Evangelikale Spitzenvertreter aus mehreren Ländern stellen sich in einer gemeinsamen
Erklärung hinter die Grundaussagen der Enzyklika „Caritas in veritate“ von Papst Benedikt
XVI. Die Erklärung der 68 Theologen, Professoren und Kirchenleiter kam auf Initiative
dreier evangelikaler Verbände aus den USA, Kanada und Großbritannien zustande. Wörtlich
heißt es in dem Text: „Wir stehen hinter dieser Forderung nach einer neuen Vision
von Entwicklung, die auf die Würde des menschlichen Lebens in seiner Fülle setzt und
erkennt, dass die Sorge um das Leben - von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod
– sich umfassend für religiöse Freiheit, für die Bekämpfung der Armut und für die
Bewahrung der Schöpfung einsetzt.“ (rv 29.08.2009 sk) Wir dokumentieren hier
die deutsche Übersetzung des Aufrufs – sie stammt von der Internet-Nachrichtenagentur
fides – sowie die Liste der Unterzeichner. „Aktuelle globale Ereignisse sensibilisieren
uns für die Bedeutung einer nachhaltigen christlichen Reflexion über das Wesen und
Ziel des wirtschaftlichen Lebens, sowohl innerhalb unserer eigenen Gesellschaften
als auch in anderen Teilen der Welt. Folglich begrüßen wir als evangelikale Protestanten
die Veröffentlichung von „Caritas in veritate“ von Papst Benedikt XVI. Wir rufen
Christen überall, aber besonders unsere Mitbürger und die Protestanten im globalen
Norden auf, sie zu lesen, sich mit ihr auseinanderzusetzen und auf „Caritas in veritate“
zu reagieren. Dabei können wir den gemeinsamen Ruf nach Liebe und Wahrheit in unserem
Leben als Bürger, Unternehmer, Arbeitnehmer erkennen und was noch grundsätzlicher
für die Nachfolge Christi gilt.
Durch Tod und Auferstehung Christi nimmt Gott
alles von uns, was hinderlich dafür sein könnte, eine geordnete Beziehung zwischen
Gott und Welt, unter den Menschen und zwischen Menschen und dem Rest der Schöpfung
aufzubauen. Menschliche Entwicklung ist in dieser Wiederherstellung aller Dinge hin
zu wahren Beziehungen enthalten.
Wir empfehlen die Blickrichtung, mit der diese
Enzyklika die wirtschaftliche Entwicklung in Bezug auf die wahre Weichenstellung für
menschliche Entwicklung vorgibt. „Caritas in veritate“, die in der Tradition der Enzyklika
„Populorum Progressio“ von Papst Paul VI. steht, argumentiert, dass Entwicklung von
der Veränderung der jeweils beteiligten Personen und Institutionen abhängig ist sowie
von den Beziehungen, die unter ihnen herrschen.
Wir stehen hinter dieser Forderung
nach einer neuen Vision von Entwicklung, die auf die Würde des menschlichen Lebens
in seiner Fülle setzt und erkennt, dass die Sorge um das Leben - von der Empfängnis
bis zum natürlichen Tod – sich umfassend für religiöse Freiheit, für die Bekämpfung
der Armut und für die Bewahrung der Schöpfung einsetzt. „Caritas in veritate“
schlägt ein ganzheitliches Modell der menschlichen Entwicklung im Kontext der Globalisierung
vor, „die Ausweitung der weltweiten Verflechtung". Wir sind mit dieser Enzyklika in
dem Punkt einverstanden, „die Globalisierung der Menschheit im Sinne von Beziehung,
Gemeinschaft und Teilhabe zu leben und auszurichten“ (CV 42). Die Enzyklika stellt
korrekt fest, dass die Globalisierung in der Tat Millionen von Menschen aus der Armut
geholt hat, vor allem durch die Integration der Volkswirtschaften der Entwicklungsländer
in die internationalen Märkte. Doch die Unebenheiten bei dieser Integration hinterlassen
in uns tiefe Besorgnis, sind wir doch mit Ungleichheit, Armut, mangelnder Ernährungssicherheit,
Arbeitslosigkeit, sozialer Ausgrenzung, einschließlich der anhaltenden sozialen Ausgrenzung
von Frauen in vielen Teilen der Welt konfrontiert. Wir sind besorgt über den Materialismus,
der die menschlichen Gemeinschaften zu verderben droht, und die zerstörerischen Folgen
für unseren gemeinsamen Lebensraum auf diesem Planeten. In „Caritas in veritate“
finden wir eine Analyse der globalen Lage, die eine Engführung der Polarisation des
freien Marktes zurückweist und das aktive Eingreifen von Regierungen mit ihren Lösungen
ablehnt.
