2009-08-22 11:47:54

Die Sonntagsbetrachtung: Viele Jünger zogen sich zurück


Die Rede Jesu über das lebendige Brot, das er der Welt geben will, ist für die Jünger eine Offenbarung und zugleich eine Glaubensprobe. Sie müssen sich entscheiden. Jesus nimmt nichts zurück. Er gibt aber den Jüngern und uns zu verstehen, dass Menschwerdung, Kreuzesopfer und Himmelfahrt (Verherrlichung) die drei Stationen des einen Christusgeheimnisses sind und dass im „Brot des Lebens“ der ganze Christus gegenwärtig ist – für uns: seine Menschheit, sein Opfer, seine göttliche Herrlichkeit. Unsere Glaubensentscheidung gilt der ganzen Wahrheit und Wirklichkeit Christi.
 
Lesen Sie hier das Sonntagsevangelium und anschliessend die Betrachtung von Fritz Lobinger

(rv/schott 22.08.2009 mg)

EVANGELIUM Joh 6, 60-69
Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens
+ Aus dem heiligen Evangelium nach Johannes
60 Nachdem sie die Botschaft Jesu gehoert hatten, sagten viele seiner Jünger: Was er sagt, ist unerträglich. Wer kann das anhören?
61 Jesus erkannte, dass seine Jünger darüber murrten, und fragte sie: Daran nehmt ihr Anstoß?
62 Was werdet ihr sagen, wenn ihr den Menschensohn hinaufsteigen seht, dorthin, wo er vorher war?
63 Der Geist ist es, der lebendig macht; das Fleisch nützt nichts. Die Worte, die ich zu euch gesprochen habe, sind Geist und sind Leben.
64 Aber es gibt unter euch einige, die nicht glauben. Jesus wusste nämlich von Anfang an, welche es waren, die nicht glaubten, und wer ihn verraten würde.
7,46
65 Und er sagte: Deshalb habe ich zu euch gesagt: Niemand kann zu mir kommen, wenn es ihm nicht vom Vater gegeben ist.
66 Daraufhin zogen sich viele Jünger zurück und wanderten nicht mehr mit ihm umher.
67 Da fragte Jesus die Zwölf: Wollt auch ihr weggehen?
68 Simon Petrus antwortete ihm: Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens.69 Wir sind zum Glauben gekommen und haben erkannt: Du bist der Heilige Gottes.


Liebe Zuhörer, liebe Schwestern und Brüder,

Viele der Jünger Jesu zogen sich von ihm zurück, als sie die Botschaft hörten vom Brot des Lebens das er selber ist, die Botschaft vom Essen und Trinken seines Leibes und Blutes. Sie zogen sich zurück. Und obwohl sie schon lange Zeit ihm überall hin gefolgt waren, obwohl sie schon überall bekannt waren als Leute die zu ihm gehören, blieben sie jetzt weg.

Wenn wir das heute, in unseren Tagen, hören, dann denken wir unvermittelt daran, dass etwas ähnliches auch in unserer Zeit geschieht. In diesen Jahrzehnten sind es nicht nur Tausende, es sind Millionen, die zwar als Christen getauft sind, und die lange Zeit am Leben der Kirche teilgenommen hatten, die sich aber heute vom Glaubensleben zurückziehen.
Es gibt dabei einige Unterschiede. In Afrika wenden sie sich von der katholischen Kirche und von protestantischen Kirchen ab, um sich den Tausenden von verschiedenen Sekten anzuschließen. In Lateinamerika, wo ja vor Jahrzehnten noch fast alles katholisch war, schließen sich große Zahlen den Pfingstkirchen an. In Europa ziehen sich Millionen von der Katholischen Kirche und von den anderen Kirchen zurück und leben ohne Religion.

Diese Welle der Abwendung ist so riesengroß, dass sie uns unvermeidlich in den Sinn kommt, wenn wir diesen Abschnitt aus dem sechsten Kapitel des Johannesevangeliums hören.

Wir wissen natürlich sofort, dass da ein Unterschied besteht zwischen der Abwendung von der damaligen Jesuspredigt und der heutigen Abwendung von den großen Kirchen. Aber es bleibt eben eine große Ähnlichkeit.

Was mich beim Hören dieses Textes berührt, das ist die Antwort des Petrus, als Jesus die Zwoelf fragt: “Wollt auch ihre weggehen?” Da antwortet Petrus nicht: “Wir gehen auf keinen Fall weg, denn wir haben vollständig verstanden was Deine Botschaft bedeutet. Wir sind uns absolut klar, dass Deine Botschaft die volle und einzige Wahrheit ist. Wir bleiben deshalb bei Dir.” Nein, die Antwort des Petrus ist ganz anders. Sie ist sehr bescheiden. Sie ist fast halbherzig. Er sagt: “Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens. Wir sind zum Glauben gekommen und haben erkannt: Du bist der Heilige Gottes.”

Für mich klingt das so als ob Petrus sagen will: “Wir bleiben bei Dir, auch wenn wir noch offene Fragen haben die wir gar nicht in Worten ausdrücken können. Völlig schlüssige Beweise werden wir nie haben. Offene Fragen werden immer bleiben. Wir können nicht alles vollständig durchschauen. Auch wenn wir nicht alles verstehen - bei Dir spüren wir zumindest, dass Gott zu uns spricht. Und deshalb bleiben wir bei Dir.”

Mit tut diese Antwort des Petrus wohl, weil es mir selber so geht.

