2009-07-30 11:08:54

Vatikanisches Mosaikstudio: Puzzeln für den Papst


RealAudioMP3 10.000 Quadratmeter Mosaik gibt es im Inneren des Petersdomes. Und kein einziges Gemälde. Die päpstliche Mosaik-Werkstatt, die diese Pracht vom 16. bis zum 19. Jahrhundert schuf, besteht heute noch. Zwölf Mosaizisten kümmern sich um die Restaurierung des gewaltigen Erbes aus farbigen Steinchen. Und nebenbei fertigen sie auch handlichere Arbeiten an, die der Papst gerne als Präsente hochrangigen Gästen verehrt. Aber: Auch ganz normale Vatikan-Besucher können Werke der päpstlichen Steinchenleger erstehen. Gudrun Sailer hat die vatikanische Mosaikwerkstatt für Sie besucht.

„Die Faszination des Mosaiks ist sicher die, dass es einer uralten künstlerischen Tradition folgt, die komplett in der Geschichte Roms verwurzelt ist - des klassischen, vorchristlichen und urchristlichen Roms“, sagt Paolo di Buono, der Leiter der Mosaikwerkstatt im Schatten des Petersdoms. Gerne zeigt er Gästen sein Reich – eine kleine Galerie, in der besonders repräsentative Werke zu sehen sind, und nebenan das Atelier, in dem die Mosaike entstehen. In weißen Kitteln sitzen die Künstler vor ihren Staffeleien, Lampen werfen ihre runden Lichter auf die Arbeiten.

Meister Valentino Buonaugurio, seit mehr als 40 Jahren Mosaikleger in Diensten der Päpste, hat auf seiner Staffelei etwas besonders Anspruchsvolles in Arbeit. Vor ihm liegt das Original, das ihm als Vorlage dient: ein delikates rundes Ölbild aus der Zeit um 1900, es zeigt Früchte in einer Glasschale mit allerlei raffinierten Reflexen. „Genau zu sein, ist eine Grundtugend des Mosaizisten“, erklärt der Meister.

Seine Kollegin Carla Pirolli:
„Gerade feile ich ein Mosaiksteinchen in die richtige Form. Ich habe beschlossen, mit den Gesichtszügen zu beginnen. Das ist das schwierigste in den Künsten! In der Malerei, der Bildhauerei und auch im Mosaik. Erst wenn das Gesicht fertig ist, gehe ich an den Hintergrund. Alles in allem werde ich wohl drei Monate an diesem Mosaik arbeiten.“

In einem unscheinbaren kleinen Nebenraum entstehen die Steine, die vatikanische Mosaiken zu typisch vatikanischen Mosaiken machen: Hier schmilzt Cesare Bella gerade mit Hilfe eines Spezialofens verschiedene Farbtöne ineinander.

„Das ist ein Gelb mit Weiß darin, und Dunkelgelb. Ich brauche Steinchen, die alle drei Farben enthalten, aber ohne zu einer einzigen Farbe zu verschmelzen. Achtung, wir haben hier Temperaturen von 800 Grad, das Glas kann explodieren, wenn man nicht Acht gibt.“

Einen langen, dünnen, dampfenden Streifen aus Email zieht Bella aus der Flamme. Filato, „gesponnen“ oder „lang gezogen“ heißt diese Technik. Nach zehn Minuten ist der Streifen ausgehärtet und kann in Mosaiksteine geschnitten werden.

„Mit dieser Mischtechnik können wir Effekte erzielen, die sonst im Mosaik mit seinen einfarbigen Steinchen nicht möglich ist. Jeder Künstler hat sein Werk und schafft die eigenen Farben dafür. Eine unendliche Vielfalt von Farben!“

Dank dieser Werkstatt ist Rom heute – neben Venedig und Ravenna - eine der drei Hauptstädte des Mosaiks in Italien. Ansonsten ist das Mosaik im Orient verbreitet, aber auch in Ländern mit starker orthodoxer Tradition wie Griechenland oder Russland. Bei ihrer Gründung war die vatikanische Mosaikwerkstatt streng genommen ein Experiment – die Renaissance-Päpste gingen eben auch mal Risiken ein.