„Die Soziallehre der Kirche ist der Ansicht, dass wahrhaft menschliche
Beziehungen in Freundschaft und Gemeinschaft, Solidarität und Gegenseitigkeit auch
innerhalb der Wirtschaftstätigkeit und nicht nur außerhalb oder »nach« dieser gelebt
werden können“ (CV 36). Das wirtschaftliche Leben ist weder amoralisch noch autonom.
Institutionen der Wirtschaft, einschließlich die Märkte selbst, sollten durch innere
Beziehungen von Solidarität und Vertrauen geprägt sein. Gewinn ist ein notwendiges
Ziel im wirtschaftlichen Leben; er kann aber nicht das Hauptkriterium für wahrhaft
menschliche wirtschaftliche Blüte sein. Wir bekräftigen daher den Schwerpunkt, der
in „Caritas in veritate“ auf soziale Unternehmungen gesetzt wird, das heißt auf geschäftliche
Bemühungen, die vom Prinzip der Gegenseitigkeit geleitet sind - ein Grundsatz, der
das Gegensatzpaar von „for-profit“ und „non-profit“ weit übersteigt und stattdessen
soziale Zwecke zur Deckung der Kosten und zur Investition verfolgt. Des weiteren fordern
wir Evangelikalen dazu auf, die Einladung von Papst Benedikt anzunehmen, und zu prüfen,
wer in der Geschäftsleitung von Unternehmen sein sollte und was die moralische Bedeutung
von aufgenommenen Investitionen ist.
Wir hätten uns eine noch stärkere Kritik
der Enzyklika an der götzenhaften Überbewertung von Geld gewünscht und die sich daraus
ergebende gegenwärtige Dominanz der Finanzmärkte über andere Teile der Weltwirtschaft.
Wir
unterstützen die Aussage, dass sich eine Wirtschaft der Nächstenliebe dafür stark
machen sollte, unzähligen Menschen und Institutionen Raum zu geben - nicht nur Staat
und Markt, sondern auch Familien und vielen Beziehungen innerhalb der Zivilgesellschaft.
Es sind vor allem die internen Ressourcen der Kommunen, wie die von Bürgerinitiativen,
Gemeinderäten, Gewerkschaften, Kleinunternehmen und mehr, die den Ausbau von lokalen
Talenten und Ressourcen erleichtern.
Effektive Verwaltung und Beihilfen, die
die Entwicklung ankurbeln, erkennen jedoch, dass ihre eigenen Grenzen auch zum Weg
einer ganzheitlichen Entwicklung nötig sind. Die Herausforderung, Globalisierung
zu „vermenschlichen" oder zu „zivilisieren", bedeutet nicht unbedingt „mehr Staat".
Sie verlangt bessere Regierungsformen, Rechtsstaatlichkeit und nicht Machtpersonen;
die Entwicklung von starken Regierungseinrichtungen; die Wiederherstellung des Gleichgewichtes
zwischen konkurrierenden Interessen; die Ausrottung der Korruption. Ethische Globalisierung
fordert einen gerechteren und freieren Handel sowie die Förderung der erfolgreichen
Integration aller Armen der Welt in eine florierende Weltwirtschaft. Eine ethische
Globalisierung fordert von den evangelischen Kirchen überall, sich dem Ruf, die Wahrheit
in Liebe zu tun, zu stellen, wo wir doch Antwort auf den großen Auftrag geben wollen,
„alle Völker zu meinen Jüngern" zu machen. Die Enzyklika erkennt richtig, dass
Staaten ihre Pflicht, die Gerechtigkeit zu verfolgen und das Gemeinwohl in der globalen
Wirtschaftsordnung zu suchen, weder aufgeben dürfen noch darauf verzichten sollten. Wir
teilen die Sorge des Dokuments über den Verfall der Systeme der sozialen Sicherheit,
die schwindende Macht der Gewerkschaften und den Druck der sozial zerstörerischen
Mobilität unter Arbeitskräften. Aber wir teilen auch die Angst vor dem Wachstum eines
übermächtigen Wohlfahrtsstaates, der den sozialen und bürgerlichen Pluralismus degradiert..
