Die Sonntagsbetrachtung: Viele Jünger zogen sich zurück
Die Rede Jesu über das lebendige Brot, das er der Welt geben will, ist für die Jünger
eine Offenbarung und zugleich eine Glaubensprobe. Sie müssen sich entscheiden. Jesus
nimmt nichts zurück. Er gibt aber den Jüngern und uns zu verstehen, dass Menschwerdung,
Kreuzesopfer und Himmelfahrt (Verherrlichung) die drei Stationen des einen Christusgeheimnisses
sind und dass im „Brot des Lebens“ der ganze Christus gegenwärtig ist – für uns: seine
Menschheit, sein Opfer, seine göttliche Herrlichkeit. Unsere Glaubensentscheidung
gilt der ganzen Wahrheit und Wirklichkeit Christi. Lesen Sie hier
das Sonntagsevangelium und anschliessend die Betrachtung von Fritz Lobinger
(rv/schott
22.08.2009 mg)
EVANGELIUM Joh 6, 60-69 Herr, zu wem sollen
wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens + Aus dem heiligen Evangelium
nach Johannes 60 Nachdem sie die Botschaft Jesu gehoert hatten, sagten viele seiner
Jünger: Was er sagt, ist unerträglich. Wer kann das anhören? 61 Jesus erkannte,
dass seine Jünger darüber murrten, und fragte sie: Daran nehmt ihr Anstoß? 62 Was
werdet ihr sagen, wenn ihr den Menschensohn hinaufsteigen seht, dorthin, wo er vorher
war? 63 Der Geist ist es, der lebendig macht; das Fleisch nützt nichts. Die Worte,
die ich zu euch gesprochen habe, sind Geist und sind Leben. 64 Aber es gibt unter
euch einige, die nicht glauben. Jesus wusste nämlich von Anfang an, welche es waren,
die nicht glaubten, und wer ihn verraten würde. 7,46 65 Und er sagte: Deshalb
habe ich zu euch gesagt: Niemand kann zu mir kommen, wenn es ihm nicht vom Vater gegeben
ist. 66 Daraufhin zogen sich viele Jünger zurück und wanderten nicht mehr mit ihm
umher. 67 Da fragte Jesus die Zwölf: Wollt auch ihr weggehen? 68 Simon Petrus
antwortete ihm: Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens.69
Wir sind zum Glauben gekommen und haben erkannt: Du bist der Heilige Gottes.
Liebe
Zuhörer, liebe Schwestern und Brüder,
Viele der Jünger Jesu zogen sich von
ihm zurück, als sie die Botschaft hörten vom Brot des Lebens das er selber ist, die
Botschaft vom Essen und Trinken seines Leibes und Blutes. Sie zogen sich zurück. Und
obwohl sie schon lange Zeit ihm überall hin gefolgt waren, obwohl sie schon überall
bekannt waren als Leute die zu ihm gehören, blieben sie jetzt weg.
Wenn wir
das heute, in unseren Tagen, hören, dann denken wir unvermittelt daran, dass etwas
ähnliches auch in unserer Zeit geschieht. In diesen Jahrzehnten sind es nicht nur
Tausende, es sind Millionen, die zwar als Christen getauft sind, und die lange Zeit
am Leben der Kirche teilgenommen hatten, die sich aber heute vom Glaubensleben zurückziehen.
Es gibt dabei einige Unterschiede. In Afrika wenden sie sich von der katholischen
Kirche und von protestantischen Kirchen ab, um sich den Tausenden von verschiedenen
Sekten anzuschließen. In Lateinamerika, wo ja vor Jahrzehnten noch fast alles katholisch
war, schließen sich große Zahlen den Pfingstkirchen an. In Europa ziehen sich Millionen
von der Katholischen Kirche und von den anderen Kirchen zurück und leben ohne Religion.
Diese Welle der Abwendung ist so riesengroß, dass sie uns unvermeidlich in
den Sinn kommt, wenn wir diesen Abschnitt aus dem sechsten Kapitel des Johannesevangeliums
hören.
Wir wissen natürlich sofort, dass da ein Unterschied besteht zwischen
der Abwendung von der damaligen Jesuspredigt und der heutigen Abwendung von den großen
Kirchen. Aber es bleibt eben eine große Ähnlichkeit.
Was mich beim Hören dieses
Textes berührt, das ist die Antwort des Petrus, als Jesus die Zwoelf fragt: “Wollt
auch ihre weggehen?” Da antwortet Petrus nicht: “Wir gehen auf keinen Fall weg, denn
wir haben vollständig verstanden was Deine Botschaft bedeutet. Wir sind uns absolut
klar, dass Deine Botschaft die volle und einzige Wahrheit ist. Wir bleiben deshalb
bei Dir.” Nein, die Antwort des Petrus ist ganz anders. Sie ist sehr bescheiden.
Sie ist fast halbherzig. Er sagt: “Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des
ewigen Lebens. Wir sind zum Glauben gekommen und haben erkannt: Du bist der Heilige
Gottes.”
Für mich klingt das so als ob Petrus sagen will: “Wir bleiben bei
Dir, auch wenn wir noch offene Fragen haben die wir gar nicht in Worten ausdrücken
können. Völlig schlüssige Beweise werden wir nie haben. Offene Fragen werden immer
bleiben. Wir können nicht alles vollständig durchschauen. Auch wenn wir nicht alles
verstehen - bei Dir spüren wir zumindest, dass Gott zu uns spricht. Und deshalb bleiben
wir bei Dir.”
Mit tut diese Antwort des Petrus wohl, weil es mir selber so
geht.
