2009-06-24 17:17:57

Vatikan/Nahost: „Israelis und Palästinenser sollen von Europa lernen“


RealAudioMP3 Israel täte gut daran, vor Verhandlungen mit den Palästinensern bereits getroffene bilaterale Vereinbarungen zu respektieren. Das denkt der Nuntius in Israel, Antonio Franco. Das jüngste Angebot Benjamin Netanjahus an die Palästinenser, „bedingungslosen Friedensverhandlungen“ aufzunehmen, sei grundsätzlich zu begrüßen, so der vatikanische Diplomat. Allerdings habe der israelische Präsident in derselben Rede Bedingungen an die palästinensische Seite gestellt.

„Positiv ist dieser große Wunsch nach Frieden - diese Einladung an die Palästinenser zu Verhandlungen. Israel müsste da aber zusätzlich eine Selbstverpflichtung eingehen, nämlich die, bisher getroffene Vereinbarungen zu berücksichtigen. Ich denke an die Kontrolle der Siedlungen: keine neuen Siedlungen zuzulassen, die bestehenden Siedlungen zu erhalten. Das stand bereits in der Vereinbarung von Annapolis. In diesem Punkt müsste Netanjahu noch einen Schritt nach vorne tun.“

Verhandlungen müssten in jedem Fall auch Jerusalem betreffen, „ein harter Brocken“, meint der Nuntius wörtlich. Sowohl Israel als auch die Palästinenser erheben einen Alleinanspruch auf die heilige Stadt als jeweiligem Regierungssitz. Der Heilige Stuhl versucht auf diplomatischen Weg, für einen internationalen Sonderstatus für Jerusalem Stimmung zu machen. Papst Benedikt XVI. hatte bei seinem Besuch im Heiligen Land das höchst heikle Thema Jerusalem ausgespart, dafür aber gleich die erste Ansprache auf israelischem Boden genutzt, um für die Zwei-Staaten-Lösung zu werben. Doch ohne internationalen Beistand ist das nicht zu machen, meint der Nuntius:

„Wenn die Verhandlungen wieder aufgenommen werden, wenn die internationale Gemeinschaft Garantien gibt und sich wirklich einsetzt, könnte sie sicherstellen, dass die Identität beider Staaten respektiert wird. Dem Staat Israel muss garantiert werden, dass auch die Staatengemeinschaft seine Grenzen schützt. Und dem palästinensischen Volk muss garantiert werden, dass seine Identität und seine Bestrebungen, ein wirklicher Staat und eine Heimat für dieses Volk zu sein, ohne Einschränkungen geschützt wird. Denn heute würde niemand akzeptieren, ein Staat zweiter, dritter, vierter Klasse zu sein.“

Ohne gegenseitigen Respekt für die jeweilige Identität des anderen ist der Friede zwischen Israelis und Palästinensern, zwischen Juden und Moslems mit einer winzigen christlichen Minderheit dazwischen schlechterdings nicht zu bewerkstelligen, sagt der Nuntius. Der Papst habe das in eindringlichen Worten klar gemacht.

„Wenn es um den Nahostkonflikt geht, dann weise ich immer auf Europa hin. Von Europa lernt man, dass der Zusammenhalt der Völker und sogar die Aufhebung der Grenzen nur dann erreichbar sind, wenn man die einzelnen Identitäten respektiert. Wenn dies nicht geschieht, dann gibt es Konflikte. Denken wir hierbei an die Geschichte Jugoslawiens. Die Papstreise ins Heilige Land war sozusagen prophetisch. Denn er brachte dort eine Botschaft, die unserem Herrn Jesus Christus gehört. Diese Botschaft ist gekennzeichnet vom Wunsch für den Frieden in jener Region.“

Weit weniger konfliktreich seien die Auseinandersetzungen in der Steuerdebatte zwischen katholischer Kirche und Israel. Seit Jahren diskutieren der Heilige Stuhl und der israelische Staat über eine adäquate Steuerzahlung von kirchlichen Institutionen.

„Es gab vor kurzem eine leichte Verzögerung bei den Verhandlungen. Das lag aber daran, dass in Israel eine neue Regierung gebildet wurde. Dabei wurden auch die Verantwortlichen der israelischen Ministerien gewechselt. Die neuen Mitarbeiter brauchen also Zeit, um sich in die Materie einzuarbeiten. Es gibt noch einige Punkte, bei denen wir noch verschiedene Sichtweisen haben. Für uns geht es darum, unsere Mission als Kirche erfüllen zu können. Die israelischen Behörden bezeichnen unsere Mission hingegen als soziale oder karitative Tätigkeit. Auch muss gesagt werden, dass die Christen in Israel wenig finanzielle Mittel zur Verfügung haben. Ohne Auslandshilfen und der Hilfe des Heiligen Stuhls müssten unsere Einrichtungen schließen.“

Die nächste Plenarsitzung der Bilateralen Kommission ist Anfang Dezember in Rom. Ob sich dann bereits eine Lösung abzeichnen könnte? Erzbischof Franco:

„Ein großer Fortschritt wäre, wenn es uns in den nächsten Monaten gelingen würde, die Studie über die Steuerfragen zu besprechen. Diese Analyse wurde von beiden Seiten durchgeführt. Darin werden die Meinungsverschiedenheiten aufgezählt. Doch es handelt sich um ein Gemeinschaftspapier. Und aufgrund dieser Tatsache könnte man Punkt für Punkt die Differenzen ansprechen und beseitigen. Wenn uns das gelingen würde, dann könnte die Steuerfragen in circa einem halben Jahr gelöst werden.“

Der Vertreter des Heiligen Stuhles in Israel nimmt an der gegenwärtigen ROACO-Versammlung im Vatikan teil. Die ROACO (Riunione delle Opere di Aiuto alle Chiese Orientali) ist eine Vereinigung von Hilfswerken aus verschiedenen Ländern, die sich finanziell beim Bau von Kirchen und bei der Schaffung schulischer und sozialer Einrichtungen für die Ostkirchen einsetzen.
(rv 24.06.2009 gs)








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