Vatikan/Österreich: "Differenziert und brüderlich"
Kardinal Christoph
Schönborn, Vorsitzender der österreichischen Bischofskonferenz, bilanziert im Gespräch
mit Radio Vatikan die Begegnungen seiner Delegation mit Papst Benedikt und mehreren
Kurienchefs. Die Fragen stellte Gudrun Sailer.
Herr Kardinal, die Spitzen
der österreichischen Bischofskonferenz waren zu zweitägigen Gesprächen im Vatikan
vorgeladen. Worum ging es dabei?
Wir waren EINgeladen. Ich betone das ausdrücklich,
denn es war ein sehr herzliches, brüderliches Gespräch, wir sind nicht nach Rom zitiert,
sondern gebeten worden, um uns auszutauschen über die Situation der Kirche in Österreich
und speziell in der Diözese Linz. Es ist kein Geheimnis, dass es dort große Spannungen
gibt, dass es Fraktionen gibt, dass die Ernennung von Dr. Gerhard Maria Wagner zum
Weihbischof große Kontroversen ausgelöst hat, dass sein Rückzug bzw. seine Bitte an
den Heiligen Vater, vom Amt zurücktreten zu können bzw. nicht die Weihe empfangen
zu müssen, auf der einen Seite willkommen geheißen wurde, von anderen wiederum sehr
bedauert wurde. Das alles sind Fakten, das macht Sorge, wie sieht es aus in Linz,
wie geht es weiter. Und daher wollte der Heilige Vater – es war seine Initiative -
uns einladen: den Bischof von Linz, den Vorsitzenden und den stellvertretenden Vorsitzenden
und den Metropoliten von Salzburg, sagen wir, die drei leitenden Bischöfe der Bischofskonferenz
plus den Bischof von Linz, um mit uns und mit den Verantwortlichen der entsprechenden
Kongregationen die Situation zu besprechen. Wir haben das nach einzelnen Themen getan,
je nach Bereich der Zuständigkeit der Kongregationen, also über die Seminare, das
Priesterseminar, über die theologische Fakultät, über die Situation der Laien, über
die Fragen der Lehre, die anstehen, daher die Glaubenskongregation, Fragen der kirchlichen
Disziplin, aber alles in einer sehr differenzierten, brüderlichen Weise. Wir hatten
keinen Moment das Gefühl, dass wir hier auf einer Anklagebank sitzen, sondern es war
wirklich die gemeinsame Sorge. Und für uns war es ein sehr berührendes Erlebnis zu
sehen, der Heilige Vater hat wirklich viel zu tun mit einer weltweiten Kirche, dass
er sich für die kleine Ortskirche Österreich doch so viel Zeit nimmt, um unsere Sorgen
zu hören, um die Sorgen Roms uns gegenüber zu artikulieren, und wir haben gespürt
die tiefe Liebe des Heiligen Vaters für Österreich, für die Kirche in Österreich und
sind ihm sehr, sehr dankbar.
Sie haben Fragen der Glaubenslehre und Fragen
der Disziplin angesprochen. Kamen denn in gewisser Weise auch die Anliegen der österreichischen
Laieninitiative zur Sprache, mit der Sie in jüngster Zeit einen Austausch hatten?
Das
war nicht direkt Thema dieses Treffens, aber ich habe ja der Laieninitiative versprochen,
dass ich ihr Memorandum persönlich überreichen werde, das habe ich heute gemacht,
ich hab es Kardinal Hummes, dem Präfekten der Kleruskongregation – der zuständig ist
für den Klerus in der ganzen Welt - mit einem persönlichen Begleitschreiben überreicht
und ihn gebeten, das mit Aufmerksamkeit zu lesen. Und auch wenn ich mit manchen Schlussfolgerungen
dieser Initiative nicht einverstanden bin, das habe ich ihnen auch offen gesagt, so
glaube ich doch, dass es wichtig ist, dass man in Rom weiß, was ein Teil unserer Laien
zu den Sorgen der Kirche denkt.
Wo sind denn nun in der Kirche in Österreich
die echten Knackpunkte, wo Sie meinen, in diesen Gesprächen tatsächlich einen Schritt
vorangekommen zu sein? Welche Tipps nehmen Sie mit nach Haus nach Österreich?