Ich habe diese Antwort des Petrus auch deshalb gern, weil sie mir hilft jene ein wenig zu verstehen, die damals weg gingen und die heute weg gehen. Genau so wie Petrus sich nicht absolut klar war warum er bei Jesus blieb, so waren auch jene anderen sich nicht absolut klar warum sie weg gingen. Strikte Beweise hatte weder Petrus, noch jene die weg gingen.

Vermutlich hat auch Jesus von dieser Unsicherheit gewusst. Er hat ja später für seine Henker gebetet und gesagt: “Vater verzeih ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun.” Auch Pilatus hat vermutlich nicht absolut genau gewusst warum er das Todesurteil fällte. Und Kaiphas auch nicht, und Herodes auch nicht, vielleicht sogar Judas nicht.

Ich war vor ein paar Tagen am Meer, am Indischen Ozean bei Durban. Zufällig kam ich gerade zu der Zeit als eine Gruppe von etwa zwanzig am Ufer stand, in weißen Gewändern. Sie warteten darauf, durch Untertauchen getauft zu werden. Ein Teil von ihnen war vermutlich katholisch gewesen. Sie waren schon getauft. Sie hatten schon viele Jahre die Sakramente empfangen. Jetzt hatten sie sich einer Sekte angeschlossen. Vermutlich weil ihnen versprochen worden war, nun würden sie nicht mehr krank werden oder sie würden nun großes Glück haben und Arbeit finden. Absolut klar war ihnen vermutlich nicht, was dieser Schritt bedeutet.

Noch etwas geht uns durch den Sinn, wenn wir solche Gruppen sehen die sich zurück ziehen und sich wo anders anschließen. Ich muss auf mich selber schauen und muss mir unwillkürlich sagen: vielleicht hätten sich jene nicht von uns abgewandt, wenn sie sich bei uns besser zuhause gefühlt hätten. Hatten sie vielleicht bei uns keine Chance ihre Talente, ihre Charismen, auszugeben? Waren unsere Gottesdienste vielleicht zu starr? Zu anonym? Zu altmodisch? Oder zu modern? Hatten sie zu wenig mitzureden bei uns? Haben sie zu viele skandalöse Fehler erleben müssen bei uns?

Hier liegt natürlich ein großer Unterschied zu damals. Denn damals konnte der Fehler sicher nur auf einer Seite liegen, nicht auf der Seite Jesu. Heute müssen wir immer eingestehen, dass der Fehler sehr wahrscheinlich auf beiden Seiten liegen wird.

Gott sei Dank sind wir in den letzten Jahrzehnten etwas demütiger geworden. Papst Paul VI hat die von uns getrennten Kirchen offen um Verzeihung gebeten für die Fehler die zur Kirchenspaltung beigetragen haben. Papst Johannes Paul II hat zur Milleniumswende wiederum unsere Fehler eingestanden und um Verzeihung gebeten. Und wir können heute in allen Veröffentlichungen immer wieder lesen, dass wir einsehen, wie oft wir dazu beigetragen haben, dass Einzelne oder ganze Gruppen sich von uns getrennt haben.

Wir sind auch dankbar dafür, dass heutzutage eine große Bereitschaft da ist, in vielen Teilen der Erde, nach Wegen zu suchen um solche schmerzhafte Trennungen zu vermeiden. In Afrika haben wir gelernt, wie schmerzhaft es für Afrikaner sein muss, das Leben der Kirche als fremdartig zu erfahren. Vor allem unser Sonntagsgottesdienst war früher recht fremdartig, europäisch, steif, auf den Priester beschränkt. Heute ist das ganz anders. Heute kommt man als Fremder in eine Messfeier in Afrika und meint zunächst, das sei gar kein katholischer Gottesdienst. Erst nach einiger Zeit merkt man das die Struktur der Feier genau die gleiche ist wie in der ganzen Welt, aber die Atmosphäre ist völlig afrikanisch. Wegen Fremdartigkeit der Liturgie braucht sich heute niemand mehr von uns trennen in Afrika.

Ähnlich ist es mit Heilungsgottesdiensten. Es war ja oft genau die Sehnsucht nach Heilungsgottesdiensten, die viele Leute weg von der Kirche und zu den Sekten geführt hatte. Heute haben die meisten katholischen Pfarreien regelmäßige große Heilungsgottesdienste. Da werden allen die nach vorne kommen, die Hände aufgelegt. Da werden Dutzende, ja hunderte Kranke gesalbt, auch jene, die zwar krank sind aber noch selber zur Kirche kommen können. Und bei den Gottesdiensten ist es nicht mehr der Priester allein der den Ritus vollzieht. Zum spontanen Gebet sind oft alle eingeladen. Und es sind mehrere die beim Gottesdienst ein Wort an die Gemeinde richten können. Der Sonntagsgottesdienst ist Sache der ganzen Gemeinde geworden. Niemand braucht heutzutage deshalb wegbleiben weil er nicht aktiv teilnehmen kann.

Aber auch nach all diesen Anstrengungen und Verbesserungen wird es immer noch das geben, was in Kapitel sechs des Johannesevangeliums berichtet wird. Es wird immer noch allertiefste Gründe geben warum jemand sich zurück zieht vom Kreis der Jünger.

Es wird immer wieder Stunden geben wo wir uns fühlen wie Petrus, als er gefragt wurde: wirst du bleiben - Oder willst Du gehen? Wir beten deshalb heute: Vater, wir wissen dass wir nur zu Dir kommen können wenn Du uns ziehst. Vater, zieh uns zu Dir!

Mgr Fritz Lobinger







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