Italien: Berlusconi, Bertone und der „Supermoralist“
Die Beziehungen zwischen der italienischen Regierung und dem Vatikan sind in einer
Krise. Das ist die Auffassung zahlreicher Medien, die auf ihren Titelseiten über eine
mutmaßliche Verstimmung zwischen „Oltretevere“ und „Palazzo Chigi“ berichten. In den
letzten Wochen waren es vor allem die Behandlung illegaler Einwanderer und das Privatleben
von Ministerpräsident Silvio Berlusconi, die für Kritik von italienischen Bischöfen
und auch aus dem Vatikan sorgten.
Eigentlich hatte der Premier sich am Freitag
Abend im Abruzzen-Hauptort L`Aquila mit dem vatikanischen Kardinalstaatssekretär Tarcisio
Bertone treffen wollen. Das wäre eine gute Gelegenheit gewesen, um etwaige Verstimmungen
auszuräumen. Doch um – wie der Vatikan mitteilte – „Instrumentalisierungen“ zu vermeiden,
wurde der Termin nur Stunden vorher abgesagt. Stattdessen traf sich Berlusconis Staatssekretär
Gianni Letta mit der Nummer Zwei des Vatikans – zuwenig, um das Rauschen in Italiens
Blätterwald zum Verstummen zu bringen.
Hintergrund der möglichen Entfremdung
ist vor allem ein Streit um das neue römische Einwanderungsrecht. Bischöfe und Caritas
werfen dem Gesetz vor, Ausländer zu kriminalisieren, statt eine Integrations-Perspektive
aufzuzeigen. Da das Gesetz von Berlusconis Koalitionspartner, der „Lega Nord“ des
Umberto Bossi, durchgesetzt worden war, reagierte vor allem die „Lega“ empfindlich
auf die kirchliche Kritik. Mittlerweile deutet Bossi allerdings an, im Vatikan Gespräche
über das Thema führen zu wollen.
Ein zweiter sensibler Punkt der Beziehungen
sind die – angeblichen oder wirklichen – Skandale um Berlusconis Privatleben. Hier
hatte unter anderem die bischöfliche Tageszeitung „Avvenire“ in den Chor der Kritiker
eingestimmt. Die regierungsnahe Tageszeitung „Il Giornale“ ritt daraufhin am Freitag
eine scharfe Attacke auf den Direktor der katholischen Zeitung, Dino Boffo; unter
der Überschrift „Der Supermoralist“ wurde diesem vorgeworfen, einmal wegen Belästigung
verurteilt worden zu sein. Eine Behauptung, die der Beschuldigte und die auch Italiens
Bischöfe entrüstet zurückweisen. Die neue Aufregung übertonte am Freitag ein Interview
mit Kardinal Bertone, in dem dieser sich durchaus versöhnlich in Richtung Regierung
äußerte.
Nächster Termin in dem Tauziehen, das von großem medialem Getöse
begleitet wird, ist nun der Besuch Benedikts XVI. in Viterbo. Dazu will auch Silvio
Berlusconi anreisen. Die Medien werden genau beobachten, ob die beiden sich begegnen
werden – und wenn ja, wie lange und wie herzlich. Eines macht an diesem Samstag der
„L´Osservatore Romano“ ganz klar: Dem Vatikan ist an einer guten Beziehung zu Italiens
Regierung gelegen. Und: Der Vatikan hält sich aus der Tagespolitik heraus.