2009-08-09 15:34:12

Peru: Bischof, "nach wie vor Diskriminierung von Indios"


RealAudioMP3 Die Indigenen Lateinamerikas sind immer noch krass benachteiligt. Daran erinnert Bischof Norbert Strotmann von Chosica/Peru. Gudrun Sailer bat den deutschen Bischof in Peru anlässlich des Internationalen Tags der indigenen Völker der UNO, der auf diesen Sonntag fällt, zum Interview. Fakt ist: Nicht alle Ureinwohner haben heute viel Grund zum feiern: Viele Staaten – unter ihnen Peru - ignorieren die von ihnen unterzeichneten internationalen Konventionen zum Schutz indigener Völker. Im Juni kam es zu massiven, auch blutigen Protesten von Indios gegen die Entscheidung der Regierung, den Amazonas-Regenwald für die Nutzung durch ausländische Investoren zu öffnen. Präsident Garcia wechselte einen Minister aus. Was ist der Hintergrund für diesen anhaltenden Konflikt?

„Viele dieser Ethnien sind seit 20 oder 30 Jahren darum bemüht, Eigentumstitel für ihr Gebiet zu bekommen. Sie kommen gegen die Verwaltung nicht an, und dann kommt mit einemmal ein Pool von Investoren und sagt: Was hier mal euer war, ist jetzt meins, ich habe den Titel. Sie können das nur auf Weltebene heute sehen. Es ist schwierig voranzukommen. Wir haben zwar Klimawandel und Ökologie-Probleme, aber angesichts der Wirtschaftskrise scheinen sich eben alternative Investitionen in diesem Bereiche zu lohnen. Denken Sie daran, dass in Brasilien der Bio-Sprit inzwischen sehr lukrativ ist.“

Da muss man auch in Lateinamerika die Größenordnungen in Erinnerung rufen. Die sind anders, als wir uns das von Europa aus vorstellen können.

„Das Amazonasgebiet in Lateinamerika umfasst sieben Millionen Quadratkilometer, das sind fünf Prozent der Erdoberfläche und 40 Prozent von Südamerika. Der Amazonasgürtel umfasst 20 Prozent vom disponiblen Süßwasser, das nicht gefroren ist. Ein Drittel der Weltreserven des Waldes und unvorstellbare Rohstoffe, die man noch gar nicht entdeckt hat. Die Biodiversität ist die reichste auf Weltebene, 30 Prozent aller Arten von Fauna und Flora leben hier. Dass da die wirtschaftlichen Interessen besonders groß sind, erklärt sich von selbst.“

Die Amazonas-Völker nutzen die natürlichen Ressourcen des Waldes nachhaltig, Garcia propagiert aber ein neoliberales Modell, das eine privatwirtschaftliche Ausbeutung von Erdöl, Edelhölzern und Bodenschätzen durch multinationale Konzerne vorsieht. Wo steht die Kirche in dem Konflikt?

„Die Kirche steht da immer in einer sehr delikaten Situation. Wir müssen immer für die Menschen eintreten. Nicht nur für die Ökologie – zunächst für die Menschen, für das Überleben der Menschheit. Da hat man schlechte Karten, denn oft ist in liberalen Wirtschaftssystemen auch die Presse liberal. Das bedeutet, wer das Geld hat, hat die Wahrheit auf seiner Seite, was die Informationspolitik angeht. Da stehen wir als Kirche ziemlich alleine, aber nicht ganz. Denn gerade viele NGOs von Amnesty bis zu kleineren Organisationen achten sehr wohl auch auf diese Dinge, auch von der UNO. Aber man hat auf praktische Politik wenig Einfluss. Wir hoffen natürlich als katholische Bischofskonferenz, dass es da ein Einsehen gibt. Denn die Auseinandersetzung war doch aus dem Ruder gelaufen, sodass man jetzt nachdenklich werden müsste.“

Wie sieht die Lebensrealität der peruanischen Indigenen heute aus?

„Wenn man von Indigenas, also von Eingeborenenbevölkerungen redet, dann redet man in Lateinamerika von einem sehr differenzierten Lebensraum. Auch in Peru. Es gibt Hochland- und Amazonas-Indios. Im Urwald gibt es noch Stämme, die kaum Kulturkontakt haben, wohingegen der Austausch zwischen moderner Welt und Hochlandindios eigentlich problemlos läuft. Man muss natürlich sagen, wir haben den aus der Kolonialisierung angesammelten politischen Diskriminierungseffekt nach wie vor, sodass eigentlich nur Minderheiten in der Wirtschaft Spitzenpositionen haben. Wir haben aber in Peru das Glück, dass während der Militärdiktator des Generals Velasco einer populistischen Linskdiktatur von 1968 bis 1975 die Diskriminierung heruntergefahren wurde. Diese Regierung hat viel für die Anerkennung der Indios getan. Aber was man in der internationalen Politik nicht sieht: der ganze Landbereich in Lateinamerika ist zur Zeit ins Rutschen gekommen. Das hängt mit dem harten Land-Stadt-Gefälle zusammen. In den letzten 40 Jahren ist der Großteil in die Städte abgewandert, haben einen Lebensstil oftmals in bitterer Armut, aber nicht so arm wie die, die im Hochland geblieben sind.“
(rv 09.08.2009 gs)










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