macht, dass die Tauben hören und die Stummen sprechen
+ Aus dem heiligen Evangelium nach Markus
31Jesus verließ das Gebiet von Tyrus wieder und kam über Sidon an den See von Galiläa, mitten in das Gebiet der Dekapolis.
32Da brachte man einen Taubstummen zu Jesus und bat ihn, er möge ihn berühren.
33Er nahm ihn beiseite, von der Menge weg, legte ihm die Finger in die Ohren und berührte dann die Zunge des Mannes mit Speichel;
34danach blickte er zum Himmel auf, seufzte und sagte zu dem Taubstummen: Effata!, das heißt: Öffne dich!
35Sogleich öffneten sich seine Ohren, seine Zunge wurde von ihrer Fessel befreit, und er konnte richtig reden.
36Jesus verbot ihnen, jemand davon zu erzählen. Doch je mehr er es ihnen verbot, desto mehr machten sie es bekannt.
37Außer sich vor Staunen sagten sie: Er hat alles gut gemacht; er macht, dass die Tauben hören und die Stummen sprechen.
(schott 05.09.2009 mg)


Lesen und hören Sie hier die Betrachtung von P. Wolfgang Schonecke
 
„Haltet den Glauben... frei von jedem Ansehen der Person“ (Jak 2:1-5)
Lieber Hörerinnen und Hörer,
Die Situation, wie sie Jakobus beschreibt, passiert Millionenfach jeden Tag. Eine prominente Persönlichkeit fährt in einer Luxuskarosse vor, steigt aus bekleidet mit einem makellosen Maßanzug und einem überlegenem Lächeln, wird vom Chef des Hauses persönlich begrüßt und auf einen Ehrenplatz in der ersten Reihe begleitet. Wenn dann alle wichtigen Leute den Saal gefüllt haben, darf das Volk auch noch herein, um die Stehplätze auf der Galerie zu füllen. Erst die Promis, dann der Rest. Das findet jeder völlig normal, außer dem Autor des Jakobusbriefes.
Der Vorsteher der Jerusalemer Gemeinde, ist entsetzt, als er merkt, dass sich das gleiche Gehabe auch unter Christen wieder eingeschlichen hat. Die Reichen haben Vorrang, die armen Gemeindemitglieder werden auf die letzten Plätze zurückgedrängt. „Unter euch sollte es nicht so sein,“ hatte Jesus seinen Jüngern immer wieder eingeschärft. Ja, es sollte genau umgekehrt sein in seiner Gemeinschaft, „die Ersten sollen die Letzten, und die Letzten die Ersten sein.“
Ich denke zurück an meine Arbeit als Pfarrer einer großen ländlichen Gemeinde in Afrika. Ich sitze im Büro. Ein halbes Duzend Leute warten, um ihre Probleme loszuwerden. Eine Mutter braucht ein Geld, damit ihre Tochter das Abschlussexamen machen kann. Ein Ehepaar hat sich zerstritten und sucht zur Beratung. Ein Katechist holt einen Priester zu einem Sterbenden. Plötzlich fährt ein Auto auf den Hof. Und was tue ich? Ich stehe sofort auf, lasse alle anderen stehen, begrüße den größten Geschäftsmann im Dorf und biete ihm eine Tasse Tee an. Abends schlage ich meine Bibel auf und mein Blick fällt auf den Jakobusbrief. „Haltet den Glauben... frei von jedem Ansehen der Person“ lese ich und schäme mich.
Lieber Hörer und Hörerinnen.
Bei unseren Betrachtungen zur Sonntagsliturgie wollen wir uns heute inspirieren lassen von der Erfahrung der Kirche in Afrika. Warum Afrika? In wenigen Wochen wird in Rom die zweite Afrikanische Synode beginnen. Bischöfe aus ganz Afrika werden drei Wochen lang über Versöhnung, Gerechtigkeit und Friede mit einander sprechen. Der Jakobusbrief hat gerade zu diesen Themen kernige Aussagen zu machen. Die Freiheit von jedem Ansehen der Person ist eine davon. Im Arbeitspapier zu Synode sprechen die Kirchen auch davon. In der biblischen Einleitung heißt es: „die Kranken, die Armen, die Versklavten, die Witwen, die Ausländer, die Migranten, die Menschen an der Peripherie der afrikanischen Gesellschaft... genau diese sind die bevorzugten Empfänger der Liebe Gottes...“ Zitat Ende. Diese Randgruppen haben keinerlei Ansehen in der Gesellschaft, aber Gott sieht sie mit besonderem Wohlwollen an.
