Indien: „Man spricht nicht mit ihnen, man bespuckt sie…“
Zum ersten Mal wird
eine Frau – und dazu eine so genannte Unberührbare, eine Dalit – Präsidentin des indischen
Parlaments. Die Diplomatin Meira Kumar wurde von der Kongress-Partei nach deren klarem
Wahlsieg für das Amt ausgesucht; seit Mittwoch steht die Dalit an der Spitze der Lok
Sabha, des Unterhauses in Neu-Delhi. Doch aus dem Bundesstaat Orissa werden weiter
Übergriffe von Hindus auf Christen gemeldet (von denen viele Dalit sind). So wurde
jetzt bekannt, dass vor vier Tagen Extremisten im Distrikt Kandhamal die Häuser von
drei christlichen Familien niedergebrannt haben – eine deutliche Warnung an Christen.
Orissa und speziell Kandhamal waren im letzten Jahr Schauplatz einer richtiggehenden
Christenverfolgung. Der missio-Menschenrechtsbeauftragte Otmar Oehring ist gerade
aus Orissa zurückgekehrt. Er hat dort ein Klima des Christenhasses vorgefunden: Hindu-Extremisten
wollten Indien bis 2025 christenfrei machen.
„Die Christen leben natürlich
immer noch in Angst und Schrecken; die Flüchtlinge haben nicht in ihre Häuser zurückkehren
können, und es ist auch nicht abzusehen, wann das der Fall sein soll. Die staatlichen
Behörden in Orissa bedrängen die Christen weiterhin – sie drangsalieren, schikanieren,
diskriminieren sie. Es werden ihnen keine Schadenersatzzahlungen gegeben, die ihnen
eigentlich zustünden; sie werden nicht mit Nahrungsmitteln versorgt, und es gibt keine
medizinische Unterstützung. Die Kinder können nicht in die Schulen gehen… Einige der
Flüchtlingslager, die noch bestehen, werden von der zentralen Reservepolizei bewacht,
aber es gibt auch sehr viele kleinere, die eben nicht beschützt worden sind – und
es wird einem überall gesagt, dass es jederzeit wieder zu Übergriffen auf die Christen
kommen könnte.“
Christen, die in Orissa und speziell im Distrikt Kandhamal
geblieben oder dorthin zurückgekehrt seien, erlebten jetzt „absolute Ausgrenzung“,
so Oehring:
„Man spricht mit ihnen nicht; man bespuckt sie, wenn man sie irgendwo
trifft; man schlägt sie; man versucht einfach, ihnen deutlich zu machen, dass sie
in dieser Gegend von seiten der Hindus nicht als Mitbürger gewünscht sind.“
Das
ist eine Stimmung, die nach Oehrings Eindruck schwer umkehrbar ist: Selbst wenn sich
die Zentralregierung oder die Behörden vor Ort auf einmal engagieren sollten, würde
es lange dauern, bis die Christen sich wieder so sicher fühlen könnten, dass sie in
ihre Dörfer zurückkehrten. „Das ist momentan irgendwie nicht abzusehen.“ Die Staatsregierung
von Orissa werde von einer Partei namens PJD gebildet:
„Die gleichen Leute,
die bislang mit der hindufaschistischen BJP in einer Koalition waren, sind natürlich
weiterhin an der Regierung – und es wird zwar gesagt, dass diese Partei vorderhand
säkular sei, doch was das mit Blick auf die christlichen Flüchtlinge und auf ihren
Schutz bedeutet, das ist natürlich die große Frage!“