Der maronitische Patriarch
Nasrallah Sfeir sprach sich gegen einen Sieg der Hisbollah bei den Parlamentswahlen
an diesem Sonntag aus. Das berichtet die Nachrichtenagentur „National News Agency“.
Sfeir bezeichnete die schiitische Hisbollah als „eine Gefahr für die Zukunft des Libanons“.
Dieser Aufruf könnte die Wahlen stark beeinflussen, denn die Christen im Libanon gelten
als Zünglein an der Wage. Beobachter gehen davon aus, dass die Entscheidung sehr knapp
ausfallen könnte. Gut drei Millionen Wähler sind in zwei große Lager aufgeteilt: Auf
der einen Seite die pro-westliche, sunnitisch dominierte Allianz von Ministerpräsident
Fouad Siniora und Saad Hariri. Sein Vater Rafik Hariri kam bei einem Attentat vor
vier Jahren ums Leben. Auf der anderen Seite das oppositionelle Bündnis mit der schiitischen
Hisbollah an der Spitze. Sie steht Syrien und dem Iran nahe. Während Sunniten
und Schiiten meist ihr Lager wählen, dürften christliche Wähler zwischen den Koalitionen
den Ausschlag geben. Bei einem kürzlich gehaltenen Interview hatte Patriarch Sfeir
betont, dass die Libanesen Einheit und Frieden benötigen.
„Zunächst setzen
wir auf Gott, der uns in diese Position gerufen hat. Und wir folgen der Wahrheit,
so wie wir sie sehen. Wir ergreifen nicht Partei, sondern folgen der Wahrheit und
sagen sie offen zu allen Menschen. Vielleicht werden einige von ihnen wütend, und
andere freuen sich. Wir haben nicht die Absicht, diese Person aufzuregen oder einer
anderen Person zu gefallen, sondern wir sagen die Wahrheit, wie sie ist.“
Auch
richtete der Patriarch eine Botschaft an die libanesischen Wähler: „Der
libanesischen Wähler, wie jeder andere Wähler eines demokratischen Landes, muss die
Interessen des Landes berücksichtigen, wenn er diesen oder jenen Kandidat wählt und
wenn er Präferenzen hat, muss er den Kandidat wählen, der dem öffentlichen Interesse
vor seinen eigenen Interessen dient. Wenn der Wähler so handelt, denke ich, ist er
auf dem richtigen Weg. Folgt er aber nur seinen eigenen Interessen, ist das nicht
gut.“
Ein komplizierter Wahlschlüssel legt die Verteilung der Mandate
unter den elf (von insgesamt 18) Religionsgruppen fest, die mit Sitzen im Parlament
vertreten sind. Die sunnitischen und schiitischen Muslime erhalten jeweils 27 Sitze,
die Aleviten zwei und die Drusen, die in diesem Zusammenhang ebenfalls zu den Muslimen
gezählt werden, acht Sitze. Diese politische Machtverteilung fußt auf einer Volkszählung
aus dem Jahr 1933. Damals machten Christen und Muslime jeweils die Hälfte der Bevölkerung
aus. Seither haben jedoch viele Christen das Land verlassen, und die Zahl der Muslime
hat zugenommen. Daher schätzen Fachleute den Bevölkerungsanteil der Christen auf gegenwärtig
nur noch 35 bis 40 Prozent.