Die Christen in der Türkei beginnen im Blick auf eine Einlösung der Versprechungen
der AKP-Regierung von 2003/04 zur Gewährleistung der Religionsfreiheit zu resignieren:
Das erklärte der Vertreter der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) beim Ökumenischen
Patriarchat und Pfarrer der Istanbuler deutschen evangelischen Kreuzkirche, Holger
Nollmann, in einem Gespräch zum Thema „Die Situation der Christen in der Türkei“ im
Kölner „Deutschlandradio“. Ausgerechnet die Sicherheitskräfte des Landes seien offenbar
tief in die Christenmorde der letzten Jahre verstrickt gewesen; Offiziere und hochrangige
Polizeibeamte seien zumindest vorab von den Mordkomplotten informiert gewesen. Diese
Enthüllungen ließen „tief blicken“, so Nollmann unter Zitierung des geläufigen türkischen
Sprichworts vom „tiefen Staat“: „Soweit ich das beurteilen kann, sind die Verbindungen,
die da offenbar werden, nicht von der Hand zu weisen. Es gibt sicher keine Veranlassung
zu sagen, es sind irgendwelche singulären Randgruppen. Und auch von Einzelfällen und
Einzeltaten kann man sicher nicht sprechen“.
Die Stimmung bei den Christen
sei „verzweifelt“, meinte Nollmann. Die Hoffnung in die gemäßigt-islamische Regierung
von Ministerpräsident Recep T. Erdogan sei enttäuscht worden. Wörtlich sagte Nollmann:
„Die christlichen Minderheiten in der Türkei befinden sich in einer miserablen rechtlichen
Situation. Als die AKP an die Regierung kam, haben die führenden Persönlichkeiten
dieser Partei sofort bekannt gegeben, dass sie gerne diese rechtliche Situation der
christlichen Minderheiten verbessern wollen. Und es gab in den Jahren 2003 und 2004
auch erste Ansätze in diese Richtung, sodass es zu einer fast euphorischen Stimmung
bei den christlichen Minderheiten kam, dass es endlich zur Wiederherstellung jener
Recht kommt, auf die man seit Jahrzehnten wartet. Diese Stimmung sackte dann im Jahr
2005 ziemlich durch, als sichtbar wurde, dass das doch nicht so geht, wie man sich
das erhofft hatte.“ Inzwischen gebe es Ernüchterung und Resignation.
Der Sprecher
des Ökumenischen Patriarchats, Dositheos Anagnostopoulos, betonte in der Sendung,
dass es auch im Blick auf die seit 1971 geschlossene orthodoxe Theologische Hochschule
auf Chalki keine Bewegung gebe. Der eigentliche Grund dafür sei, dass sich in der
Anerkennungs-Frage der Kirchen nichts bewege. „Die gehen davon aus, dass die Chalki-Schule
nicht geöffnet werden kann, weil es das Patriarchat als juridischen Körper gar nicht
gibt“, so Anagnastopoulos.
Wörtlich sagte der Sprecher: „Wenn es eine Institution
nicht als Institution gibt, dann gibt es sie überhaupt nicht. Wenn es sie nicht gibt,
dann kann diese Institution weder jemanden einstellen noch Vermögen verwalten noch
Vermögen besitzen.“