Das Wort Gottes und die Lebenspraxis Jesus stellt unsere Wertskala auf den Kopf. Der sterbende Aidspatient, mein miserable bezahlter Nachtwächter, das Straßenkind, das an der Ampel zwischen Rot und Grüne für ein paar Pfennig meine Windschutzscheibe waschen will... sie die Lieblinge Gottes. Gottes Standards sind so ganz anders und wir tun uns schwer mit Jesu Wertskala. Wir haben die Tendenz, das Wort Gottes zu verwässern oder gar auf den Kopf zustellen.
Ein Beispiel dafür sind die sogenannten „Properity-Churches“ – „Wohlstands-Kirchen“, die in Afrika einen großen Zulauf haben. Ihre Botschaft ist simpel. Reichtum ist ein Zeichen, von Gott gesegnet zu sein. Die Prediger demonstrieren die Wahrheit ganz ungeniert durch ihre Luxuswagen und tollen Villen. Sie versprechen den Armen ähnlichen Wohlstand, wenn sie nur ihre letzten Groschen in den Klingelbeutel legen; und beruhigen das Gewissen der Reichen, die ihr Vermögen durch Betrug und Korruption beschafft haben. Es war und es ist immer eine Versuchung für die Kirche, sich mit den Reichen und Mächtigen zu arrangieren und ihnen in der Kirche mehr Ehre und Einfluss zu geben als den Armen.
„Frei sein von jedem Ansehen der Person“ bedeutet in Afrika noch eine ganz andere Herausforderung, nämlich frei werden gegenüber der eigenen Familie und meinem Klan. Als Richter nicht dem Recht geben, der mein Freund oder Blutsbruder ist; als Lehrer nicht den Kindern meiner Großfamilie bessere Noten geben; als Krankenschwester, nicht meinen Verwandten gut behandeln und den Fremden sterben lassen.
Das Arbeitspapier der Synode gesteht mit großer Ehrlichkeit, dass das auch für Priester und Bischöfe nicht immer leicht ist, den Glauben frei zu halten vom Ansehen der Person. Auch unter dem Klerus gibt es (Zitat): „Spaltungen nach ethnischen, stammesmäßigen, regionalen und nationalen Linien (...), eine fremdenfeindliche Mentalität (...) und Bischöfe, die sich auf Seiten einer politischen Partei engagieren.“(Zitat Ende) Die Bischöfe wissen, dass innerhalb der Familie Gottes noch viel innere Arbeit auch zu leisten ist, um die Spannungen auf Grund ethnischen, rassischen und sozialen Unterschieden zu überwinden.
Aber was bedeutet denn der Jakobusbrief für uns in Deutschland? Natürlich ist vor dem Gesetz jeder gleich ohne Ansehen der Person. So steht es im Grundgesetz „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.“. Und wie sieht die Wirklichkeit aus? Fragen Sie mal Migranten, wie es ihnen ergeht bei der Wohnungssuche, auf dem Arbeitsplatz, im Behördendschungel. Weiterkommen tut man auch bei uns oft nur, wenn man Vitamin B, wenn man Beziehungen hat.
Vielen Menschen geben wir zu wenig Ansehen, machen aber zu viel Respekt. Filmstars, Popsänger oder Sportler behandeln wir, als wären es Übermenschen. Die Medien lieben es, Schauspieler, Künstler künstlich zu Halbgöttern hoch zu stilisieren, um später ihr Image wieder zu demolieren. Wer frei ist von jedem Ansehen der Person, macht solche Spiele nicht mit. Persönlichkeitskult ist nie Zeichen des reifen Christen. Mit einer Ausnahme: Jesus, der Mann aus Nazareth. Ihm gebührt auch deshalb eine einzigartige Hochachtung, weil er der einzige Mensch war, der in seinen Beziehungen zu allen Menschen völlig frei war: frei gegenüber dem Militärgouverneur Pilatus ebenso wie der Prostituierten, den religiösen Autoritäten seiner Zeit genauso wie den aus der Gesellschaft ausgestoßenen Aussätzigen. Selbst seine ärgsten Widersacher mussten gestehen: „Meister, wir wissen, dass du immer die Wahrheit sagst und wirklich den Weg Gottes lehrst, ohne auf jemand Rücksicht zu nehmen; denn du siehst nicht auf die Person.“
Eine solche innere Freiheit zu gewinnen, wie Jesus sie hatte, alle Menschen, Große wie Kleine, Fremde ebenso wie Familie und Freunde, mit dem gleichen Respekt und der gleichen Liebe zu behandeln, das ist eine lebenslange Aufgabe. Wenn wir frei werden von jedem Ansehen der Person wie Jesus, dann wird vielleicht auch unsere Prominenten-süchtige Mediengesellschaft etwas von der befreienden Kraft Jesu und seiner Botschaft spüren.


(rv 05.09.2009 mg)







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