Neue Entwicklungen in der honduranischen Staatskrise: Der Übergangspräsident des Landes,
Roberto Micheletti, hat dem gestürzten Staatschef Manuel Zelaya eine Amnestie in Aussicht
gestellt, sollte er nach Honduras zurückkehren. Das sei eine Geste guten Willens –
nicht mehr und nicht weniger, sagte im Interview mit Radio Vatikan der Geschäftsführer
des Lateinamerikahilfswerks Adveniat, Prälat Bernd Klaschka. Antje Dechert hat ihn
gefragt, welchen Weg Honduras einschlagen muss, um die Krise zu lösen und was die
Kirche dazu beitragen kann.
Wie beurteilen Sie diese Geste des Übergangspräsidenten
Micheletti? Was bedeutet das in der aktuellen Staatskrise?
Ich denke beide
Parteien befinden sich im Augenblick in einem Prozess, aufeinander zu hören. Und dieses
Hören besteht dann nicht nur darin, dass Worte gemacht werden, sondern dass auch Gesten
signalisiert werden, Gesten des guten Willens. In diesem Zusammenhang sehe ich dies
als Geste von Micheletti an, die er gegenüber dem gestürzten Staatschef Zelaya macht.
Vielleicht soll sie Türen öffnen, aber es geht hier nicht um konkrete Vereinbarungen.
Welche
Schritte müssten jetzt gemacht werden, um einen friedlichen Weg aus der Krise einzuschlagen?
Neuwahlen?
Das könnte ein Ausweg sein, aber ich möchte zurückgreifen auf
die Worte von Papst Benedikt, die er gestern beim Angelus gesagt hat. Bevor es zu
konkreten Vereinbarungen kommt, ist es wichtig, dass die Menschen aufeinander zugehen
und das Gespräch wieder miteinander suchen, dass ein Dialog aller Bürger und aller
Verantwortlichen im Lande einsetzt. Denn Honduras leidet unter einer Vertrauenskrise
und einer Verständigungskrise. Und so müssen erst einmal wieder Vertrauen und Verständigung
aufgebaut werden, um dann zu einer Versöhnung zu kommen. Und dies sind für mich die
ersten Schritte, bevor man überhaupt daran denken kann einen Wahltermin - so wichtig
er ist und so klärend er sein kann - ins Gespräch zu bringen.
Zur Rolle
der Kirche: Die Bischöfe haben sich in ihrer Erklärung indirekt hinter die neue Übergangsregierung
gestellt oder diese zumindest für rechtmäßig erklärt. Hat sie damit nicht ihre neutrale
Position verlassen?
In einer solchen Situation kann man - im schlecht verstandenen
Sinn des Wortes - nicht neutral bleiben. Die Bischöfe haben Partei ergriffen für die
Menschen. Und mit ihrer Erklärung wollten sie der internationalen Öffentlichkeit deutlich
machen, dass einseitige Schuldzuweisungen und verkürzende Darstellungen kontraproduktiv
sind und im Grunde genommen die Lösung nicht herbeiführen. Dem Kardinal von Tegucigalpa,
Oscar Rodriguez Maradiaga, war es wichtig, darauf hinzuweisen, dass es für eine ausgewogene
Einschätzung der Lage notwendig ist, den gesamten Komplex in den Blick zu bekommen,
das heißt auch die vergangenen Monate und nicht alleine die Umstände, die zur Amtsenthebung
von Zelaya geführt haben. Denn in den Monaten davor wurde es auch deutlich, wie die
Demokratie in Honduras in Gefahr geraten war – das schrieben auch die Bischöfe in
ihrer Erklärung vom 19. Juni dieses Jahres. Die Ursachen der Krise sind soziale Ungerechtigkeit,
ausufernde Gewalt, aber auch Korruption und Machtmissbrauch. Und da muss die Kirche
eindeutig Partei ergreifen für den Menschen. Deswegen sehe ich die Erklärung der Bischöfe
nicht als neutral an, sie ergreifen Partei für den Menschen und für die Gesellschaft
in Honduras.
Wie wirkt sich die aktuelle Staatskrise auf die Arbeit von
Hilfswerken wie Adveniat aus?
Wir haben viele Anfragen bekommen, was die
Situation in Honduras betrifft. Es besteht ein großes Interesse. Und wir versuchen
auch, darauf Antwort beziehungsweise Sachinformationen zu geben. Wir haben selbst
auch im Internet ein Portal eingerichtet, auf dem wir die Kirche in Honduras selbst
zur Sprache kommen lassen - das ist das eine. Das andere ist, dass wir gemeinsam mit
der Kirche in Honduras daran gehen, die Wurzeln der Krise in den Blick zu nehmen und
an den Wurzeln dieser Krise zu arbeiten, um eventuelle neue Krisen zu vermeiden. Und
zu diesen Wurzeln gehören eben die ungerechten Strukturen, gehört auch, in den Menschen
den Mut zu wecken, selbst anzupacken und politisch tätig zu werden.