Nach den jüngsten
Anschlägen auf Kirchen im Irak mahnt die Gesellschaft für bedrohte Völker mehr Hilfe
für Christen in der Krisenregion an. Islamisten legten es darauf an, die höchstens
noch 100.000 assyro-chaldäischen Christen aus Iraks Hauptstadt Bagdad zu vertreiben.
Bei insgesamt sieben Bombenanschlägen auf Kirchen im Irak sind am Sonntagabend Medienberichten
zufolge mindestens vier Menschen getötet und über vierzig teilweise schwer verletzt
worden.
In einem Schreiben an die Regierungen der EU-Staaten, Kanadas und
der USA hat die Gesellschaft für bedrohte Völker Ansiedlungsprojekte für christliche
Flüchtlinge gefordert. Warum es dabei geht, erklärte der Nahostexperte der Gesellschaft
für bedrohte Völker, Tilmann Zülch, im Gespräch mit dem Kölner Domradio:
„Ein
ganz großer Teil der Christen – und zwar bis zu 80.000 – sind bereits in den autonomen
irakischen Bundesstaat Kurdistan geflüchtet. Dort genießen sie eine beträchtliche
Autonomie, die Lokalregierung unterstützt sie. Die Chaldäer konnten dort wieder eigene
Dörfer aufbauen. In der Nähe der kurdische Provinz befindet sich die Ninive-Ebene.
Diese Ebene möchte den Anschluss an den Bundesstaat Kurdistan. Darauf sollten wir
uns konzentrieren, und das müssen wir unterstützen. Denn ganz viele Christen im Irak
sehen diese Ninive-Ebene als ihr Heimatland. Dort fühlen sie sich sicher. Dieses Projekt
sollte die deutsche Bundesregierung in Zusammenarbeit mit anderen europäischen Ländern
jetzt angehen.“
Zusätzlich sollten die EU-Staaten sich bereit erklären,
größere Kontingente christlicher Irak-Flüchtlinge aufzunehmen. – Nach den Attentaten
hatte Benedikt XVI. die irakische Regierung dazu aufgefordert, sich für ein friedliches
Zusammenleben der verschiedenen Gesellschaftsgruppen einzusetzen. Dazu Nahostexperte
Tilman Zülch:
„Dieser Appell des Papstes ist richtig. Doch im Irak gibt
es viele terroristische Gruppen. Einige stehen dem früheren Diktator und Völkermörder
Saddam Hussein nahe. Andere gehören wiederum zu El Kaida. Dann darf man den Konflikt
zwischen Sunniten und Schiiten nicht vergessen. Die Schiiten bilden etwa 60 Prozent,
die Sunniten etwa 20 Prozent der irakischen Bevölkerung. Die Kurden einschließlich
der Christen sind auch rund 20 Prozent der Bevölkerung. Zwischen Sunniten und Schiiten
toben immer wieder Aufruhr und Attentate. Die irakische Regierung ist hilflos. Sie
kann das gar nicht in den Griff kriegen, weil sie nach dem Rückzug der US-Truppen
täglich mit Attentate konfrontiert sind.“
Nach Schätzungen der Menschenrechtsorganisation
sind aus der Fünf-Millionen-Metropole Bagdad seit 2003 mehr als drei Viertel der dort
ansässigen rund 400.000 Christen geflohen. Viele wagen es kaum noch, einen Gottesdienst
zu besuchen oder ihre Kinder auf eine christliche Schule zu schicken, so die Gesellschaft
für bedrohte Völker.