Vatikan: Galileo-Prozessakten mit allen i-Tüpfelchen
Das Vatikanische Geheimarchiv
hat an diesem Donnerstag die neu editierten Prozessakten der Causa Galileo Galilei
vorgestellt. Herausgeber ist der Präfekt des Geheimarchivs, Bischof Sergio Pagano:
„Zum ersten Mal liegt hiermit eine historisch-kritische, kommentierte Edition
der Prozessakten vor, die Licht auf sämtliche Personen wirft, die im Prozess auftreten.
Alle biblischen, patristischen und theologischen Texte – etwa die von Augustinus und
Thomas von Aquin, die wichtigsten Bezugspunkte – sind nach den jeweils aktuellsten
Editionen zitiert. Alle historischen Akteure sind identifiziert, bis auf einen einzigen,
der weder von mir noch von anderen bisher zugeordnet werden konnte. Es handelt sich
um einen Jesuitenprediger, der 1610 in Santa Maria Novella in Florenz predigte. Die
Jesuiten haben nämlich leider die Register von Florenz verloren, und so bleibt der
Jesuitenpater im Dunkel der Geschichte.“
Die Prozessakte sind in der neuen
Edition philologisch höchst penibel wiedergegeben, bis hin zu Fragen der Groß- und
Kleinschreibung. Manche Forscher hätten sich mehr „Lesbarkeit“ und weniger Texttreue
gewünscht, doch Pagano rechtfertigt sein Vorgehen:
„Bei meiner Arbeit ist
mir aufgefallen, dass jeder die Texte wiedergibt, wie er es für richtig hält. „Himmel“
sagen und „Himmel“ schreiben, aber möglicherweise auch „Erde“ oder „Kosmos“ oder „Sonne“,
in Groß- oder Kleinschreibung – das hatte 1733 eine enorme Tragweite.“
Bischof
Pagano gilt als ausgewiesener Galileo-Fachmann. Er hatte die bisher letzte Edition
der Galileo-Prozessakten von 1984 herausgegeben. Zwischen 1877 und 1910 waren bereits
vier Editionen der Prozessakte herausgekommen.
Der Fall Galileo ist auch heute
noch lehrreich, glaubt Bischof Pagano. Die Naturwissenschaften könnten aus dem historischen
Zwist lernen, „sich nicht herauszunehmen, die Kirche über Fragen des Glaubens und
der Heiligen Schrift belehren“ zu wollen. Gleichzeitig lehre der Fall Galileo die
Kirche, sich den wissenschaftlichen Problemen wie etwa heute der Stammzellforschung
„mit viel Demut und Nachdenklichkeit“ zu nähern.
Befragt nach den Archivdokumenten
über den Weltkriegspapst Pius XII. (1939-1958), bestätigte Pagano seine Aussage vor
wenigen Monaten, wonach dieses Teilarchiv den Forschern in fünf bis sechs Jahren zugänglich
gemacht werden könnten. So lange dauere es noch, bis die Dokumente klassifiziert und
aufbereitet seien. Pagano kündigte an, die Materialien enthielten „schöne Überraschungen“
über die Rolle von Pius XII. im Zweiten Weltkrieg.