Schweiz: Das Bankgeheimnis und die katholische Soziallehre
Wie kann man mit Geld
ethisch korrekt umgehen? Das fragen sich derzeit viele Schweizer – und nicht nur –
im Zusammenhang mit der Zukunft des eidgenössischen Bankgeheimnisses. Zum Rollen gebracht
hat die Debatte der jüngste Schweizer Steuerstreit mit den USA.
Grundsätzlich
seien Geld und Ethik keine Gegensätze. Denn Geld sei an sich kein „Teufelswerk“, sagt
gegenüber Radio Vatikan der Generalsekretär der Schweizer Kommission „Justitia et
Pax“, Wolfgang Bürgstein. Er ist Theologe und Ökonom. Die internationale Staatengemeinschaft
müsse geeignete Rahmenbedingungen erarbeiten, so wie es im Übrigen Papst Benedikt
XVI. in seiner Sozialenzyklika fordert. Sind aber das Schweizer Bankgeheimnis und
die katholische Soziallehre überhaupt miteinander vereinbar? Dazu Bürgstein:
„Die
Antwort auf diese scheinbar einfache Frage kann nicht so einfach ausfallen. Denn es
gibt sehr unterschiedliche Prinzipien innerhalb der katholischen Soziallehre. Diese
Lehre kennt die Prinzipien der Personalität, der Solidarität und des Gemeinwohls.
Damit zeigt sich, welchen Spannungsbogen es gibt. Und unter diesen Prämissen muss
das Bankgeheimnis diskutiert werden.“
So gebe es durchaus positive Aspekte
des Bankgeheimnisses, meint der Generalsekretär der bischöflichen Kommission für Gerechtigkeit
und Frieden:
„Offiziell heißt es ja Schweizer Bankkundengeheimnis. Es schützt
also nicht die Bank, sondern es schützt den Kunden der Bank. Damit ist der Personenschutz
angesprochen. Die Frage ist aber, wie weit darf und soll dieser Schutz gehen. Wenn
man in die Vergangenheit zurückblickt, dann muss man auch zugeben, dass dieses Bankkundengeheimnis
das Vermögen von verfolgten jüdischen deutschen Bürgern geschützt hat. Sie konnten
ihr Vermögen sicher in die Schweiz bringen. Aus dieser Perspektive sind der Personenschutz
und die Würde der Person ein starkes Argument.“
Dennoch könne man die negativen
Seiten des Bankgeheimnisses aus katholischer Sicht nicht außerachtlassen. Bürgstein:
„Denken
wir dabei an die verschiedenen Machthaber, die in der Öffentlichkeit im Gespräch waren,
weil sie ihre dubiosen Gelder in der Schweiz lagerten. Das Thema Geldwäsche ist ein
Argument, um zu sagen, dass das Bankgeheimnis mit der katholischen Soziallehre nicht
kompatibel ist. Die katholische Soziallehre sucht nämlich ein ausgewogenes Verhältnis
zwischen Person und Gemeinwohl.“
Auch der deutsche Finanzminister übte
jüngst Kritik an der Steueroase Schweiz. Das Alpenland biete günstige Bedingungen
für Steuerhinterziehung und sei nur bei nachgewiesenem Steuerbetrug zur Zusammenarbeit
bereit, so die Kritik aus Deutschland. Bürgstein:
„Bei dieser Auseinandersetzung
mit und gegen die Schweiz herrscht sehr viel Scheinheiligkeit, und es sind politische
Strategien mit im Spiel. Dies gilt besonders dann, wenn in anderen Ländern Wahlen
anstehen oder sie selber innerhalb ihrer Staatenverbünde wie der EU am Pranger stehen.
Ich denke schon, dass all diese Fragen einer ethischen Antwort bedürfen. Das ist sogar
dringend nötig. Beim Umgang mit dem Geld muss die Schweiz natürlich heute und in Zukunft
die eigentlich nicht nachvollziehbare Unterscheidung von Steuerhinterziehung und Steuerbetrug
erklären.“