Im Vatikan ist man zufrieden mit den internationalen Reaktionen auf die Sozialenzyklika
des Papstes. Das geht aus einer internen Analyse von Radio Vatikan hervor. Benedikt
XVI. hat „Caritas in veritate“ vor genau einem Monat veröffentlicht; es ist seine
dritte Enzyklika. Die Vatikan-Analyse sieht in dem Lehrschreiben die großen Grundakkorde
dieses Pontifikats angeschlagen, nämlich „Gott, Liebe, Wahrheit und Hoffnung“.
Radio
Vatikan hat in den letzten dreißig Tagen im Internet über 4.300 größere Aufsätze zur
Enzyklika gezählt; berücksichtigt wurden dabei die Sprachen Italienisch, Spanisch,
Englisch, Französisch und Portugiesisch. Nehme man eine Zählung der „Meltwater Group“
hinzu, die auch andere Sprachen berücksichtige, komme man auf über sechstausend Analysen.
Obwohl der Text der Enzyklika von vielen Internetseiten in voller Länge veröffentlicht
worden sei, habe die Buchausgabe in vielen Ländern „mindestens zwei Wochen lang auf
dem ersten oder zumindest auf einem der ersten drei Plätze in der Liste der meistverkauften
Bücher“ gelegen. „Caritas in veritate“ sei auch „absolut die erste Enzyklika, die
mit dem Phänomen der social-networks im Internet zu tun hatte“; diese Probe habe sie
„spielend bestanden“.
In der westlichen Welt sei die Enzyklika allerdings
wegen der Ferienzeit noch nicht sehr intensiv rezipiert worden, so die Vatikan-Analyse
weiter. Doch seien für den Herbst schon zahlreiche Initiativen in dieser Hinsicht
angekündigt worden. Medien, Politiker, Vertreter anderer christlicher Kirchen und
Experten hätten in der Regel sehr positiv auf den Papst-Text reagiert. „Die Reaktionen
aus der Finanzbranche waren zwar nur einige wenige, dafür aber einigermaßen enthusiastisch.“
Die
Radio-Vatikan-Analyse weist auch auf Kritik an der Enzyklika hin: Bemängelt werde
von einigen „die Länge des Textes, die komplizierte Sprache und die große Zahl der
behandelten Themen“. Der „bislang gründlichste und tiefgehendste“ kritische Text zur
Enzyklika stamme vom US-Professor George Weigel, der übrigens der Autor einer monumentalen
Biografie Johannes Pauls II. ist. Weigel sehe in dem Dokument ein Nachgeben Benedikts
XVI. gegenüber „Dritte-Welt-Ideologien“, wie es sie im Päpstlichen Friedensrat gebe.
Es sei „blauäugig“, was die Enzyklika über die Bereitschaft zum kostenlosen Geben
in der Wirtschaft schreibe. Der Text sei ein „Mischwesen“ zwischen „benediktinischen“
und „Friedensrat“-Elementen: „eine Mischung zwischen der tiefen Sozial-Reflektion
des Papstes mit Friedensrat-Vorstellungen von der katholischen Soziallehre; in dem
Rat will man diese Soziallehre mit der Enzyklika „Populorum progressio“ von Paul VI.
neu beginnen lassen“.
Benedikt XVI., „eine wirklich freundliche Seele, wird
es für nötig gehalten haben, um des lieben Friedens in seiner Kurienfamilie willen
diese vielen Fußnoten mit in seinen Text aufzunehmen.“ Doch, so Weigel weiter: „Wer
Ohren hat, zu hören, der wird sich bei der Lektüre klar auf die Teile der Enzyklika
konzentrieren, die eindeutig von Benedikt stammen.“ Das seien u.a. der Hinweis auf
die enge Beziehung von Glaube und Vernunft und die Überzeugung, dass die großen sozialen,
politischen und wirtschaftlichen Fragen im wesentlichen anthropologische Fragen seien,
die die Frage nach der Natur des Menschen stellen und damit nach Gott.