2009-07-29 13:39:22

Botschafter Horstmann: Enzyklika breit diskutieren


RealAudioMP3 „Benedikts Sozialenzyklika ist keine Schrift mit raschem Verfallsdatum.“ Sie gehe über Tagesaktualität hinaus und sei anspruchsvoll, sagte der deutsche Botschafter beim Heiligen Stuhl, Hans-Henning Horstmann, gegenüber Radio Vatikan. In Politik, Gesellschaft und Wirtschaften sollten die Thesen des Papstes intensiv diskutiert werden, fordert Horstmann in seiner aktuellen Kolumne. Als leitende Prinzipien des päpstlichen Lehrschreibens nennt er unter anderem den Zusammenhang von Ethik und Wirtschaft, die zentrale Rolle des Menschen und den Ruf nach einer globalen Ethik.

Hören und Lesen Sie den Beitrag von Hans-Henning Horstmann:

Liebe Hörerinnen und Hörer,

am 7. Juli 2009 hat Papst Benedikt XVI. seine dritte Enzyklika veröffentlicht. Caritas in veritate schreibt die katholische Soziallehre fort. Sie steht in einer Tradition, die Leo XIII. 1891 mit „Rerum Novarum“ begonnen hatte.

Der Papst verbindet in „Caritas in veritate“ aktuelle Aspekte der globalen Wirtschaft mit beständigen ethischen Prinzipien. Benedikts Sozialenzyklika ist keine Schrift mit raschem Verfallsdatum. Sie ist anspruchsvoll, will herausfordern und ist auf langfristige Wirkung angelegt.

Die Vielzahl von Einzelfragen, auf die der Papst eingeht, steht in einem ethischen Koordinatensystem, von dem die Enzyklika Wertungen und Orientierungen schöpft. Vier Prinzipien will ich nennen:



Bundeskanzlerin Merkel würdigte in ihrem Vortrag „Politisches Handeln aus christlicher Verantwortung“ in der Katholischen Akademie Bayern in München ausführlich die Enzyklika, sie fühlte sich durch die Enzyklika bestärkt und sagte u.a. wörtlich: „Das erste zu schützende und zu nutzende Kapital ist der Mensch, die Person in ihrer Ganzheit. Das ist das Zitat, das mir insbesondere aus dem Blickwinkel des christlichen Menschenbildes in dieser Enzyklika so wunderbar erscheint.“
Der Bundesminister der Finanzen Peer Steinbrück lobte die Enzyklika als „sehr ermutigend“, unterstrich deren Forderung nach mehr Moral in der Wirtschaft. Bundeswirtschaftsminister zu Guttenberg hat seine hohe Achtung und Wertschätzung für die katholische Soziallehre verdeutlicht und insbesondere zu Caritas in veritate konkret festgehalten: „Diese Enzyklika stößt eine Debatte über die Weltwirtschaft und ihre Ziele an, und: wenn der Papst eine Weltautorität fordere, so wolle er keine neue Weltbürokratie sondern eine weltweite Verständigung über einen Grundkanon an gemeinsamen Werten und Zielen, um globale Herausforderungen angehen zu können.“

Die Forderungen des Papstes nach einem Paradigmenwechsel in der Entwicklungspolitik wurden von der zuständigen Bundesministerin Wieczorek-Zeul sofort als wegweisend qualifiziert.

