Sie sind da für rund
500 Menschen in Ravensburg, deren Leben an einer Kilometer langen Mauer endet: Die
Seelsorger der Justizvollzugsanstalt in Ravensburg. Die beiden Männer gewähren den
Häftlingen Vertrauen und Zuspruch, schlichten Streit und haben ein offenes Ohr. Jochen
Pfrommer und Konrad Widmann, die katholischen und evangelischen Seelsorger, begegnen
Mördern und anderen Gewaltverbrechern, Drogendealern, Dieben, Sexualstraftäter oder
Wirtschaftskriminellen. Eine Arbeit an einem ungewöhnlichen Ort der Seelsorge. Hedwig
Wieland und Helmut Lechner haben die Seelsorger besucht:
Seelsorger Jürgen
Pfrommer weist uns mit seinem großen Schlüsselbund den Weg in eine andere Welt. Die
Welt hinter Schloss und Riegel, eine Welt mit Gitterstäben, langen und leeren Gängen,
bedrückender Stille, manchmal unterbrochen von schrillen Schreien streitender Häftlinge.
Über 200 Mitarbeiter sind für die Versorgung und Betreuung der rund 500 Häftlinge
zuständig, Menschen mit völlig unterschiedlicher Herkunft, meint der evangelische
Pastor: „Das sind Gefangene aus 40 Nationen. Eine wahrlich babylonische Völker-
und Religionsfülle. Und für diese Gefangenen sind wir, mein Kollege und ich, zuständig.“ Zur
seelsorgerischen Aufgabe gehören auch Einzel- und Grupperngespräche, zum Beispiel
wenn die Gefangenene Probleme haben.Vor allem die Gespräche sollen den Insassen der
Haftanstalt helfen, mit ihrem Leben umzugehen. Vielleicht auch über ihre Tat zu sprechen,
meint der katholische Pastoralreferent Konrad Widmann. „Und dann kann es sein,
dass der Gefabnfene nach dem Gespräch sagt, Herr Widmann, das war doch jetzt eine
Beichte. Dann möchte ich ihm da nicht widersprechen. Und ich denke: Da gibt es verschiedene
Möglichkeiten: da ist eine Form, im Gebet Gott um Vergebung zu bitten. Aber wenn er
darauf besteht, das Sakrament der Buße möchte, dann nehme ich Kontakt auf mit einem
Pfarrer hier aus der Kirchengemeinde. Der kommt dann hier hereinn und nimmt das Bußsakarament
ab.“ „Es ist ein großes Plus im Vollzug. Der Gefangene darf davon ausgehen,
dass alles, was uns gegenüber benannt wird, dann auch bei uns bleibt und keine weiteren
Kreise zieht", fügt Jochen Pfrommer hinzu. Widmann und Pfrommer arbeiiten eng
zusammen. Ihr Angebot wird gerne angenommen, sagen sie. Und Gespräche über Gott, die
gibt es durchaus auch. Zum Beipiel mit einem Mann, nennen wir ihn Thomas S., der derzeit
in Untersuchungshaft sitzt wegen Wirtschaftskriminalität. „Ja ich habe eine
Beziehung mit Gott. Ja, ich bin auch gläubig, ja sogar sehr gläubig. Und der Glaube
hier drin an Gott gibt mir auch viel Kraft, das ganze durchzustehen.“ Von jenen
Häftlingen gibt es immer wieder welche, erzählt Pastoralreferent Widmann. „Die
einfach die Frage stellen, wie geht es mit meiner eigenen Identität weiter. Mit meiner
eigenen Persönlichkeit. Manchmal habe ich das Gefühl, dass Gefangene in dieser besonderen
Situation eher die Frage wieder nach Gott stellen, die sie vielleicht vorher über
Jahre hinweg nicht gestellt haben.“ „Und vielfach ist es auch wichtig, dass
Gefangene sich auch in Opfer hineinversetzen können. Also man muss anchmal auch mithelfen,
so etwas wie Opferempathie zu empfinden, was es für die gegenüber liegende Sete bedeutet
– diese Straftat.“ Ideal ist es natürlich, wenn Täter sogar den Kontakt zu
Opfern suchen. Oft kommt das nicht vor. Aber es passiert. „Zum Beispiel einen
Brief an das Opfer zu schreiben. Das gehört mit zu unserer Aufgabe, dass wir mit Rat
und Tat zur Seite stehen. Und die Häftlinge auf diesem Weg begleiten. Natürlich gibt
es auch Opfer, die diesen Kontakt einfach nicht mehr wollen. Das kann dann eine sehr
große Enttäuschung sein. Aber ich habe das auch schon erlebt, dass dann ein Kontakt
zumindest brieflich mit Opfern gelingen kann.“ Doch was ist mit der Gewalt
im Knast?. Davon hört man immer wieder. Häftlinge prügeln sich, setzen andere unter
Druck, denunzieren sie. Machen jene Strafgefangene vor den Seelsorgern Halt oder verschwindet
der Respekt im Zorn? „Also ich empfinde keine Angst, wenn ich die Anstalt betrete.
Es ist auch noch nie etwas vorgefallen. Ich habe den Eindruck, dass wir beide den
Sträflingen, Häftlingen hier eher „Gutes“ tun und von daher mit großem Respekt behandelt
werden. Wobei so ein gewisses Risiko muss man trotzdem immer im Hinterkopf behalten.“ Jochen
Pfrommer und Konrad Widmann haben in der JVA Hinzistobel eine 100 Prozent Stelle.
Eine Gemeinde außerhalb betreuen sie nicht. Vorträge über das Leben und die Seelsorge
im Gefängnis halten sie aber doch. Da kommen immer wieder Anfragen von Firmen und
Schulen, sagt Konrad Widmann: „Und es geht auch darum, den jesuanischen Auftrag
der Bibel in die Gemeinden hineinzutragen: Ich war im Gefängnis und ihr habt mich
besucht. Oder wie es im Hebräer Brief steht: Denkt an die Gefangenen als wärt ihr
selber mitgefangen.“ Sicher, einfach ist die Arbeit nicht immer. Und alle Insassen
der Justizvollzugsanstalt in Ravensburg auf den rechten Weg bringen, können die Seelsorger
freilich nicht. Aber wenn nur einer der Häftlinge ein neues Leben beginnt, ist das
Lohn genug. Allein schon der Wille umzudenken, ist die Arbeit wert, meinen die Seelsorger. Häftling
Thomas S. jedenfalls hat ihn: „Ich werde auf jeden Fall versuchen, nicht mehr
in dei Mühlen der Justiz zu kommen. Oftmals macht man Sachen draußen im Leben, die
einem gar nicht so bewußt sind und was Konsequenzen sie haben können oder dass es
Straftaten sein könnten. Und da werde ich mit Sicherheit anders an viele Dinge rangehen.“ Jochen
Pfrommer und Konrad Widmann werden ihm dabei helfen.