Paolo di Buono:
„Das Mosaikstudio entstand im Zug des Neubaus von Sankt Peter. Schon zu Beginn des 16. Jahrhunderts begann man damit, die Basilika mit Mosaiken zu schmücken. Ein Experiment, anfangs. Denn die Mosaik-Technik war über die Jahrhunderte in Rom komplett verloren gegangen, in der Renaissance zählte ohnehin nur das Fresko. Gregor XIII. holte dann eigens einen Mosaik-Meister aus Venedig, wo die Tradition überlebt hatte. Dieser Mann scharte in Rom ein Team von 80 Künstlern um sich, und DIE dekorierten eine der Nebenkuppeln des Petersdoms. Das Ergebnis kam so gut an, dass der Papst entschied, die Mosaik-Dekoration auf alle Kuppeln der Basilika auszudehnen - und später sogar auf die Altarbilder.“

So kommt es, dass heute kein einziges Ölgemälde im Petersdom hängt. Die hohe Luftfeuchtigkeit machte den Gemälden, die ursprünglich über den Seitenaltären hingen, so sehr zu schaffen, dass die Päpste des 18. Jahrhunderts anordneten, sie durch das beständigere Mosaik zu ersetzen. Alles, was heute im Petersdom aussieht wie Öl, ist eine raffinierte Kopie in Mosaik.

„Zu Beginn des 19. Jahrhunderts waren fast alle Arbeiten am Petersdom abgeschlossen. Weil aber die vatikanische Mosaik-Technik so fortgeschritten war, beschloss der Papst, die Werkstatt zu erhalten. Die Mosaizisten stellten stattdessen Werke kleinerer Dimensionen her, die sich gut als Geschenke eignen. So ist es bis heute.“

In der Galerie hängen solche Mitbringsel-Mosaike: herrliche altrömische Motive aus Naturstein, Vatikan-Veduten mit Obelisk und Petersdom, aber auch farbig leuchtende Van Goghs. Natürlich verschenken die Päpste, wenn es passt, gern Religiöses. Das häufigste Motiv? Paolo di Buono weiß es:

„Der Christus aus der Palliennische im Petersdom. Einer davon ging an Fidel Castro, dem Johannes Paul II. bei seiner Kuba-Reise 1989 genau dieses Mosaik überreichte. Das war eine bemerkenswerte Geste, denn normalerweise wird immer bei den Gastgeschenken ein Motiv gewählt, das politisch passt…!“

Nun führt uns der Meister ins historische Gedächtnis der Mosaikwerkstatt. Ein lang gestreckter, dunkler Raum voller Metallschränke, die komplett aus Schubladen bestehen. Am Eingang hängt ein Lageplan zur groben Orientierung. Denn:

„Im Magazin hier verwahren wir 27.000 Farbnuancen. Das sind die alten Muster aus dem 18./19. Jahrhundert. Hier sehen Sie ein Siegel mit der Buchstabenfolge RFSP – Reverenda Fabbrica di San Pietro. Wenn wir die Mosaiken im Petersdom restaurieren und eine bestimmte Farbe brauchen, kommen wir hierher.“

Das Mosaikstudio steht auch Künstlern offen, die eine ihrer Arbeiten in Mosaik ausgeführt haben möchten. Die päpstlichen Mosaizisten fertigen viele Auftragswerke an. Auch ganz normale Neugierige können die Werkstatt besuchen. Ein Vatikan-Souvenir aus kleinen Steinchen ist freilich nicht ganz günstig: 3.000 Euro aufwärts. Anmeldungen nimmt Paolo di Buono unter mosaico.vaticano@fsp.va entgegen.

(rv 29.07.2009 gs)








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