Italien: Weiterhin Streit zwischen Regierung und Kirche
Der Streit zwischen
Teilen der Regierung und der italienischen Kirche geht weiter. Hintergrund ist der
so genannte „Fall Boffo“. Eine Tageszeitung, die der Familie von Ministerpräsident
Silvio Berlusconi gehört, hatte wilde Anklagen gegen den Direktor der katholischen
Tageszeitung „L`Avvenire“, Dino Boffo, erhoben. Darin ging es vor allem um den Vorwurf,
vor Jahren eine junge Frau telefonisch belästigt zu haben. Boffo trat an diesem Donnerstag
Nachmittag nach fünfzehn Jahren an der Spitze der Zeitung zurück – eine Entscheidung,
die vom Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Kardinal Angelo Bagnasco, „mit Bitterkeit“
akzeptiert wurde. Der italienische Verband der katholischen Presse sieht die Pressefreiheit
im Land in großer Gefahr.
Racheaktion? In Italiens Kirche
haben viele den Eindruck, mit den Angriffen auf Boffo wollten sich Kreise um Berlusconi
für Kritik am Lebenswandel des Premiers rächen. Boffo, der in den letzten Tagen von
Solidaritätsbekundungen von Bischöfen nur so überhäuft wurde, hatte Rücktrittsgedanken
zunächst weit von sich gewiesen; an diesem Donnerstag aber knickte er angesichts der
Ausmaße, die die Mediendebatte mittlerweile angenommen hat, ein. Seiner Familie und
ihm sei in den letzten Tagen geradezu „Gewalt angetan“ worden, schreibt er zur Begründung.
Vatikansprecher Federico Lombardi äußerte schon vor Boffos Rücktritt den Verdacht,
bestimmte Kreise wollten „Verwirrung stiften, indem sie falsche Anklagen verbreiten“.
Die Tageszeitung, von der die Attacken ausgegangen waren, hatte behauptet, der -
so wörtlich – „vatikanische Geheimdienst“ habe ihr belastendes Material über den „Avvenire“-Chef
zugespielt. So einen Geheimdienst gebe es schlechterdings nicht, reagierte Jesuitenpater
Lombardi empört. Die Tageszeitung „La Repubblica“, die seit Monaten eine Kampagne
gegen Berlusconi führt, spricht in einem ersten Online-Kommentar zum Rücktritt Boffos
von einem „Mord“.
„Jetzt Gewissenserforschung“ Der Erzbischof
von Chieti, Bruno Forte, ruft zu einem „moralischen Ruck“ in Italien auf; angesichts
der „Verschlechterung des moralischen Klimas im Land“ dürfe die Kirche „nicht Zuschauerin
bleiben“. Im Gespräch mit Radio Vatikan forderte der bekannte Theologe außerdem von
Exponenten des öffentlichen Lebens „eine Gewissenserforschung und eine Umkehr“.
Am
Sonntag wird Papst Benedikt XVI. Viterbo besuchen; als Gast bei der Messfeier Benedikts
hat sich auch Berlusconi angesagt. Angesichts der neuesten Entwicklungen fragen sich
Beobachter nun, ob es wirklich zu einem Treffen Benedikt-Berlusconi kommen wird.