Kardinal Tauran: „Sie werfen uns alle in einen Topf“
„Sie werfen uns alle
in einen Topf“: Mit dieser Erkenntnis ist Kardinal Jean-Louis Tauran aus Indien zurückgekehrt.
In Bombay hatte der Präsident des päpstlichen Dialograts an Gesprächen mit hochrangigen
Hindu-Führern teilgenommen und dabei festgestellt:
„Es ist sehr schwer für
unsere Hindu-Freunde, zu verstehen, dass es einen Unterschied gibt zwischen einem
Katholiken, einem Baptisten oder einem Freikirchler. Wenn sie uns Proselytenmacherei
vorwerfen oder das Bauen von Kirchen, dann werfen sie uns in der Regel alle in denselben
Topf. In einer Region zum Beispiel sind in letzter Zeit auf einmal über sechzig Kirchen
gebaut worden – da mußte ich einem großen Hindu-Führer erklären, dass das natürlich
keine katholischen Kirchen sind, sondern protestantische. Und ich merkte, dass ihm
da der Unterschied nicht so richtig klar war...“
Nicht gegen Katholiken, sondern
gegen andere Spielarten des Christlichen regt sich unter vielen Hindus ein großes
Unbehagen, hat der smarte Franzose aus dem Vatikan festgestellt. Die Hindus hätten
ihn in Bombay auf das Vorgehen protestantischer Gruppen aufmerksam gemacht:
„Ich
habe den Eindruck, dass sie über diese „Invasion“ sehr besorgt sind – und wir müssen
gewissermaßen dafür mit geradestehen. Aber ich glaube, in dieser Hinsicht war unser
Treffen wirklich erfolgreich. Wir haben auch über die Frage der Bekehrungen gesprochen
und dabei klargestellt, dass für die katholische Kirche eine Zwangskonversion nichtig
ist. Ich glaube, die Begegnung hat ein neues Kapitel aufgeschlagen in den Beziehungen
zwischen Katholiken und Hindus. Das war der Beginn eines Gesprächs unter Freunden,
das weitergehen und Früchte tragen wird.“
Ganz so friedlich war`s nicht immer
zwischen Hindus und Christen in Indien – da reicht es nur, an die Jagdszenen im Bundesstaat
Orissa zu denken. Gruppen von Hindu-Fanatikern machen dort den Christen, die in der
Regel Kastenlose sind, das Leben unmöglich. Kardinal Tauran hat seine Hindu-Gesprächspartner
darauf angesprochen:
„Sie haben gesagt: Wir erkennen uns in diesen Angriffen
nicht wieder. Das ist nicht Indien. Wir sind ein friedliches, tolerantes Volk. Sie
haben unsere Sorge über Gewalt gegen Christen im Namen der Religion geteilt... Jetzt
ist es an der Ortskirche, die Fortsetzung der Gespräche zu organisieren. Es sind immer
die Ortskirchen, die einem solchen Dialog Leben geben!“
„Wir haben übrigens
auch zusammen einen Hindu-Tempel besucht und dort zwar nicht gebetet, aber mit Respekt
ein Hindu-Gebet dort beobachtet. Und sie sind zu uns in die Kathedrale von Bombay
gekommen, als wir dort an einem Abend die Vesper gefeiert haben, und wirkten sehr
bewegt über die Gebete und Gesänge. Es gab also auch diese spirituelle Komponente
unseres Gesprächs. Interreligiöser Dialog ist ja vor allem etwas Religiöses, nicht
Philosophisches...“