Es
ist zuerst und ganz entscheidend, was der Heilige Vater uns am Anfang schon gesagt
hat und jetzt heute Abend am Schluss wiederholt hat: Es ist die Frage des Glaubens
das Entscheidende. Der lebendige Glaube an Gott, an einen Gott, der wirklich ist und
auch in der Welt wirklich wird, wirklich gegenwärtig ist. Der Heilige Vater hat uns
auch etwas sehr Beeindruckendes zum Thema Zölibat gesagt, weil das natürlich in Österreich
und speziell in Oberösterreich ein heiß diskutiertes Thema ist. Er hat gesagt: Es
geht letztlich um die Frage, ob wir daran glauben, dass es möglich ist, dass es sinnvoll
ist, ein Leben ganz und gar auf dieses eine Fundament zu stellen, auf Gott. Und im
Dienst für Gott und für Jesus Christus, diesen Dienst auch in einer Lebensform gewissermaßen
Gestalt werden zu lassen, in der Lebensform der Ehelosigkeit, wie Jesus sie verstanden
hat – um des Himmelreiches willen. Nicht aus Misstrauen gegenüber der Ehe oder als
Missachtung der Ehe, sondern weil das höchste Gut, das uns gegeben ist, das uns anvertraut
ist, Gott, Jesus Christus, gegenwärtig in der Welt ist und es deshalb möglich und
sinnvoll ist, sein Leben ganz auf Christus zu stellen. Er hat uns vom Jahr der Priester
gesprochen, das ja am Freitag beginnt, und uns auch gezeigt, dass das auch das Anliegen
ist am Vorbild des Heiligen Pfarrers von Ars, des Patrons der Pfarrer und der Priester,
zu dem er in diesem Jahr ernannt werden wird – ein Leben, das eine solche Strahlkraft
hat und eine solche Überzeugungskraft wie das des Pfarrers von Ars, ein Leben, das
ganz aus der Hingabe an Gott, aus dem Gebet, aus der Eucharistie lebt und daher für
so viele Menschen ein unglaubliches Geschenk war. Um dieses Vorbild geht es, und wenn
wir wenigstens ein wenig versuchen, diesem Vorbild nachzueifern, dann tun wir das
Entscheidende für die Erneuerung.
Die Frage der Rolle des Klerus auf der einen
Seite und der Laien auf der anderen Seite ist nun gerade in der Diözese Linz eine
besonders virulente, ein bisschen umkämpfte, manchmal. Wir wissen andererseits, und
Sie haben es erwähnt: es ist eine besonders lebendige Diözese. Wie geht es denn in
dieser Diözese unter Bischof Schwarz jetzt weiter?
Es geht ganz normal weiter,
der Weg der Kirche besteht nicht und Hupfern und Sprüngen, sondern geht schrittweise.
Eines ist sicher, das spüren wir in ganz Europa, in Österreich und auch in Linz: Wir
haben sehr viele Laien, speziell in der Diözese Linz, die sich in der Kirche engagieren.
Und das ist etwas äußerst Positives und zu Begrüßendes. Wir brauchen dringend Laien,
die sich in der Gesellschaft engagieren. Mehr und mehr spüren wir an allen Ecken und
Enden, dass jetzt die Stunde der Laien in der Gesellschaft ist - in den Berufen, in
der Wirtschaft, im politischen Leben, in den Medien, in der Öffentlichkeit. Wir haben
auch darüber wieder gesprochen und sind uns darüber einig zwischen den römischen und
den österreichischen Kirchenverantwortlichen – so gut es ist, dass es so viele engagierte
Laien in den Gemeinden gibt, so dringend ist es, dass es engagierte, gläubige Laien
in der Gesellschaft gibt. Gerade in einem zusammenwachsenden Europa spüren wir, wie
wichtig das ist. Und das ist sicher ein Punkt, um den es in den kommenden Jahren geht.
Thema Mission, Thema Evangelisierung, Neuverkündigung. In Oberösterreich ist die Zahl
der Praktizierenden erstaunlich hoch im Vergleich zum Rest von Österreich, aber die
Zahl derer, die keinen Zugang zur Kirche haben, für die das Evangelium schon etwas
Fremdes geworden ist, ist sehr groß. Und das muss uns bewegen, das muss uns herausfordern
für einen Weg der Neuevangelisierung. (rv 16.06.2009 gs)