Herr Radbil, Sie sind seit wenigen Tagen (seit
dem 2. Juni) frisch gebackener Rabbiner, wie fühlt man sich?
Mit Ihnen und
Ihrem Freund und Kollegen, Rabbiner Zsolt Balla, sind am Dienstag erstmals seit über
70 Jahren, seit der Reichspogromnacht 1938, in Deutschland wieder orthodoxe Rabbiner
ordiniert worden. Ihre Ordination war also ein historischer Moment für ganz Deutschland
– das jüdische wie nichtjüdische. Wie haben Sie persönlich diesen Moment erlebt?
Sie
sind in der Ukraine geboren worden und mit 12 Jahren mit ihrer Familie nach Deutschland,
genauer nach Leipzig, gekommen. Ich habe gelesen, dass Sie aus einer nicht-religiösen
Familie stammen. Wie kam es denn, dass Sie sich wieder stärker der Religion zugewandt
haben? Und wieso zum orthodoxen Judentum?
Spielte da der deutsche Kontext eine
Rolle? Wie ist es denn vergleichsweise um das jüdische Leben in der Ukraine bestellt?
Das
jüdische Leben in Deutschland blüht endlich wieder auf – kann man das so sagen? (Oder
ist das vielleicht eher eine Entwicklung, die bisher nur die Großstädte und weniger
das „platte Land“ betrifft?)
Innerhalb des orthodoxen Judentums gibt es ja
verschiedene Strömungen. Wenn ich richtig informiert bin, gehören Sie der „modern
orthodoxen“ Strömung an. Was macht denn „modern orthodox“ aus, was ist darunter zu
verstehen?
Vielleicht können Sie noch kurz etwas zu ihrem Studium am Rabbinerseminar
zu Berlin erzählen. Wie sieht dort der Studienalltag aus?
Sie studieren ja
selbst nebenbei noch Psychologie. Ist diese doppelte Ausbildung auch bei ihren ehemaligen
Mitstudenten die Regel? Werden alle, die das Seminar besuchen, Rabbiner oder gehen
sie auch zurück in andere Berufe?
Gibt es Austausch mit anderen jüdischen Organisationen,
z. B. dem Abraham-Geiger-Kolleg oder auch Einrichtungen anderer Religionen?
Ihnen
steht in Kürze ein Umzug nach Köln bevor, wo Sie als Assistent des Oberrabbiners der
Synagogen-Gemeinde Köln antreten. Welche Aufgaben warten dort auf Sie? Mit welchen
Hoffnungen und Erwartungen treten Sie diese Stelle an?
Köln hat ja eine der
größten jüdischen Gemeinden in Deutschland, das Rheinland ist aber auch eine sehr
katholische Region und gerade in Köln wird durch viele Zuwanderer aus der Türkei und
dem arabischen Raum auch das muslimische religiöse Leben immer sichtbarer. In Berlin
ist es ähnlich. Spielt dieser multireligiöse Kontext bei Ihrer Arbeit als Rabbiner
eine Rolle? Und wenn ja, wo sehen Sie gemeinsame Aufgaben und Ziele der verschiedenen
Religionen innerhalb der deutschen Gesellschaft?