So sind wir uns einig, dass an Subsidiarität und Solidarität gleichzeitig festgehalten
werden müssen, wie „Caritas in veritate“ es ja auch schlägt. Wir unterstützen
die Forderung nach besseren Modellen einer globalen Regierung, die sowohl finanzielle
als auch politische Rechte haben sollte, aber wir zögern, unkritisch die aktuellen
Modelle wie die von UNO, IWF, Weltbank und WTO zu übernehmen. Ein globales Gemeinwohl
zu unterstützen, ruft in der Tat nach einem politischen Handeln, das etwas sicherstellen
kann; aber auch neue Modelle der globalen Regierung müssen Teilhabe, Transparenz und
Rechenschaftspflicht gewährleisten sowie zur Stärkung des Nationalstaates beitragen,
was das Verhältnis zur Macht des globalen Finanzsystems angeht. Mit „Caritas in
veritate“ verpflichten wir uns, nicht zu „Opfern" der Globalisierung zu werden, sondern
als „Mitstreitern" für die weltweite Solidarität zu arbeiten - für wirtschaftliche
Gerechtigkeit und das Gemeinwohl als Normen, die weit über die Motive Gewinnabschöpfung
und technischer Fortschritt hinausgehen. Wir fordern einen ernsthaften Dialog zwischen
allen Christen und vielen anderen, um diese Ziele zur konkreten Wirklichkeit werden
zu lassen. Adel Abadeer, Associate Professor of Economics, Calvin College (Grand
Rapids, MI) Roy Berkenbosch, Director, Micah Center, King's University College
(Edmonton, AB) Elwil Beukes, Professor of Economics, The King's University College
(Edmonton, AB) Daniel K. Bourdanné, General Secretary, International Fellowship
of Evangelical Students (Oxford, UK) James Bradley, Professor of Mathematics &
Statistics Emeritus, Calvin College (Grand Rapids, MI) Paul Brink, Associate Professor
of Political Studies, Gordon College (Wenham, MA) Joe Carter, Web Editor, First
Things (Manassas, VA) Jonathan Chaplin, Director, Kirby Laing Institute for Christian
Ethics (Cambridge, UK) J. Daryl Charles, Director and Senior Fellow, Bryan Institute
for Critical Thought & Practice (Dayton, TN) Richard Cizik, President, The New
Evangelicals (Washington, DC) Bruce J. Clemenger, President, Evangelical Fellowship
of Canada (Markham, ON) Jean & E. Floyd Kvamme Professor of Political Economy,
Wheaton College (Wheaton, IL) Justin D. Cooper, President, Redeemer Adel AbadeerUniversity
College (Ancaster, ON) Paul R. Corts, President, Council for Christian Colleges
and Universities (Washington, DC) Janel Curry, Byker Chair in Christian Perspectives
on Political, Social, and Economic Thought, Calvin College (Grand Rapids, MI) Calvin
B. DeWitt, Professor of Environmental Studies, University of Wisconsin-Madison (Madison,
WI) Brian Dijkema, Labour Activist (Ottawa, ON) Joel Edwards, International
Director, Micah Challenge (London, UK) Jacob P. Ellens, Vice President, Academic,
Redeemer University College (Ancaster, ON) Bruce Ellis Benson, Professor of Philosophy,
Wheaton College (Wheaton, IL) Janet Epp Buckingham, Director, Laurentian Leadership
Centre (Ottawa, ON) James Featherby, Fellow, London Institute for Contemporary
Christianity (London, UK) Harry Fernhout, President, The King's University College
(Edmonton, AB) Brian T. Fikkert, Associate Professor of Economics & Community Development,
Covenant College (Lookout Mountain, GA) Richard L. Gathro, Dean, Nyack College
(Washington, DC) Ivy George, Professor of Sociology and Social Work, Gordon College
(Wenham, MA) Michael W. Goheen, Geneva Professor of Worldview and Religious Studies,
