2009-07-13 18:51:27

D/Ö:Geheimnis um Beethovens „Elise“ gelüftet?


RealAudioMP3 Kaum ein Klavierschüler kommt daran vorbei. Die Rede ist von dem heute wohl bekanntesten Klavierstück Ludwig van Beethovens, „Für Elise“. Wer aber verbirgt sich eigentlich hinter jener Elise, der Beethoven im Jahr 1810 seine Komposition widmete? Diese Frage ist Musikwissenschaftlern ein Rätsel. Dank eines Fundes im Archiv des Wiener Stephansdoms ist der Berliner Beethovenforscher, Klaus Martin Kopitz, der Lösung jetzt offenbar ein Stückchen näher gekommen. Antje Dechert berichtet

Schwärmerisch und auch ein bisschen wehmütig: Beethovens „Für Elise“ ist eines der populärsten Stücke der klassischen Musik – auch dank seines enigmatischen Titels, meint der Musikwissenschaftler Klaus Martin Kopitz:

„‚Für Elise‘ – das spricht doch offenbar viele Leute an. Man fühlt sich irgendwie persönlich dadurch betroffen, man stellt sich automatisch eine Frau vor, die Beethoven damit gemeint haben könnte.“

Doch keiner weiß so recht, wer hinter dem Mythos „Elise“ steckt. Denn eine Frau dieses Namens war aus Beethovens Biographie bisher nicht bekannt. Fest stand nur: Eine begnadete Pianistin war die geheimnisvolle Elise wohl eher nicht:

„Denn das Stück „Für Elise“ ist ja kein wirklich schweres Stück, das nimmt man im Klavierunterricht eher als Anfängerstück durch.“ 
Der rennomierte Beethovenforscher Ludwig Nohl hatte Beethovens Komposition 1860, also 33 Jahre nach dem Tod des Maestro wiederentdeckt. Durch ihn ist auch die berühmte Widmung auf dem heute verschollenen Autograph des Klavierstücks überliefert: „Für Elise am 27. April 1810 zur Erinnerung von Ludwig van Beethoven.“ Seitdem mutmaßten Forscher über die Identität jener Elise. Einige glaubten, Nohl habe sich beim Abschreiben der Originalnoten vertan. Nicht Elise, sondern Therese Malfatti sei gemeint, die Beethoven 1810 heiraten wollte. Das aber sei unwahrscheinlich, meint Klaus Martin Kopitz:

„Nohl war ein sehr renommierter Beethovenforscher. Dass der sich verlesen hat, glaube ich nicht, zumal man sagen muss, Beethoven hatte zwar eine ziemlich schlimme Klaue - das sieht man, wenn man seine Briefe liest -, aber Eigennamen hat er schon sehr sorgfältig und sauber geschrieben.“ 
Kopitz hatte daher schon seit längerem eine ganz andere Dame im Visier, nämlich die Frau des mit Beethoven befreundeten Wiener Hofkapellmeisters Johann Nepumuk Hummel, die aus Regensburg stammende Opernsängerin Elisabeth Röckel:

Liegt ja auch nahe Elisabeth, Elise – das ist ja voneinander abgeleitet. Es gibt viele Kurzformen von Elisabeth, unter anderem auch Sissi, Betti und Lieschen. Und Elise war damals auch ein sehr beliebter Name. Es gab eine Oper namens Elise, es gab Theaterstücke mit dem Namen Elise, also hätte es schon nahe gelegen, dass die sich Elise nannte. Aber es war einfach zu wenig daran, um damit an die Öffentlichkeit zu gehen. 
Ein Fund im Archiv des Wiener Stephansdoms verhärtete seinen Verdacht, erzählt Kopitz. In der Taufurkunde ihres ersten Kindes ist Elisabeth Röckel als Elise Röckel registriert – ein Hinweis, dass sie sich in ihrer Wiener Zeit mit dem Modenamen „Elise“ anreden ließ. Zudem war sich Kopitz nach weiteren Recherchen sicher: Elise Röckel war für Beethoven weit mehr, als nur die Frau seines Freundes:

„Sie hat später selber erzählt, dass er sie mal bei einer Abendgesellschaft aus lauter Zuneigung immer wieder in den Arm gezwickt hat. Er konnte sich also gar nicht wieder einkriegen und hat sie den ganzen Abend da bezirzt.“ 
Eine Liaison? Darüber spekulierte schon Beethovens Sekretär und späterer Biograph, Anton Schindler. Sicher weiß man: Elisabeth Röckel lernte den 22 Jahre älteren Beethoven um 1808 als Fünfzehnjährige durch ihren Bruder, Joseph August Röckel, kennen. Der war ebenfalls Opernsänger und eng mit Beethoven befreundet. 1811 debütierte Elise selbst mit rauschendem Erfolg am Wiener Kärntnertor-Theater. Beethoven war nicht der einzige, der dem Charme des aufgehenden Opern-Stars erlag:

„Sie wird mehrfach beschrieben als sehr schöne anmutige Frau und hatte mehrere Bewunderer: Dichter wie Franz Grillparzer, Ignaz Franz Castelli, E.T.H. Hoffmann und eben auch Beethoven.“ 
Gut möglich also, dass Beethoven versuchte Elises Herz mit seiner Komposition zu erobern. Das vermochte am Ende aber nur sein Freund, Johann Nepumuk Hummel. Für ihn gab Elise nach der Hochzeit 1813 sogar ihre Gesangskarriere auf:

Der Hummel hat das anscheinend nicht gerne, dass sie singt. Er war ja selber auch Kapellmeister. Sie ist daher nach der Hochzeit nie wieder aufgetreten. Obwohl man ihr damals prophezeit hatte, dass sie eine der bedeutendsten Opernsängerinnen hätte werden können. 
Im Gegensatz zur verfrüht abgebrochenen Karriere hielt die Freundschaft mit Beethoven ein ganzes Leben, erzählt Kopitz. Aus dem Tagebuch eines Schülers von Röckels Mann Hummel geht hervor, dass das Ehepaar Beethoven noch am Sterbebett besuchte.

„Das war sehr rührend, weil gerade die Elise sich noch einmal sehr um Beethoven gekümmert hat und sie hat ihm noch einmal eine Locke von seinen Haaren abgeschnitten und lies sich von ihm eine letzte Schreibfeder schenken.“ 
Steckt also eine lebenslange Freundschaft hinter dem Mythos Elise? Hundertprozentig beweisen kann das freilich auch Klaus Martin Kopitz nicht. Eine schöne Vorstellung ist es allemal und ein besonderes Stück im beethov’schen Kanon wird Elise auch bleiben, ganz egal, wer sie nun wirklich war:

„Das ist ja ein sehr ruhiges, in sich ruhendes Stück und das muss auch ein Teil von Beethoven gewesen sein, vielleicht auch zumindest in dieser Beziehung zu dieser Frau, dass diese ihn vielleicht irgendwie zur Ruhe gebracht hat, dass er da in sich ruhen konnte....es zeigt einen Aspekt von Beethovens Persönlichkeit.“ 







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