Brasilien: „Es ist schwer, mit Sekten zu sprechen“
Die Kirche in Brasilien
steht heute vor neuen Herausforderungen: Die wachsende Resonanz evangelikaler Sekten
gerade auch in den armen Bevölkerungsschichten stellt eine nie da gewesene „Konkurrenz“
zur katholischen Kirche dar. Die Zahl der Priester geht gleichzeitig zurück. Mit einem
verstärkten Engagement von Laien will die katholische Kirche in ganz Lateinamerika
die Sekten stoppen. In Brasilien, wo sich derzeit noch drei Viertel der 166 Millionen
Einwohner zum Katholizismus bekennen, sei die Lage besonders alarmierend. Das sagt
Pater Hugo Scheer im Gespräch mit „Kirche in Not“. Der Steyler Missionar lebt seit
rund 30 Jahren in der brasilianischen Stadt Vittoria. Bereits vor zwei Jahren wurde
bei der Bischofsversammlung aller südamerikanischen Bischöfe in Aparecida auf das
Sektenproblem hingewiesen. Dazu Pater Scheer:
„Es ist sehr wichtig, – und
das haben die Bischöfe in Aparecida auch betont – dass wir uns nicht gegen die Pfingstkirchen
und andere derartige Gruppierungen abgrenzen. Wir müssen versuchen, mit ihnen einen
Dialog aufzunehmen, aber das ist äußerst schwierig. Die katholische Kirche in Brasilien
hat zum Beispiel einige Schriften gemeinsam mit Pfingstgemeinden herausgebracht. Dabei
handelt es sich aber um Pfingstgemeinden im traditionellen Sinne, die Anfang des vergangenen
Jahrhunderts in Europa gegründet wurden und dann nach Lateinamerika kamen. Die neuen
Pfingstgemeinden haben sich alle in Lateinamerika gegründet. Mit ihnen ist es sehr
schwer, in einen Dialog zu treten.“
Auch könne die katholische Kirche durchaus
von den Sekten lernen, meint der deutschstämmige Steyler-Missionar Hugo Scheer.
„Lernen
können wir von diesen Pfingstgemeinden vor allem, wie man die Medien zur Mission und
zur Seelsorge nutzen kann. Im Fernsehen und Internet müssen wir als katholische Kirche
deutlich präsenter werden. Und zum anderen können wir einen gewissen missionarischen
Eifer von ihnen lernen. Jeder getaufte Katholik muss sich bewusst sein, wenn er wirklich
katholisch handeln will, dann muss er auch ein Missionar sein. Dabei geht es uns im
Unterschied zu den Sekten aber nicht darum, anderen etwas aufzuzwingen, sondern wir
wollen für die Menschen da sein und ihnen ihre eigene Identität aus christlicher Sicht
klar machen. Wir wollen das Vorbild Christi leben, damit die Menschen sehen: So geht´s
auch! Und genau an diesem gelebten Vorbild hat es in der Vergangenheit manchmal gefehlt.“
Allgemein
gilt Lateinamerika als fest in der katholischen Kirche verwurzelter Kontinent. Allerdings:
Vielen südamerikanischen Katholiken fehle die Berufung für den Missionsdienst, sagt
Pater Scheer:
„Sehen Sie, ich bin Steyler Missionar, gehöre also schon
vom Namen her einem Missionsorden an. Ich habe mich oft gewundert, wie schwierig es
für die brasilianischen Familien war, obwohl sie sehr kinderreich waren, eines ihrer
Kinder loszulassen und ihm zu erlauben, zum Beispiel nach Afrika oder nach Indien
in die Mission zu gehen. Die Schwierigkeit lag darin, dass es den Menschen überhaupt
nicht bewusst war, dass man als Christ auch Missionar sein muss. Und da haben wir
auch heute noch als Katholiken einen großen Nachholbedarf, während die Freikirchen
gerade ihr großer Missionsdrang auszeichnet. Dort steht man den Menschen 24 Stunden
am Tag zur Verfügung, die Freikirchen haben immer geöffnet. Nicht so wie unsere katholischen
Kirchen, die außerhalb der Gottesdienste verriegelt werden, weil man Angst vor Kunstdieben
hat. Das darf aber nicht unsere größte Sorge bleiben, sondern wir müssen mehr für
die Menschen da sein.“