Trinity Western University (Langley, BC) Bob Goudzwaard, Emeritus Professor of
Economics and Cultural Philosophy, Free University of Amsterdam (Netherlands) Andy
Hartropp, Research Tutor in Development Studies, Oxford Centre for Mission Studies
(Oxford, UK) Peter S. Heslam, Transforming Business, University of Cambridge (Cambridge,
UK) John Hiemstra, Dean, Faculty of Social Science, The King's University College
(Edmonton, AB) Roland Hoksbergen, Professor of Economics and International Development,
Calvin College (Grand Rapids, MI) Dennis Hoover, Vice President for Research and
Publications, Institute for Global Engagement (Washington, DC) Robert Joustra,
Researcher, Cardus (Hamilton, ON) Timothy A. Kelly, Director, DePree Center Public
Policy Institute (Pasadena, CA) David T. Koyzis, Professor of Political Science,
Redeemer University College (Ancaster, ON) Tracy Kuperus, Associate Professor,
International Development Studies, Calvin College (Grand Rapids, MI) Jamie McIntosh,
Executive Director, International Justice Mission Canada (London, ON) Ruth Melkonian-Hoover,
Assistant Professor of Political Studies, Gordon College (Wenham, MA) George N.
Monsma, Jr., Professor of Economics, Emeritus, Calvin College (Grand Rapids, MI) Stephen
V. Monsma, Research Fellow, The Henry Institute, Calvin College (Grand Rapids, MI) Richard
Mouw, President, Fuller Theological Seminary (Pasadena, CA) Bryant L. Myers, Professor
of International Development, Fuller Theological Seminary (Pasadena, CA) David
K. Naugle, Professor of Philosophy, Dallas Baptist University (Dallas, TX) David
Neff, Editor in Chief, Christianity Today (Carol Stream, IL) Ray Pennings, Director
of Research, Cardus (Calgary, AB) Michael Pollitt, Reader in Business Economics,
Judge Business School, University of Cambridge (U.K.) Dan Postma, Managing Editor,
Comment Magazine (Hamilton, ON) Vinoth Ramachandra, Author, Subverting Global Myths
(Colombo, Sri Lanka) Jonathan S. Raymond, President, Trinity Western University
(Langley, BC) Paul W. Robinson, Director, Human Needs and Global Resources Program,
Wheaton College (Wheaton, IL) Duncan Roper, Former Professor of Mathematics, University
of Western Sydney (now resident of Martinborough, NZ) Michael Schluter, Chairman,
Relationships Foundation International (Cambridge, UK) Chris Seiple, President,
Institute for Global Engagement (Washington, DC) Timothy Sherratt, Professor of
Political Studies, Gordon College (Wenham, MA) Ronald J. Sider, President, Evangelicals
for Social Action (Philadelphia, PA) James W. Skillen, President, Center for Public
Justice (Washington, DC) John G. Stackhouse, Jr., Sangwoo Youtong Chee Professor
of Theology and Culture, Regent College (Vancouver, BC) Glen Harold Stassen, Lewis
B. Smedes Professor of Christian Ethics, Fuller Theological Seminary (Pasadena, CA) Elaine
Storkey, President, Tearfund (London, UK) Alan Storkey, Economist (Cambridge, UK) Gideon
Strauss, President (designate), Center for Public Justice (Washington, DC) Robert
Sweetman, Academic Dean and Acting President, Institute for Christian Studies (Toronto,
ON) Steven Timmermans, President, Trinity Christian College (Palos Heights, IL) Michael
Van Pelt, President, Cardus (Hamilton, ON) Jim Wallis, President, Sojourners (Washington,
DC) Alissa Wilkinson, Associate Editor, Comment Magazine (Brooklyn, NY) Paul
Williams, David Brown Family Chair of Marketplace Theology and Leadership, Regent
College (Vancouver, BC) July 27, 2009”