Das Echo auf diese Enzyklika in Deutschland ist groß, positiv und es zeichnet sich bereits jetzt eine Diskussion auf Basis der Enzyklika des Papstes ab. Typisch für mich ist die Reaktion deutscher Unternehmerinnen und Unternehmer: „Diese Enzyklika gehört unter das Kopfkissen jedes Managers“. Und die International Herald Tribune titelt in einem Kommentar: „Die Kühnheit des Papstes.“

Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, auf das wir uns vor 60 Jahren als Verfassung für Deutschland verpflichtet haben, verankert die Würde des Menschen in Artikel 1 als Leitprinzip des politischen und gesellschaftlichen Handelns. Das humanistische Zeugnis des Papstes und das Grundgesetz vereinen sich in einem Menschenbild, das aus denselben Quellen schöpft. Die soziale Marktwirtschaft der Bundesrepublik Deutschland setzt einen lebendigen Humanismus und klare ethische Prinzipien voraus. Nur so kann sie das Gemeinwohl fördern, das eines ihrer herausragenden Kennzeichen ist. Die Appelle des Papstes in seiner Enzyklika Caritas in Veritate geben daher auch vitale Anregungen und Impulse zur Erneuerung der sozialen Marktwirtschaft.

Aus den Themen der Enzyklika verdeutliche ich vier Aspekte.

Wichtig ist dem Papst die Stärkung des Gemeinwohls. Um dies zu erreichen, stellt er kritische Überlegungen an. Von den Unternehmensführungen erwartet er ein Ethos, das nicht nur auf die Eigentümerinteressen ausgerichtet ist. Zu achten sei ebenso auf alle anderen, die zum Leben des Unternehmens beitragen. Er nennt die Arbeitnehmer, aber auch die Zulieferer und die Kunden. Der Staat ist nach Benedikt XVI. in besonderer Weise gehalten, das Gemeinwohl zu fördern. Er spricht von einer „Lektion“, die wir durch die gegenwärtige Wirtschaftskrise gelernt hätten. Staatliche Gewalt müsse die Folgen von Irrtümern und Misswirtschaft korrigieren. Das Gemeinwohl verlangt – wie der Papst sagt – eine „neue Wertbestimmung der Rolle und der Macht der Staaten“.

Benedikt XVI. hatte bereits mehrfach den Klimawandel angesprochen und ein verändertes Verhalten gefordert. In seiner Enzyklika wird er in Sachen Energie sehr konkret. „Die technologisch fortschrittlichen Gesellschaften können und müssen ihren Energieverbrauch verringern. Man muss außerdem hinzufügen, dass heute eine Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Energie realisierbar ist und es gleichzeitig möglich ist, die Suche nach alternativen Energien voranzutreiben“. Die Politik der Bundesregierung und die öffentliche Meinung in Deutschland können sich durch solche päpstliche Aussagen gestärkt sehen.

Den Schwerpunkt „Würde des Menschen“ unterstreicht der Papst durch seine Aussagen zur Bedeutung der Arbeit. Er stellt eine Priorität auf: allen sei Zugang zur Arbeit zu verschaffen. Die Gewerkschaften sieht er besonders gefordert für eine „weltweite Koalition für würdige Arbeit“. Er wendet sich gegen Dumping-Löhne und gegen eine Reduktion der sozialen Netze, um sich auf Kosten der Menschen und der Würde der Arbeit auf den Märkten Wettbewerbsvorteile zu verschaffen.

Zu einem seiner zentralen Anliegen erklärt Benedikt XVI. auch in Caritas in veritate, dass der Mensch nicht autonom ist, sondern seine Grenzen als Geschöpf achten müsse. Er sagt: „ die Entwicklung des Menschen verkommt, wenn er sich anmaßt, sein eigener Hervorbringer zu sein“. Die Achtung vor der Würde des menschlichen Lebens setzt der technischen Machbarkeit auch in der Biotechnologie Grenzen, die Benedikt klar ausspricht. Er fordert die Wahrheit über den Menschen, wider den von ihm schon häufig kritisierten Relativismus.

Diese Enzyklika reicht weit über die alltägliche Aktualität hinaus. Der Enzyklika ist eine intensive Auseinandersetzung und Diskussion in Diplomatie, Politik, Universitäten, kirchlichen Akademien, in Unternehmerverbänden und Gewerkschaften zu wünschen. Wir Deutschen beteiligen uns bereits jetzt an dieser Debatte.

(rv 29.07.2009 bp)








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