EU: „Brüssel sollte katholische Soziallehre folgen“
Für die katholische
Kirche steht bei den Europawahlen viel auf dem Spiel. Das erklärt der Präsident der
Bischofskommission bei der Europäischen Union (Comece), Bischof Adrianus van Luyn,
in unserem Wocheninterview. Denn das neugewählte EU-Parlament werde sich mit Themen
auseinandersetzen müssen, die die moralischen und ethischen Prinzipien der europäischen
Gesellschaft betreffen. Dazu zählen Bereiche wie das menschliche Leben, die Bedeutung
der Familie oder die Bewahrung der Schöpfung. Betrachtet man aber die eher niedrige
Wahlbeteiligung, so scheint es, dass die EU-Bürger nicht viel Vertrauen in die europäischen
Institutionen haben. Dazu sagt van Luyn im Interview mit Mario Galgano:
„Das
ist in der Tat ein Problem. Der Grund dafür liegt in den nationalen Auseinandersetzungen
der Parteien. Für viele Menschen ist Europa weit weg und manchmal wird Brüssel wegen
der vielen Regeln als lästig angesehen. Ich denke aber, dass aufgrund der katholischen
Soziallehre, aufgrund der Subsidiarität, alle europäischen Bürgerinnen und Bürger
die Wahl nicht nur als ein Recht sehen müssen, sondern auch als eine Pflicht. Das
sie auch bewusst wählen und die Mitverantwortung erfüllen, die alle in der Demokratie
haben. Deshalb müssen sie sich auch künftig aktiv beteiligen.”
Welche sind
den konkret die Themen, mit den sich die neuen EU-Parlamentarier auseinandersetzen
müssen?
„Das Europäische Parlament wird sich mit einer Reihe schwerwiegender
Themen befassen. Es sind dies Bereiche, die sehr viele Menschen beschäftigt und beunruhigt.
Das betrifft vor allem die globale Finanz- und Wirtschaftskrise, durch die zahlreiche
Arbeitsplätze drohen verloren zu gehen. Das betrifft auch die Ersparnisse und Altervorsorge
von Millionen Menschen. Die Frage ist, ob das Europäische Parlament dazu in der Lage
sein wird, hier mit den Mitgliedsstaaten Lösungen zu finden, die gegenüber der derzeitigen
als auch der zukünftigen Generationen sozial gerecht und nachhaltig sind. Dabei müssen
wir auch bedenken, dass es nicht nur die Wirtschaftskrise gibt. Es gibt auch die Umweltkrise,
die Energiekrise und Nahrungskrise. Alle diese Gefahren werden durch eine moralische
Krise verursacht, einer falschen Werteordnung in Bezug auf wesentliche humane Werte,
die im Evangelium ihre Bestätigung finden.“
Welches sind die Schwerpunkte
der EU-Politik, die für die Katholische Kirche von Bedeutung sind?
„Das
ist die katholische Soziallehre. Also die Menschenwürde, das Gemeinwohl. Nicht nur
die Abgeordneten, sondern auch alle Christen stehen nun im Parlament für grundlegende
Fragen. Das betrifft den umfassenden Schutz der menschlichen Würde und des Lebens,
vom Anfang bis zum natürlichen Ende. Auch der verantwortliche Umgang mit der Schöpfung,
das Bemühen um ein europäisches Gemeinwohl, nicht nur national. Das Stärken von Frieden,
Sicherheit und Freiheit, die Unterstützung der Familien und die Förderung der Bildung
und Erziehung der Jugendlichen. Auch der Umgang mit Asylbewerbern und Migranten und
den Einsatz für mehr Gerechtigkeit für die Armen. Die Fragen können nur auf dem Fundament
der christlichen Werten, die Europa geprägt haben, eine zukunftsfähige Antwort geben.“
Wie
sehen Sie die künftige Zusammenarbeit der katholischen Kirche mit der EU?
„Man
sollte besser von Dialog sprechen, den wir mit den Verantwortlichen der europäischen
Institutionen führen. Das auf Basis der katholischen Soziallehre mit den Prinzipien
der „Human Dignity“, Subsidiarität und Solidarität. Die Schwierigkeiten des Dialogs,
die wir mit den Politikern in Brüssel haben, sind die gleichen wie in den einzelnen
Mitgliedsländern. Es gibt Unverständnis und Widerstand aufgrund verschiedener Ideologien.
Es ist auch nicht immer leicht die Bedingungen für einen richtigen Dialog zu finden.
Die Regierungen können sich auch oft nicht selbst kritisieren. Und Politikern sind
die Parteiinteressen oft anders.“