Honduras: Menschenrechtler fordern „UNO-Sicherheitsrat muss aktiv werden“
Die Lage in Honduras ist weiterhin angespannt. Menschenrechtsorganisationen beklagen
schwere Verstöße gegen die Grundrechte durch die international nicht anerkannte Regierung
in Tegucigalpa von Interims-Präsident Roberto Micheletti. Unterdessen hat der gestürzte
Regierungschef Manuel Zelaya auf nicaraguanischem Gebiet an der Grenze zu Honduras
ein Camp aufgeschlagen. Von dort aus wolle er einen weiteren Rückkehrversuch nach
Honduras unternehmen, berichteten Medien am Sonntag. Kann es in dieser Situation noch
zum Dialog zwischen den zerstrittenen Lagern kommen und welche Rolle spielt die Kirche
im Versöhnungsprozess? Ein Beitrag von Birgit Pottler und Antje Dechert:
Ein
Verfassungsbruch darf nicht mit einem weiteren Verfassungsbruch vergolten werden.
„Das versuchen Kirchenvertreter in der aktuellen honduranischen Staatskrise immer
wieder klar zu machen“, sagt der Lateinamerikaexperte und Mitarbeiter von Radio Vatikan,
Louis Badilla. Er betont, die katholische Kirche dränge zu einer friedlichen Lösung
der Regierungskrise:
„Der Königsweg zu diesem Zeitpunkt ist die Rückkehr
zur Verfassungstreue sowohl seitens der Interims-Regierung als auch seitens der Vertreter
der gestürzten Regierung. Das versuchen die Bischöfe und Priester den Menschen im
Land deutlich zu machen. Sie sagen, dass ein Weg zur Lösung des Konflikts nur über
den Dialog, das Einhalten der Gesetze und den Verzicht auf Gewalt führen kann. Und
das Land hat eine solche Lösung bitter nötig. Honduras ist eines der ärmsten Länder
Lateinamerikas und ökonomisch praktisch am Ende. Mehr als fünfzig Prozent der Bevölkerung
lebt unter der Armutsgrenze. Es geht hier also nicht nur um die Lösung eines politischen
Konflikts, sondern um eine Frage, die das Überleben der Bevölkerung dieser Nation
betrifft.“
Entgegen der Position der internationalen Staatengemeinschaft,
die dem gestürzten Präsidenten Zelaya Rückendeckung gibt, hatte die katholische Kirche
in Honduras die Absetzung Zelayas als verfassungskonform bewertet. Zugleich verurteilten
Kirchenvertreter jedoch die Umstände der erzwungenen Ausreise Zelayas mit Hilfe des
Militärs. Nach scharfer Kritik an der kirchlichen Position hatte der Erzbischof von
Tegucigalpa, Kardinal Oscar Rodriguéz Maradiaga, im Interview mit Radio Vatikan klargestellt:
„Die
katholische Kirche kann sich auf keine Seite stellen – die Kirche sucht die Verständigung
auf dem Weg des Dialogs.“
Doch dialogbereit zeigt sich derzeit
keine der beiden Seiten. Internationale Vermittlungsversuche unter der Federführung
von Costa Ricas Präsident Oscar Arias sind vorerst gescheitert. Experten warnen, die
Krise verschärfe sich:
„Präsident Zelaya ist ja im Moment auf dem Weg nach
Honduras und man kann sich gar nicht ausmalen was passiert, wenn der verhaftet wird
oder wenn es zu Gewaltausbrüchen kommt. Das kann natürlich auch die umliegenden Länder
betreffen“, so der Pressesprecher der Menschenrechtsorganisation FIAN International
in Deutschland, Armin Paasch. FIAN war Mitglied einer internationalen Menschenrechtsdelegation,
die vergangene Woche Tegucigalpa und andere Orte in Honduras besuchte. Ihr Resümee
zur aktuellen Lage: Leidtragende des Machtkampfes sind die Menschenrechte. Die von
der Putschregierung erlassene Ausgangssperre habe zu massiven und widerrechtlichen
Übergriffen gegen die Zivilbevölkerung geführt, so Paasch:
„Beispielsweise
sind fünf Menschen seit dem Putsch im Zusammenhang mit dem Staatsstreich getötet worden,
darunter befinden sich ein neunzehnjähriger Demonstrant, der Präsident der Oppositionspartei
,Demokratische Union’, ein Gewerkschaftsführer und andere. Nach offiziellen Angaben
sind insgesamt 1275 Menschen verhaftet worden, weil sie gegen die nächtliche Ausgangssperre
verstoßen haben. Viele weitere Menschenrechtsverletzungen sind zu beklagen.“
Auch
die Pressefreiheit sei durch die Interims-Regierung drastisch eingeschränkt worden,
so FIAN. Eine freie Meinungsbildung sei kaum möglich. Kritische Journalisten erhielten
Morddrohungen. Telefon- und Stromanschlüsse seien gekappt worden. Davon betroffen
seien auch kirchliche Medien, sagte uns der FIAN-Delegierte in Honduras, Martin Wolpold-Bosien:
„Die Journalisten vor Ort haben ganz klare Anweisungen der Militärs, kein
Wort zum Thema Staatstreich zu sagen. Das Wort ,Staatsstreich’ ist verboten, wer es
verwendet, wird abgeschaltet. Auch der altkatholische Sender im Norden ist abgeschaltet
worden und wird immer wieder bedroht. Der weitaus größere Sender der Jesuiten ist
unmittelbar nach dem Staatstreich abgeschaltet worden. Die Jesuiten durften dann wieder
senden, doch immer wenn sie den Putschisten zu weit gehen, wird gekappt.“
Um
den Konflikt zu entschärfen, müsse der UNO-Sicherheitsrat aktiv werden, fordert die
Menschenrechtsorganisation. Paasch:
„Ich denke, dass jetzt wirklich der
internationale Druck weitergehen muss, damit die Putschregierung einlenkt und einen
Kompromiss akzeptiert mit Zelaya, der dann zu einer Versöhnung führen kann, allerdings
einer Versöhnung, die nicht dazu führen darf, dass soziale Projekte, die geplant waren
jetzt einfach aufgeschoben werden. Ganz wichtige Projekte wie die Landreform oder
die Agrarreform gehen nicht voran und werden von den Eliten blockiert. Das heißt,
man kann schon verstehen, dass dort auch eine grundlegende Veränderung von sozialen
Organisationen, Gewerkschaften und Bauernbewegungen angestrebt wird.“