In Tschetschenien
sind wieder zwei Mitarbeiter humanitärer Hilfsorganisationen ermordet worden. Bei
den Opfern handelt es sich um Sarema Sadulajewa und ihren Mann. Sie leiteten die Hilfsorganisation
„Rettet die Generationen“. Mit der Entführung und Ermordung der beiden Menschenrechtsaktivisten
geht eine Serie von Attentaten auf Mitarbeiter von Hilfsorganisationen in der Kaukasusregion
weiter. Sadulajewa und ihr Mann waren gestern aus ihrem Büro entführt und später regelrecht
hingerichtet worden. Peter Ranke von Amnesty International ist schockiert, mit welcher
Kaltblütigkeit die Täter vorgehen: „Wir dachten immer, dass Leute, die sich
im menschenrechtlichen Bereich engagieren, aber mehr im humanitären Bereich, ein Stück
weiter geschützt werden als die anderen. Offenbar ist das so nicht der Fall. Auch
sie werden ja nicht nur durch ‚Attentate‘ umgebracht, sondern sie werden entführt,
sie werden abgeführt aus ihren Büros. Die Entführer gehen damit ja auch immer viel
mehr Risiken ein als ein Attentäter und entführen die Leute; an anderer Stelle werden
sie umgebracht. Zwischendurch müssen sie transportiert werden. Offenbar fürchten die
Täter überhaupt keine Strafverfolgung.“ „Rettet die Generationen“ ist nach
Angaben der deutschen Botschaft Moskau vor allem mit der Versorgung von Kindern und
Jugendlichen mit Bein- und Armprothesen beschäftigt. Sie hat sich auch um die Zusammenarbeit
mit deutschen Hilfsorganisationen bemüht. Die seit 2001 tätige Organisation hat bereits
vor vier Jahren ihren damaligen Leiter bei einem Attentat verloren. Offiziell wurde
der Kriegszustand in Tschetschenien durch Russland im März beendet. Die Situation
dort ist aber nach wie vor sehr schwierig - entgegen russischer Darstellungen, sagt
Peter Ranke im Kölner Domradio: „Es ist so, dass die offizielle Propaganda natürlich
seit ein bis zwei Jahren sagt: Tschetschenien ist befriedet. Und wir haben das Land
im Griff. Und Organisationen, die daran Zweifel äußern, die auf weitere Defizite hinweisen,
die zeigen, dass es weiter zu Entführung und Verschwindenlassen kommt, und die auch
mit internationalen Hilfsorganisationen zusammenarbeiten, geraten dann ins Fadenkreuz,
weil diese Arbeit der offiziellen Propaganda widerspricht. Der Präsident Kadyrow versucht
ja schon den Eindruck zu vermitteln, als habe er die Situation im Land im Griff. Als
sei Tschetschenien auf einem friedlichen Weg zu einem Wohlfahrtsstaat. Und dass das
nicht so ist, machen eben auch solche Organisationen, die ständig auf solche Defizite
hinweisen, sehr deutlich. Und man kann nur vermuten, dass sie deshalb missliebig sind." Nichtregierungsorganisationen
mit Kontakten ins Ausland haben es seit Jahren in Russland nicht leicht, sagt Ranke. „Dazu
kommt dann auch noch die generelle Propaganda - früher von Präsident Putin gegen alle
Menschenrechtsorganisationen, die irgendetwas mit dem Ausland zu tun haben, als er
sie sehr schnell in den Spionagebereich gerückt hat. All das mag dazu beitragen, dass
- wenn es nicht direkt von der Regierung veranlasst wurde -, dass Leute sich offenbar
frei fühlen, die Vollstrecker einer Regierungsmeinung zu sein.“ Erst vor vier
Wochen war in Grosny die Menschenrechtlerin Natalia Estemirowa ermordet worden. Vor
der Russischen Botschaft in Berlin demonstrierten heute Mitglieder der Gesellschaft
für bedrohte Völker; sie forderten von der russischen Regierung, dass die Mörder gefasst
und bestraft werden müssen. Sarah Reinke von der Gesellschaft für bedrohte Völker
sagte: „Wir sind in großer Sorge um die Sicherheit der verbliebenen tschetschenischen
Menschenrechtler, die um ihr Leben fürchten müssen.“ (rv 11.08.2009 mch)