Der Chefredakteur der katholischen Tageszeitung „Avvenire“, Dino Boffo, hat die gegen
ihn veröffentlichten Behauptungen zurückgewiesen. Bei den zu einem angeblichen sexuellen
Übergriff vorgelegten Beweisen handele es sich nicht um ein „Dokument aus Gerichtsakten“,
sondern um eine „Fälschung“, schrieb Boffo auf der Leserbriefseite in der Sonntagsausgabe
der Zeitung, die von der italienischen Bischofskonferenz herausgegeben wird.
Die
Zeitung „Il Giornale“, die zum Familienbesitz von Ministerpräsident Silvio Berlusconi
gehört, hatte am Freitag behauptet, Boffo sei von einem Gericht in Terni wegen Belästigung
und Nötigung der Frau eines homosexuellen Freundes belangt worden. Unter der Überschrift
„Der Supermoralist“ hatte das Blatt jegliche Kritik seitens der Bischofszeitung an
Silvio Berlusconi und seinem Privatleben zurückgewiesen. Seit langer Zeit habe er
„die Aufmerksamkeit der Polizei erregt“. Unter zahlreichen Solidaritätsadressen führt
Boffo Innenminister Roberto Maroni (Lega Nord) an. Dieser habe ihn bereits am Freitag
„völlig unerwartet“ angerufen und über eine sofort eingeleitete Untersuchung bei den
Sicherheitsbehörden informiert, bei der „nichts, absolut nichts zum Vorschein gekommen“
sei.
Die in dem „Il Giornale“-Bericht erhobenen Vorwürfe gegen Boffo hatten
die Spannungen zwischen Regierung und Kirche verstärkt. Die Bischofskonferenz des
Landes wies die Angriffe zurück. Die Attacken seien „geschmacklos und sehr schwerwiegend“,
betonte der Konferenzvorsitzende, Kardinal Angelo Bagnasco. Die im Vorfeld von den
Medien als Versöhnungstreffen bewertete Begegnung zwischen Kardinalstaatssekretär
Tarcisio Bertone und Berlusconi am Rande eines traditionellen Kirchenfestes in L'Aquila
am Freitag Abend wurde wenige Stunden vor dem geplanten Treffen gestrichen. „Instrumentalisierungen“
sollten vermieden werden, hieß es in der offiziellen Vatikanerklärung.
Regierungschef
Berlusconi und „Lega Nord“-Chef Umberto Bossi bemühen sich indes um Schadensbegrenzung.
Gemeinsam mit Parteifreund Roberto Calderoli, Minister im Kabinett von Silvio Berlusconi,
nach Rom reisen, kündigte Bossi am Wochenende in Bergamo an. Berlusconi hatte sich
zuvor öffentlich von den Behauptungen gegen den „Avvenire“-Direktor Boffo distanziert.
Die liberale Senator Felice Belisario von der Oppositionspartei „Italien der Werte“
bekräftigte, Berlusconi führe Regie in der „vorsätzlichen Attacke gegen die Kirche“.
Es herrsche ein Klima der Einschüchterung gegenüber allen, die die Meinung des Ministerpräsidenten
nicht teilten. Jetzt seien auch die Bischöfe bedroht.