2009-08-29 11:25:21

Italien: Berlusconi, Bertone und der „Supermoralist“


Die Beziehungen zwischen der italienischen Regierung und dem Vatikan sind in einer Krise. Das ist die Auffassung zahlreicher Medien, die auf ihren Titelseiten über eine mutmaßliche Verstimmung zwischen „Oltretevere“ und „Palazzo Chigi“ berichten. In den letzten Wochen waren es vor allem die Behandlung illegaler Einwanderer und das Privatleben von Ministerpräsident Silvio Berlusconi, die für Kritik von italienischen Bischöfen und auch aus dem Vatikan sorgten.

Eigentlich hatte der Premier sich am Freitag Abend im Abruzzen-Hauptort L`Aquila mit dem vatikanischen Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone treffen wollen. Das wäre eine gute Gelegenheit gewesen, um etwaige Verstimmungen auszuräumen. Doch um – wie der Vatikan mitteilte – „Instrumentalisierungen“ zu vermeiden, wurde der Termin nur Stunden vorher abgesagt. Stattdessen traf sich Berlusconis Staatssekretär Gianni Letta mit der Nummer Zwei des Vatikans – zuwenig, um das Rauschen in Italiens Blätterwald zum Verstummen zu bringen.

Hintergrund der möglichen Entfremdung ist vor allem ein Streit um das neue römische Einwanderungsrecht. Bischöfe und Caritas werfen dem Gesetz vor, Ausländer zu kriminalisieren, statt eine Integrations-Perspektive aufzuzeigen. Da das Gesetz von Berlusconis Koalitionspartner, der „Lega Nord“ des Umberto Bossi, durchgesetzt worden war, reagierte vor allem die „Lega“ empfindlich auf die kirchliche Kritik. Mittlerweile deutet Bossi allerdings an, im Vatikan Gespräche über das Thema führen zu wollen.

Ein zweiter sensibler Punkt der Beziehungen sind die – angeblichen oder wirklichen – Skandale um Berlusconis Privatleben. Hier hatte unter anderem die bischöfliche Tageszeitung „Avvenire“ in den Chor der Kritiker eingestimmt. Die regierungsnahe Tageszeitung „Il Giornale“ ritt daraufhin am Freitag eine scharfe Attacke auf den Direktor der katholischen Zeitung, Dino Boffo; unter der Überschrift „Der Supermoralist“ wurde diesem vorgeworfen, einmal wegen Belästigung verurteilt worden zu sein. Eine Behauptung, die der Beschuldigte und die auch Italiens Bischöfe entrüstet zurückweisen. Die neue Aufregung übertonte am Freitag ein Interview mit Kardinal Bertone, in dem dieser sich durchaus versöhnlich in Richtung Regierung äußerte.

Nächster Termin in dem Tauziehen, das von großem medialem Getöse begleitet wird, ist nun der Besuch Benedikts XVI. in Viterbo. Dazu will auch Silvio Berlusconi anreisen. Die Medien werden genau beobachten, ob die beiden sich begegnen werden – und wenn ja, wie lange und wie herzlich. Eines macht an diesem Samstag der „L´Osservatore Romano“ ganz klar: Dem Vatikan ist an einer guten Beziehung zu Italiens Regierung gelegen. Und: Der Vatikan hält sich aus der Tagespolitik heraus.

(rv/avvenire/giornale/kna 29.08.2009 sk)








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