China: „Kirche kann sich hier durch Enzyklika neu profilieren“
In China kann die
Globalisierungs-Enzyklika Papst Benedikts dazu beitragen, das Ansehen der katholischen
Kirche neu zu stärken. Das glaubt der katholische Wirtschaftsethiker Stefan Rothlin,
der seit elf Jahren in Peking lehrt. In China sind die Katholiken eine wachsende und
nicht immer wohlgelittene Minderheit. Kirchenleute, sagt Rothlin, wissen ohnehin,
dass die katholische Soziallehre der Gesellschaft in China eine besondere Richtung
geben kann. Zögernd, aber doch, setze sich dieses Bewusstsein nun auch in offiziellen
Kreisen durch, beobachtet der Wirtschaftsethiker:
„Das zeigt sich auch
daran, dass selbst in der chinesischen Regierung anerkannt wird, welche Leistungen
die Kirche im sozialen Umfeld bringt. Ich meine, dass sich hier die Kirche durch diese
Enzyklika tatsächlich neu profilieren kann, weil sich die sozialen Gegensätze in China
sehr zugespitzt haben. Das ist meine große Hoffnung, dass das auch ein zusätzlicher
Anlass wird, dass die Kernpunkte der Soziallehre – wie Subsidiarität und Solidarität
- konkret neu ins Blickfeld der chinesischen Katholiken kommen.“
Noch
ist die chinesische Übersetzung der Enzyklika nicht erschienen – an ihr wird derzeit
gearbeitet.
„Es gibt Schwierigkeiten der Übersetzung ins Chinesische bezüglich
des Vokabulars der Wirtschaftsethik. Damit habe ich selber zu kämpfen, weil ich eine
Schriftenreihe leite: Uns ist natürlich ein Anliegen, dass sich eine Kohärenz der
Begriffe durchsetzt, was die Schlüsselbegriffe der Wirtschaftsethik betrifft.“
Rothlin
macht darauf aufmerksam, dass aufgrund der noch ausstehenden Übersetzung die Rezeption
der Enzyklika in China noch nicht begonnen hat. Mit umso größerer Spannung erwarten
die Katholiken das päpstliche Lehrschreiben:
„Aufgrund des Echos des Papstbriefes
an die Kirche in China vermute ich, dass das Interesse und die Spannung tatsächlich
da sind, dass man wirklich ein klärendes Wort erwartet, ja dass man sich sogar darauf
freut.“
Nichtsdestrotrotz: Das offizielle China steht dem Papst und jenen
Katholiken, die sich zu ihm bekennen, reserviert gegenüber. Regelmäßig erleiden romtreue
Christen – wie auch Angehörige anderer Religionen – Gängelungen und Ausgrenzungen,
katholische Priester und Bischöfe werden vorübergehend festgenommen. Dennoch ist der
Wirtschaftsethiker zuversichtlich, dass ausgerechnet das neue Sozial-Lehrschreiben
des Papstes auf offizielles Wohlwollen stoßen wird, auch weil sich im Zug der Krise
das allgemeine Gerechtigkeitsempfinden der Chinesen verlagert hat – durchaus im Sinn
christlicher Werte. Rothlin:
„Da gab es kürzlich einen prophetischen Aufschrei
des Bischofs von Shanghai im Zug der gegenwärtigen Wirtschaftskrise: er hat sehr hart,
erstaunlich hart, Unternehmer kritisiert hat, die ihr Geld mit aufwändigen Mahlzeiten
verschwenden. Gleichzeitig hat er die Pfarreien seiner Diözese –immerhin 150 in Shanghai
– dazu aufgerufen, sich um Arbeitsmigranten zu kümmern. Das sind in der Größenordnung
von mehr als 25 Millionen, die Arbeit verloren haben. Die Chinesen sind da sehr zugänglich,
wenn man nicht nur mit der Theorie kommt, sondern das festmacht an bestimmten Beispielen.
Sie haben recht, es gibt hier eine sehr schlimme Form von Kapitalismus, vielleicht
in der schlimmsten Form, was auch hier als nationale Tragödie angesehen wurde, die
Sklavenarbeit im engeren Sinn – Menschen, die in den Minen zu gefährlicher Arbeit
gewzungen wurden oder auch Kinderarbeit. Da schreit es geradezu nach einem prohpetischen
Wort wie in dieser Enzyklika. Von daher bin ich da optimistisch, dass sich die Kirche
in China ein gutes Profil geben kann, wenn sie zeigen kann, dass sie das umsetzt.“
(rv 10.07.2009 gs)