2009-07-27 17:35:05

Honduras: Menschenrechtler fordern „UNO-Sicherheitsrat muss aktiv werden“


Die Lage in Honduras ist weiterhin angespannt. Menschenrechtsorganisationen beklagen schwere Verstöße gegen die Grundrechte durch die international nicht anerkannte Regierung in Tegucigalpa von Interims-Präsident Roberto Micheletti. Unterdessen hat der gestürzte Regierungschef Manuel Zelaya auf nicaraguanischem Gebiet an der Grenze zu Honduras ein Camp aufgeschlagen. Von dort aus wolle er einen weiteren Rückkehrversuch nach Honduras unternehmen, berichteten Medien am Sonntag. Kann es in dieser Situation noch zum Dialog zwischen den zerstrittenen Lagern kommen und welche Rolle spielt die Kirche im Versöhnungsprozess? Ein Beitrag von Birgit Pottler und Antje Dechert:

Ein Verfassungsbruch darf nicht mit einem weiteren Verfassungsbruch vergolten werden. „Das versuchen Kirchenvertreter in der aktuellen honduranischen Staatskrise immer wieder klar zu machen“, sagt der Lateinamerikaexperte und Mitarbeiter von Radio Vatikan, Louis Badilla. Er betont, die katholische Kirche dränge zu einer friedlichen Lösung der Regierungskrise:

„Der Königsweg zu diesem Zeitpunkt ist die Rückkehr zur Verfassungstreue sowohl seitens der Interims-Regierung als auch seitens der Vertreter der gestürzten Regierung. Das versuchen die Bischöfe und Priester den Menschen im Land deutlich zu machen. Sie sagen, dass ein Weg zur Lösung des Konflikts nur über den Dialog, das Einhalten der Gesetze und den Verzicht auf Gewalt führen kann. Und das Land hat eine solche Lösung bitter nötig. Honduras ist eines der ärmsten Länder Lateinamerikas und ökonomisch praktisch am Ende. Mehr als fünfzig Prozent der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze. Es geht hier also nicht nur um die Lösung eines politischen Konflikts, sondern um eine Frage, die das Überleben der Bevölkerung dieser Nation betrifft.“

Entgegen der Position der internationalen Staatengemeinschaft, die dem gestürzten Präsidenten Zelaya Rückendeckung gibt, hatte die katholische Kirche in Honduras die Absetzung Zelayas als verfassungskonform bewertet. Zugleich verurteilten Kirchenvertreter jedoch die Umstände der erzwungenen Ausreise Zelayas mit Hilfe des Militärs. Nach scharfer Kritik an der kirchlichen Position hatte der Erzbischof von Tegucigalpa, Kardinal Oscar Rodriguéz Maradiaga, im Interview mit Radio Vatikan klargestellt:

Die katholische Kirche kann sich auf keine Seite stellen – die Kirche sucht die Verständigung auf dem Weg des Dialogs.“

Doch dialogbereit zeigt sich derzeit keine der beiden Seiten. Internationale Vermittlungsversuche unter der Federführung von Costa Ricas Präsident Oscar Arias sind vorerst gescheitert. Experten warnen, die Krise verschärfe sich:

„Präsident Zelaya ist ja im Moment auf dem Weg nach Honduras und man kann sich gar nicht ausmalen was passiert, wenn der verhaftet wird oder wenn es zu Gewaltausbrüchen kommt. Das kann natürlich auch die umliegenden Länder betreffen“, so der Pressesprecher der Menschenrechtsorganisation FIAN International in Deutschland, Armin Paasch. FIAN war Mitglied einer internationalen Menschenrechtsdelegation, die vergangene Woche Tegucigalpa und andere Orte in Honduras besuchte. Ihr Resümee zur aktuellen Lage: Leidtragende des Machtkampfes sind die Menschenrechte. Die von der Putschregierung erlassene Ausgangssperre habe zu massiven und widerrechtlichen Übergriffen gegen die Zivilbevölkerung geführt, so Paasch:

„Beispielsweise sind fünf Menschen seit dem Putsch im Zusammenhang mit dem Staatsstreich getötet worden, darunter befinden sich ein neunzehnjähriger Demonstrant, der Präsident der Oppositionspartei ,Demokratische Union’, ein Gewerkschaftsführer und andere. Nach offiziellen Angaben sind insgesamt 1275 Menschen verhaftet worden, weil sie gegen die nächtliche Ausgangssperre verstoßen haben. Viele weitere Menschenrechtsverletzungen sind zu beklagen.“

Auch die Pressefreiheit sei durch die Interims-Regierung drastisch eingeschränkt worden, so FIAN. Eine freie Meinungsbildung sei kaum möglich. Kritische Journalisten erhielten Morddrohungen. Telefon- und Stromanschlüsse seien gekappt worden. Davon betroffen seien auch kirchliche Medien, sagte uns der FIAN-Delegierte in Honduras, Martin Wolpold-Bosien:

„Die Journalisten vor Ort haben ganz klare Anweisungen der Militärs, kein Wort zum Thema Staatstreich zu sagen. Das Wort ,Staatsstreich’ ist verboten, wer es verwendet, wird abgeschaltet. Auch der altkatholische Sender im Norden ist abgeschaltet worden und wird immer wieder bedroht. Der weitaus größere Sender der Jesuiten ist unmittelbar nach dem Staatstreich abgeschaltet worden. Die Jesuiten durften dann wieder senden, doch immer wenn sie den Putschisten zu weit gehen, wird gekappt.“

Um den Konflikt zu entschärfen, müsse der UNO-Sicherheitsrat aktiv werden, fordert die Menschenrechtsorganisation. Paasch:

„Ich denke, dass jetzt wirklich der internationale Druck weitergehen muss, damit die Putschregierung einlenkt und einen Kompromiss akzeptiert mit Zelaya, der dann zu einer Versöhnung führen kann, allerdings einer Versöhnung, die nicht dazu führen darf, dass soziale Projekte, die geplant waren jetzt einfach aufgeschoben werden. Ganz wichtige Projekte wie die Landreform oder die Agrarreform gehen nicht voran und werden von den Eliten blockiert. Das heißt, man kann schon verstehen, dass dort auch eine grundlegende Veränderung von sozialen Organisationen, Gewerkschaften und Bauernbewegungen angestrebt wird.“

(rv/pm 27.07.2009 bp/ad)







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