Ich habe diese Antwort des Petrus auch deshalb gern, weil sie mir hilft
jene ein wenig zu verstehen, die damals weg gingen und die heute weg gehen. Genau
so wie Petrus sich nicht absolut klar war warum er bei Jesus blieb, so waren auch
jene anderen sich nicht absolut klar warum sie weg gingen. Strikte Beweise hatte weder
Petrus, noch jene die weg gingen.
Vermutlich hat auch Jesus von dieser Unsicherheit
gewusst. Er hat ja später für seine Henker gebetet und gesagt: “Vater verzeih ihnen,
denn sie wissen nicht was sie tun.” Auch Pilatus hat vermutlich nicht absolut genau
gewusst warum er das Todesurteil fällte. Und Kaiphas auch nicht, und Herodes auch
nicht, vielleicht sogar Judas nicht.
Ich war vor ein paar Tagen am Meer, am
Indischen Ozean bei Durban. Zufällig kam ich gerade zu der Zeit als eine Gruppe von
etwa zwanzig am Ufer stand, in weißen Gewändern. Sie warteten darauf, durch Untertauchen
getauft zu werden. Ein Teil von ihnen war vermutlich katholisch gewesen. Sie waren
schon getauft. Sie hatten schon viele Jahre die Sakramente empfangen. Jetzt hatten
sie sich einer Sekte angeschlossen. Vermutlich weil ihnen versprochen worden war,
nun würden sie nicht mehr krank werden oder sie würden nun großes Glück haben und
Arbeit finden. Absolut klar war ihnen vermutlich nicht, was dieser Schritt bedeutet.
Noch etwas geht uns durch den Sinn, wenn wir solche Gruppen sehen die sich
zurück ziehen und sich wo anders anschließen. Ich muss auf mich selber schauen und
muss mir unwillkürlich sagen: vielleicht hätten sich jene nicht von uns abgewandt,
wenn sie sich bei uns besser zuhause gefühlt hätten. Hatten sie vielleicht bei uns
keine Chance ihre Talente, ihre Charismen, auszugeben? Waren unsere Gottesdienste
vielleicht zu starr? Zu anonym? Zu altmodisch? Oder zu modern? Hatten sie zu wenig
mitzureden bei uns? Haben sie zu viele skandalöse Fehler erleben müssen bei uns?
Hier liegt natürlich ein großer Unterschied zu damals. Denn damals konnte
der Fehler sicher nur auf einer Seite liegen, nicht auf der Seite Jesu. Heute müssen
wir immer eingestehen, dass der Fehler sehr wahrscheinlich auf beiden Seiten liegen
wird.
Gott sei Dank sind wir in den letzten Jahrzehnten etwas demütiger geworden.
Papst Paul VI hat die von uns getrennten Kirchen offen um Verzeihung gebeten für die
Fehler die zur Kirchenspaltung beigetragen haben. Papst Johannes Paul II hat zur Milleniumswende
wiederum unsere Fehler eingestanden und um Verzeihung gebeten. Und wir können heute
in allen Veröffentlichungen immer wieder lesen, dass wir einsehen, wie oft wir dazu
beigetragen haben, dass Einzelne oder ganze Gruppen sich von uns getrennt haben.
Wir
sind auch dankbar dafür, dass heutzutage eine große Bereitschaft da ist, in vielen
Teilen der Erde, nach Wegen zu suchen um solche schmerzhafte Trennungen zu vermeiden.
In Afrika haben wir gelernt, wie schmerzhaft es für Afrikaner sein muss, das Leben
der Kirche als fremdartig zu erfahren. Vor allem unser Sonntagsgottesdienst war früher
recht fremdartig, europäisch, steif, auf den Priester beschränkt. Heute ist das ganz
anders. Heute kommt man als Fremder in eine Messfeier in Afrika und meint zunächst,
das sei gar kein katholischer Gottesdienst. Erst nach einiger Zeit merkt man das die
Struktur der Feier genau die gleiche ist wie in der ganzen Welt, aber die Atmosphäre
ist völlig afrikanisch. Wegen Fremdartigkeit der Liturgie braucht sich heute niemand
mehr von uns trennen in Afrika.
Ähnlich ist es mit Heilungsgottesdiensten.
Es war ja oft genau die Sehnsucht nach Heilungsgottesdiensten, die viele Leute weg
von der Kirche und zu den Sekten geführt hatte. Heute haben die meisten katholischen
Pfarreien regelmäßige große Heilungsgottesdienste. Da werden allen die nach vorne
kommen, die Hände aufgelegt. Da werden Dutzende, ja hunderte Kranke gesalbt, auch
jene, die zwar krank sind aber noch selber zur Kirche kommen können. Und bei den Gottesdiensten
ist es nicht mehr der Priester allein der den Ritus vollzieht. Zum spontanen Gebet
sind oft alle eingeladen. Und es sind mehrere die beim Gottesdienst ein Wort an die
Gemeinde richten können. Der Sonntagsgottesdienst ist Sache der ganzen Gemeinde geworden.
Niemand braucht heutzutage deshalb wegbleiben weil er nicht aktiv teilnehmen kann.
Aber auch nach all diesen Anstrengungen und Verbesserungen wird es immer noch
das geben, was in Kapitel sechs des Johannesevangeliums berichtet wird. Es wird immer
noch allertiefste Gründe geben warum jemand sich zurück zieht vom Kreis der Jünger.
Es wird immer wieder Stunden geben wo wir uns fühlen wie Petrus, als er gefragt
wurde: wirst du bleiben - Oder willst Du gehen? Wir beten deshalb heute: Vater, wir
wissen dass wir nur zu Dir kommen können wenn Du uns ziehst. Vater, zieh uns zu Dir!