2009-08-21 17:16:22

Deutschland: Seelsorge hinter Gittern


RealAudioMP3 Sie sind da für rund 500 Menschen in Ravensburg, deren Leben an einer Kilometer langen Mauer endet: Die Seelsorger der Justizvollzugsanstalt in Ravensburg. Die beiden Männer gewähren den Häftlingen Vertrauen und Zuspruch, schlichten Streit und haben ein offenes Ohr. Jochen Pfrommer und Konrad Widmann, die katholischen und evangelischen Seelsorger, begegnen Mördern und anderen Gewaltverbrechern, Drogendealern, Dieben, Sexualstraftäter oder Wirtschaftskriminellen. Eine Arbeit an einem ungewöhnlichen Ort der Seelsorge. Hedwig Wieland und Helmut Lechner haben die Seelsorger besucht:


Seelsorger Jürgen Pfrommer weist uns mit seinem großen Schlüsselbund den Weg in eine andere Welt. Die Welt hinter Schloss und Riegel, eine Welt mit Gitterstäben, langen und leeren Gängen, bedrückender Stille, manchmal unterbrochen von schrillen Schreien streitender Häftlinge. Über 200 Mitarbeiter sind für die Versorgung und Betreuung der rund 500 Häftlinge zuständig, Menschen mit völlig unterschiedlicher Herkunft, meint der evangelische Pastor:
„Das sind Gefangene aus 40 Nationen. Eine wahrlich babylonische Völker- und Religionsfülle. Und für diese Gefangenen sind wir, mein Kollege und ich, zuständig.“
Zur seelsorgerischen Aufgabe gehören auch Einzel- und Grupperngespräche, zum Beispiel wenn die Gefangenene Probleme haben.Vor allem die Gespräche sollen den Insassen der Haftanstalt helfen, mit ihrem Leben umzugehen. Vielleicht auch über ihre Tat zu sprechen, meint der katholische Pastoralreferent Konrad Widmann.
„Und dann kann es sein, dass der Gefabnfene nach dem Gespräch sagt, Herr Widmann, das war doch jetzt eine Beichte. Dann möchte ich ihm da nicht widersprechen. Und ich denke: Da gibt es verschiedene Möglichkeiten: da ist eine Form, im Gebet Gott um Vergebung zu bitten. Aber wenn er darauf besteht, das Sakrament der Buße möchte, dann nehme ich Kontakt auf mit einem Pfarrer hier aus der Kirchengemeinde. Der kommt dann hier hereinn und nimmt das Bußsakarament ab.“
„Es ist ein großes Plus im Vollzug. Der Gefangene darf davon ausgehen, dass alles, was uns gegenüber benannt wird, dann auch bei uns bleibt und keine weiteren Kreise zieht",
fügt Jochen Pfrommer hinzu. Widmann und Pfrommer arbeiiten eng zusammen. Ihr Angebot wird gerne angenommen, sagen sie. Und Gespräche über Gott, die gibt es durchaus auch. Zum Beipiel mit einem Mann, nennen wir ihn Thomas S., der derzeit in Untersuchungshaft sitzt wegen Wirtschaftskriminalität.
„Ja ich habe eine Beziehung mit Gott. Ja, ich bin auch gläubig, ja sogar sehr gläubig. Und der Glaube hier drin an Gott gibt mir auch viel Kraft, das ganze durchzustehen.“
Von jenen Häftlingen gibt es immer wieder welche, erzählt Pastoralreferent Widmann.
Die einfach die Frage stellen, wie geht es mit meiner eigenen Identität weiter. Mit meiner eigenen Persönlichkeit. Manchmal habe ich das Gefühl, dass Gefangene in dieser besonderen Situation eher die Frage wieder nach Gott stellen, die sie vielleicht vorher über Jahre hinweg nicht gestellt haben.“
„Und vielfach ist es auch wichtig, dass Gefangene sich auch in Opfer hineinversetzen können. Also man muss anchmal auch mithelfen, so etwas wie Opferempathie zu empfinden, was es für die gegenüber liegende Sete bedeutet – diese Straftat.“
Ideal ist es natürlich, wenn Täter sogar den Kontakt zu Opfern suchen. Oft kommt das nicht vor. Aber es passiert.
„Zum Beispiel einen Brief an das Opfer zu schreiben. Das gehört mit zu unserer Aufgabe, dass wir mit Rat und Tat zur Seite stehen. Und die Häftlinge auf diesem Weg begleiten. Natürlich gibt es auch Opfer, die diesen Kontakt einfach nicht mehr wollen. Das kann dann eine sehr große Enttäuschung sein. Aber ich habe das auch schon erlebt, dass dann ein Kontakt zumindest brieflich mit Opfern gelingen kann.“
Doch was ist mit der Gewalt im Knast?. Davon hört man immer wieder. Häftlinge prügeln sich, setzen andere unter Druck, denunzieren sie. Machen jene Strafgefangene vor den Seelsorgern Halt oder verschwindet der Respekt im Zorn?
„Also ich empfinde keine Angst, wenn ich die Anstalt betrete. Es ist auch noch nie etwas vorgefallen. Ich habe den Eindruck, dass wir beide den Sträflingen, Häftlingen hier eher „Gutes“ tun und von daher mit großem Respekt behandelt werden. Wobei so ein gewisses Risiko muss man trotzdem immer im Hinterkopf behalten.“
Jochen Pfrommer und Konrad Widmann haben in der JVA Hinzistobel eine 100 Prozent Stelle. Eine Gemeinde außerhalb betreuen sie nicht. Vorträge über das Leben und die Seelsorge im Gefängnis halten sie aber doch. Da kommen immer wieder Anfragen von Firmen und Schulen, sagt Konrad Widmann:
„Und es geht auch darum, den jesuanischen Auftrag der Bibel in die Gemeinden hineinzutragen: Ich war im Gefängnis und ihr habt mich besucht. Oder wie es im Hebräer Brief steht: Denkt an die Gefangenen als wärt ihr selber mitgefangen.“
Sicher, einfach ist die Arbeit nicht immer. Und alle Insassen der Justizvollzugsanstalt in Ravensburg auf den rechten Weg bringen, können die Seelsorger freilich nicht. Aber wenn nur einer der Häftlinge ein neues Leben beginnt, ist das Lohn genug. Allein schon der Wille umzudenken, ist die Arbeit wert, meinen die Seelsorger.
Häftling Thomas S. jedenfalls hat ihn:
„Ich werde auf jeden Fall versuchen, nicht mehr in dei Mühlen der Justiz zu kommen. Oftmals macht man Sachen draußen im Leben, die einem gar nicht so bewußt sind und was Konsequenzen sie haben können oder dass es Straftaten sein könnten. Und da werde ich mit Sicherheit anders an viele Dinge rangehen.“
Jochen Pfrommer und Konrad Widmann werden ihm dabei helfen.

(rv 21.08.2009 mch)







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