2009-08-21 09:04:55

D: Die muslimische Wählervereinigung BFF - ein Beitrag zur Integration?


RealAudioMP3 „Wir brauchen eine Bündelung demokratischer Interessen im demokratischen System – keine weitere Zersplitterung“. Mit diesen Worten kommentiert Bülent Ucar, Islamwissenschaftler und Professor für muslimische Religionspädagogik an der Universität Osnabrück, die Gründung der muslimischen Wählervereinigung „Bündnis für Frieden und Fairness“ (BFF) in Bonn. Das Bündnis präsentierte sich an diesem Mittwoch in Bonn der Öffentlichkeit. Die Vereinigung ist am 30. Juni aus einer Initiative des Rats der Muslime in Bonn entstanden und tritt in der Bundesstadt bei der Kommunalwahl am 30. August an. Mitglied kann jeder parteiunabhängige Bürger mit aktivem Wahlrecht in der Stadt Bonn werden. Ein Beitrag von Anne Preckel.

„Vereinen statt spalten, anerkennen statt tolerieren, dem Frieden deine Stimme geben“. So lautet die Wahlwerbung der Vereinigung, welche die Parteivorsitzenden Haluk Yildiz und Jürgen Kannich auf der Pressekonferenz am vergangenen Mittwoch in Bonn bekannt gaben. In Bonn leben rund 29 500 Muslime, das sind 9,3 Prozent der Gesamtbevölkerung. Kann die Partei zur Integration der Muslime in Deutschland beitragen? Der muslimische Religionspädagoge Bülent Ucar ist skeptisch:

„Ich glaube, dass es viel nützlicher, viel effektiver und auch viel mehr im Sinne der Muslime in Deutschland wäre, wenn Muslime sich in den etablierten Parteien einsetzen würden statt eigenständige Parteien zu gründen und aufzubauen, weil ich denke, dass man über diese Schiene viel mehr erreichen kann als mit eigenen Parteien. Auch wenn diese Partei meinetwegen in die Stadträte oder in den Ladtag kommen könnte mit 5, 6, 7 Prozent vielleicht in den nächsten 10 bis 20, Jahren – halte ich das dennoch für problematisch, weil ich denke, dass wir sozusagen eine Bündelung der unterschiedlichen Interessen im demokratischen System brauchen und nicht eine weitere Zersplitterung.“

Doch warum gründet sich gerade jetzt eine muslimische Partei in Deutschland? Nach Ansicht von Ucar ist die Gründung des BFF möglicherweise Anzeichen für die Schwäche der großen deutschen Parteien.

„Andererseits müssen sich die etablierten Parteien wiederum die Frage gefallen lassen, warum möglicherweise bestimmte Muslime Anlass sehen, eigenständige Parteien aufzubauen und zu gründen. Also da sollte man auch mal selbstkritisch in die eigenen Reihen schauen. Faktum ist, dass die etablierten Parteien in Deutschland sich vielleicht in der Vergangenheit nicht in dem Maße um Muslime und deren religiöse Belange, aber auch um spezifische Migrationsprobleme und Integrationsprobleme gekümmert haben – das mag ein Grund dafür sein.“

Stimmten zum Beispiel vor zwei Jahren noch 52 Prozent der wahlberechtigten Muslime in Deutschland für die Sozialdemokraten, so sind es aktuell nur noch 35,5 Prozent (SPD-Umfrage). Das berichtet die „Frankfurter Rundschau“ vom Mittwoch unter Berufung auf eine noch unveröffentlichte Studie des Zentralinstituts Islam-Archiv in Soest. Neben politischem Engagement muslimischer Bürger in bereits etablierten Parteien plädiert Ucar weiterhin für Integration und Engagement der Muslime im Alltag:

„Grundsätzlich würde ich es begrüßen, wenn sich Muslime in Deutschland weiterhin sozialpolitisch engagieren würden, die Staatsbürgerschaft des Landes hier annehmen würden, sich hier viel mehr heimisch fühlen werden und zugleich auch in dieser Form durch die Mehrheitsgesellschaft akzeptiert würden. Und da denke ich, müssen wir noch einen langen Weg gemeinsam gehen.“

Für die multireligiöse Zukunft Deutschlands prognostiziert Ucar Veränderung - so wie Katholizismus in Bayern anders gelebt werde als in Brasilien, sei der Islam in Deutschland anders geprägt als in anderen Ländern der Welt. Ucar:

„Die Muslime sind in Deutschland in einer christlich und sekular geprägten Gesellschaft. Und diese Migrationssituation, diese Diasporasituation wird selbstverständlich auch Auswirkungen auf den Islam, auf die islamische Religionspädagogik und auf die Muslime haben – so wie der Katholizismus in Bayern anders gelebt wird, geprägt, verstanden, wahrgenommen wird als in Brasilien oder im Rheinland. Vor diesem Hintergrund ist das Ganze zu sehen, meine ich.“


(rv/kna/epd 20.08.2009 pr)







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